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stolperte, und schwupp lag sie vor Gunnar auf dem Boden. Sie hatte zwar die beiden Becher noch in der Hand, aber sie jetzt waren leer und die heiße Brühe tränkte die auf dem Boden liegenden Lederteile.

      „Auweia, Gunnar, Rannveig, das tut mir leid. Das wollte ich nicht“, stieß Hilda hervor. Dann rappelte sie sich hoch und stellte die leeren Becher mit tief betrübtem Gesicht auf den Tisch.

      Lipurta saß im Hintergrund und feixte schadenfroh.

      Hilda stand geknickt vor Gunnar und fragte zaghaft: „Gunnar, wie kann ich das wieder gutmachen? Es tut mir so leid um die schönen Lederstücken.“

      Gunnar runzelte etwas die Brauen und meinte dann: „Mir tut es leid um die gute, fette Brühe. Na ja, wenn du es wirklich wieder gutmachen willst, dann holst du jetzt neue Brühe und schaffst es auch, sie hierher zu stellen. Dann schaust du zu, was ich hier mache.

      „Rannveig, bringe doch bitte noch eine Öllampe her“, rief er.

      Diesmal schaffte es Hilda, ohne zu stolpern, zwei gefüllte Becher vor Gunnar abzustellen.

      Sie setzte sich zu ihm und nachdem sie von der Brühe getrunken hatte, schaute sie gespannt auf seine Hände.

      „Eigentlich wollte ich Lipurta fragen, ob sie mit mir kommt, dass wir zusammen Bogenschießen üben. Es ist ja noch Zeit bis Alvitur seine Geschichten erzählt, aber ich möchte auch gerne sehen was du da machst, wenn ich schon mal hier in deinem Stinkehaus bin“, sagte Hilda, nun schon wieder etwas mutiger, zu Gunnar.

      Lipurta mischte sich ein und meinte: „Mit dem Bogen schießen wird das wohl heute nichts mehr. Es dämmert ja gleich, oder wollen wir Sterne abschießen?“

      „Schade“, erwiderte Hilda, aber es tat ihr nicht wirklich leid, denn sie schaute schon wieder ganz gespannt auf Gunnars Hände. „Was machst du da? Was wird das?“, fragte sie.

      „Na, Hilda, wie sieht das hier aus?“

      Hilda überlegte kurz. „Ich glaube, wenn du die Teile da zusammennähst, könnte es ein Köcher für Pfeile werden.“

      „Stimmt, das soll es auch einer werden, ein neuer Köcher, für Ragnar“, erwiderte Gunnar. „Sieh mal, die Teile sind aber jetzt noch sehr weich, richtig wabbelig.

      Wenn ich jetzt daraus einen Köcher machen würde, dann würde er doch am Gürtel immer herumschlabbern. Ich muss also das Leder steifer machen, damit es die Form behält, und genau das will ich jetzt machen.“

      „Hm“, machte Hilda, fasste die weichen Lederteile an und fragte dann: „Und wie kriegst du das Leder fest?“

      Gunnar deutete auf dem Topf, der über einem kleinen Feuer hing. „Hiermit, mit geschmolzenem Wachs. Wenn du dich dafür interessierst, komme doch einfach morgen vorbei. Ich zeige dir das dann in aller Ruhe. Vielleicht brauchst du ja auch eine Messerscheide, oder auch einen Köcher, dann können wir den zusammen herstellen.“

      „Oh, ja, das wäre toll“, rief Hilda begeistert aus. „Ich glaube, ich würde gerne eine Messerscheide herstellen, die man an den Gürtel hängen kann und ein schönes Muster soll auch drauf sein. Ich kenne da jemanden, der nur so eine olle Hülle für sein Messer hat.“

      „Na gut, versprochen“, sagte Gunnar, „komm also, wenn du nichts anderes zu tun hast, und merke dir auch, wie groß das Messer ist, damit die Scheide auch zum Messer passt.“

      Nachdem Hilda noch eine ganze Weile interessiert zugeschaut hatte, stieß Gunnar sie an. „Nun geht aber ihr beiden, sonst verpasst ihr heute noch Alviturs Geschichten.“

      Lipurta meldete sich: „Hier Vater, die Schnüre sind auch fertig. Es sind ganz viele. Ich geh dann mal mit Hilda.“ Sie legte vor Gunnar ein ganzes Knäuel frisch gefetteter Lederschnüre hin und griff sich ihren dicken Winterpelz.

      „Kommt ihr auch mit?“, fragte Hilda.

      „Nein, Hilda, heute nicht. Gunnar will den Köcher fertig machen und ich leiste ihm hier lieber Gesellschaft, als nutzlos dort herumzusitzen. Wir kennen doch all die Geschichten, die Alvitur dort erzählt. Aber geht nur, es ist schon spannend, wie er das immer macht.“

      Rannveig hielt den beiden Mädchen noch zwei Äpfel und zwei Stücken Trockenfleisch hin, dann strich sie Lipurta kurz über den Kopf. „Nun lauft ihr zwei Hübschen, sonst bekommt ihr nur noch einen Platz in der hinteren Reihe.“

      Die Mädchen zogen ihre Kapuzen weit über den Kopf, banden die Kragen fest zu und machten sich auf den Weg zum Langhaus.

      Inzwischen war es draußen schon dunkel geworden und der von ihren Füßen aufgeworfene Schnee stob im Vollmondlicht hell auf. Der Weg war zwar nicht weit, aber trotzdem fassten sich die Mädchen an den Händen und liefen mit schnellen Schritten.

      Nachdem sie die Tür hinter sich zugemacht hatten, brauchten sie einen Moment, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.

      Hilda schnüffelte: Es roch nach Feuer, nach Heu, Leder und nach Essen. Im Dämmerlicht sah sie, dass schon fast alle Bänke um die Feuerstelle herum besetzt waren und die Gesichter derer, die in der ersten Reihe saßen leuchteten im Feuerschein. Das allgemeine Gemurmel war so laut, dass Hilda Lipurta anstieß und sich die Ohren zuhielt. Auf den zwei Bänken vor dem Feuer saßen hauptsächlich die kleinen Kinder, die sich ja kein Wort von den Erzählungen entgehen lassen wollten. Sie saßen eng aneinandergekuschelt, in dicke Pelze gehüllt und hatten allesamt erwartungsvolle Gesichter. Auf den hinteren Bänken saßen schon ein paar Erwachsene, die immer noch gerne den uralten Geschichten lauschten. Natürlich war es für sie auch eine passende Gelegenheit, Gespräche in gemütlicher Runde zu führen. Hilda entdeckte Bjarki und Arnor, die schon auf den Bänken am Feuer saßen. Arnors Schwester Kibba, Stina und Elfa, saßen auch schon dort, aber wo waren Falki und Alfger? Dann musste Hilda grinsen, als sie sah, dass Kibbas Haare und ihr Gesicht immer noch einen grünen Schimmer hatten. Im Hintergrund hantierten ein paar Frauen, an einem kleinen Feuer und machten Getränke warm. Für die Kinder gab es an solchen Abenden immer Kräutertee, der mit etwas Honig gesüßt war. Die Erwachsenen tranken bei solchen Gelegenheiten lieber warmen Met und manch einer von ihnen so viel, dass er dann das Ende der Geschichte verpasste und auf der Bank zu schnarchen anfing. Hilda und Lipurta schoben sich an den Bänken vorbei, dorthin, wo Arnor saß. Dabei verrenkte Hilda laufend ihren Hals und hielt nach Alfger Ausschau.

      Von Falki wusste sie, dass er ganz sicher noch in der Schmiede war. Er würde bestimmt zusammen mit Steinar herkommen. Da schob sich auch schon Steinars riesige Gestalt durch die Eingangstür, begleitet von Birta, und hinter ihnen huschte Falki ins Haus.

      Falki rief schon vom Eingang her: „Hilda, ich komme ja schon! Ist bei dir noch ein Platz frei?“

      Kurz darauf kamen Hildas Vater, Finnur der Bootsbauer, mit seiner Frau Selja und Haida. Alle reckten ihre Hälse und hielten nach freien Plätzen Ausschau. Da dröhnte Steinars Bassstimme durch das Gemurmel der Leute: „Macht doch mal Licht. Hier ist es ja dunkel, wie in einer Bärenhöhle!“

      Eine Stimme rief zurück: „Bring doch deine eigene Ölfunzel mit!“

      „Wo sind denn noch ein paar Lampen?“, fragte Falki die Frauen am Kochfeuer.

      „He, he, wollt ihr hier ein Lichterfest feiern?“, fragte prompt eine von den Frauen.

      „Schau mal dort rechts, neben den Regalen, dort müssten noch ein paar Lampen herumstehen. Öl ist hier bei mir.“

      Selja rief scherzhaft: „Steinar, du kannst wohl im Dunkeln Alviturs Stimme nicht hören?“ Dann lachte sie laut über ihren eigenen Witz. „Steinar wird wohl alt, der kann im Dunkeln nicht mehr gut hören. Ha, ha!“, kam noch eine spitze Bemerkung von Hildas Mutter und die Frauen kicherten.

      Steinar lachte selber mit und drohte den Frauen mit dem Finger.

      Falki holte zwei Lampen, füllte Öl nach und hängte sie an die beiden Pfosten, neben der hintersten Reihe, wo der Lichtschein des Feuers nicht mehr hinreichte. Als umsichtiger Kopf stellte er auch gleich fest, dass Alviturs Stuhl noch nicht am Feuer stand und er rief: „Arnor, pell dich mal aus deinem

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