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Schaut mal, ich habe hier im Korb eine Menge leckeres Zeug gefunden. Hast du das alles eingepackt, Alfger?“

      „Na gut, dann essen wir erst etwas. Nein, das hat alles meine Mutter eingepackt. Die hat immer Angst, dass ich verhungere. Falki komm, setzen wir uns zu Hilda und stärken uns.“

      Einen Augenblick später saßen sie im Kreis um den Korb und ließen es sich gut schmecken. Alfgers Mutter hatte reichlich eingepackt: Kalten Brei mit Früchten, etwas Brot, Trockenfisch, Äpfel und sogar etwas Fleisch war dabei.

      Inzwischen war das Wetter wieder so, wie es immer üblich war, mit einem Himmel voller Wolken. Die Sonne blinzelte nun nur noch durch die Wolkenlücken, aber es war trotzdem warm. Um sie herum herrschte Stille, kein Baum knarrte, kein Laub raschelte, nur ab und zu ein Piepen aus den Wipfeln der Bäume. Irgendwann war auch kein Vogelgezwitscher mehr zu hören. Diese absolute Stille kam Hilda sehr sonderbar und schon fast unheimlich vor. Sie neigte laufend ihren Kopf in alle Richtungen, um besser hören zu können. Was sie vorhin gehört hatte und glaubte gesehen zu haben, kam ihr plötzlich wieder in den Sinn.

      Die Jungen waren fertig mit dem Essen und wischen sich genüsslich den Mund. Falki legte seinen Kopf auf Hildas Knie und stöhnte wohlig: „Ach, hier kann man es aushalten. Kein Gegacker von Dorfhühnern, keine quälenden Eltern. Hier möchte ich bleiben.“

      „Psst!“ machte Hilda. „Da ist es schon wieder, wie vorhin“, und sie zeigte, mit erregtem Gesicht auf einen Holunderbusch, der mitten im Schlehendickicht stand.

      Da sahen die Jungen es auch: Ein fast schwarzer, Zottelpelz bewegte sich aufrecht im Schatten der Büsche. Nur ein ganz leises Rascheln der Blätter war zu hören. Das Wesen verharrte, bewegte sich dann aber weiter und kam langsam näher. Falki griff aufgeregt nach seinen Bogen. Alle drei schauten sich etwas ängstlich an. Das war kein Bär, denn die sind viel größer und die laufen auch nicht aufrecht, und ein Wildschwein war das erst recht nicht. So leise konnte sich kein Wildschwein und kein Bär bewegen. Dann hörten sie es wieder, das ganz leises Knacksen eines Zweigleins und ein kaum zu hörendes, leises Schurr, Schurr. Die Leichtigkeit, mit der sich diese Gestalt durch das dichte Gebüsch bewegte, war ihnen unheimlich. Der Zottelpelz kam langsam näher und stand jetzt am Rande der hohen Sträucher.

      Hildas Herz begann zu hämmern und etwas Merkwürdiges fing an, sich in ihrem Kopf zu regen. Dieses merkwürdige Gefühl, dass sie schon öfter so ganz leicht verspürt hatte, nahm jetzt an Stärke zu und sie wusste plötzlich, dass die unbekannte Gestalt es auslöste. Alle drei hielten den Atem an. Alfger griff nach seinem Speer und Falki fingerte, den Blick starr auf das Gebüsch gerichtet, nach einem Pfeil. Die Situation war ihnen nicht geheuer und die Haare im Nacken stellten sich auf. Alle drei starrten gebannt auf das Monster, das sie nicht kannten und das sich dort im Gebüsch als dunkler Schatten bewegte. Ganz langsam hob Alfger seinen Speer und Falki legte den Pfeil auf die Bogensehne. Totenstille herrschte um sie herum, nicht mal ein Vögelchen zwitscherte. Sechs Augen hingen förmlich an dem bedrohlich wirkenden Schatten, der sich weiterhin, ganz langsam, auf sie zu bewegte.

      Die Anspannung wuchs und das Etwas kam immer näher. Die Zweige wurden vorsichtig auseinander gebogen, dann trat es zögernd aus dem Gebüsch.

      Zwei große, dunkle Augen schauten sie an, umrahmt von dichtem Zottelhaar. Hilda nahm sofort den besonderen Geruch wahr; so wie nach feuchter Erde, nach Moos und etwas streng, wie Pferd. Ein Troll stand vor ihnen. Die Spannung, die in der Luft lag, spürte auch Falki als Kribbeln auf der Haut und keiner traute sich, auch nur einen Finger zu bewegen.

      Es war Hilda, die sich zuerst entspannte, weil sie tief in sich den Troll und seine Friedfertigkeit erspürte. Wie kleine, ganz sachte Berührungen fühlte sie den Troll in ihrem Kopf und sie wusste jetzt, dass ihr merkwürdiges Gefühl, dass sie vorhin so stark spürte, eine neue Fähigkeit war, die sie jetzt grade benutzte.

      Sie flüsterte: „Habt keine Angst, das ist nur ein junger Troll, der neugierig ist. Er tut uns nichts. Er ist freundlich; ich spüre es.“

      „Woher willst du das wissen“, flüsterte Falki zurück, aber auch er entspannte sich sofort. Irgendwie wusste er, dass er Hildas Worten glauben konnte.

      „Ich spüre es einfach in mir und sogar ganz deutlich. Er ist nicht böse und er hat sogar etwas Angst vor uns. Ich glaube, er weiß, dass ich ihn spüren kann. Er ist nur neugierig, und ich weiß, dass er Hunger hat.“

      Hilda flüsterte in die Richtung des Wesens: „Trolli, hast du Hunger?“

      Fast wie eine Antwort, drehte der Troll ihr sein Gesicht zu und ließ ein ganz leises Brummeln hören, dass den Jungen die Haare zu Berge standen.

      „Er hat wirklich Hunger“, flüsterte Hilda und schob ganz langsam die hölzerne Schale mit dem Getreidebrei in seine Richtung, bis an den Rand des Felsblocks.

      Alfger atmete hörbar seine Anspannung aus und auch Falki entspannte sich langsam, indem er leise durch die Lippen pustete. Der Troll machte noch einen Schritt auf sie zu und trat vollständig aus dem Gebüsch heraus. Sein Blick huschte dabei zwischen den Menschen und der Schale, mit dem Brei, hin und her.

      Dann stand er plötzlich am Rande des Steins und schwupp, griff seine pelzige Hand nach dem Essen. Blitzschnell war die Schale verschwunden und der Troll mit ihr. So schnell konnten die drei gar nicht gucken, wie der Troll mit der Schale verschwunden war. Kein zitterndes Zweiglein verriet mehr, in welche Richtung ihr pelziger Gast davongemacht hatte.

      Alfger macht laut: „Ufffff, das war was“ – und Falki meinte kopfschüttelnd: „Ja, das war irre, aber das glaubt uns keiner im Dorf.“

      Hilda machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte dann: „Als ich merkte, dass es ein Troll war, hatte ich kein bisschen Angst mehr. Es war so, als ob wir uns verstehen würden. Nicht, dass ich seine Gedanken wusste, aber ich konnte ihn fühlen, und auch dass er Hunger hatte. Ich spürte auch ganz deutlich, dass er uns nichts Böses tun wollte.

      „Alfger, verstehst du, was meine Schwester uns grade erklärt? Sie konnte den Troll spüren, seine Gedanken lesen; Hilda, ich glaube, du bist eine Hexe.“

      Alfger guckte etwas versonnen, dann grinste er Falki ins Gesicht und verkündete: „Ich spüre, ja, seit heute spüre ich, dass ich Hexen ganz besonders mag.“

      Nun lachte alle drei und Hilda fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

      Ein dunkler Schatten flog über ihre Köpfe und sein lautes „Krah, krah“, erinnerte sie wieder daran, warum sie eigentlich hierher gekommen waren.

      Die Drei ragten immer noch herausfordernd vor ihnen in den Himmel und in der Felswand wartete das Rabennest.

      „Jetzt wird es noch einmal spannend“, meinte Alfger und nahm das Seil auf.

      Die Felsen kritisch betrachtend, gingen die beiden Jungen ganz nahe an die Felswand heran. Hoch über ihnen, auf einem Felssims, war der Rabenhorst zu sehen.

      Die Jungen, besonders Falki begannen die Felswand ganz genau zu betrachten – jeder sichtbare Riss, jeder Vorsprung wurde kritisch begutachtet. Falki begann jeden Schritt zu überlegen, welcher Riss und welche Kanten zum Klettern geeignet wären. Schließlich sagte er zu Alfger: „Wenn wir es bis zu diesem Vorsprung dort geschafft haben, wo die kleine Birke drauf wächst, dann haben wir das Schlimmste hinter uns. Von dort an kannst du das Seil an der Birke fest machen und ich bin sicher. Aber hier unten sieht es ganz schön schwierig aus. Wie soll ich bis zu diesem kleinen Absatz hoch kommen? So hoch kann ich nicht springen.“

      Nun machten alle drei nachdenkliche Gesichter und überlegten, bis Hilda sagte: „Ich kann ja auch was aushalten. Wir stellen uns zusammen an die Wand und du steigst auf Alfgers Schultern und zusammen können wir dich dann hochschieben, also richtig hochheben. So müsstest du doch den Vorsprung erreichen können.“

      Falki nickte und brummte: „Versuchen wir es“, dann band er sich das Seil um den Bauch und die anderen beiden stellten sich mit dem Rücken an die Felswand. Er zog seine Schuhe aus und kletterte an Thurid und Alfger hoch. Das war zwar ganz schön wackelig, aber die zwei hielten stand und als Falki auf ihren Schultern stand, begannen

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