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Fingern; zehn Jahre war das her. Hilda hatte immer noch keinen Einfall, was sie heute wirklich machen wollte, so ging sie langsam den Weg hinunter, zum Fjord. Unterwegs pflückte sie immer mehr Blumen und begann, sich einen Kranz daraus zu flechten. Sie liebte es, am Ufer des Fjordes herumzustromern, weil es immer etwas zu entdecken gab und so schlich sie sich in den Schatten eines großen Holunderbusches, der weit ab von Arbeitsplätzen der Bootsbauer stand. Sie begann aufmerksam den Uferstreifen abzusuchen, um irgendwo ein Nest, oder Tiere zu entdecken.

      Gespannt schaute sie nach dem Möwennest, das sie schon vor ein paar Tagen hier entdeckt hatte und jetzt sah sie, dass fünf Eier darin langen. Ein rotbeiniger Strandläufer rannte flink über die Steine und Hilda musste kichern, als sie seine Beine sah.

      „Hihi, ich hab ja auch rote Strümpfe an“, dachte sie. Als sie aber ihre Füße sah, schaute sie plötzlich entsetzt drein, denn aus ihren schönen roten Strümpfen schaute am rechten Fuß die große Zehe heraus. Nun betrachtete sie ihre bestrumpften Füße genauer und innerlich fühlte sie schon, wie sie immer kleiner wurde; Mutters Worte hörte sie schon jetzt: „Meine liebe kleine Strumpfhilda …“ Unter den Füßen sah es noch schlimmer aus; Loch an Loch. Wie so oft lief sie auf Strümpfen durch das Dorf.

      Jetzt war ihre Frühlingsfreude fast dahin und mit gesenktem Kopf machte sie sich auf den Heimweg. Die Mutter würde ihr wohl wieder die Ohren lang ziehen.

      Wieder im Dorf, roch Hilda überall die Kochfeuer, frisches Holz und sah, wie die Leute emsig zwischen dem Langhaus und ihren Hütten hin und her liefen. Selbst die Dorfhunde scheinen vom Frühling neu beseelt zu sein und sprangen zwischen den Menschen herum, um ihre Aufmerksamkeit oder einen guten Happen zu erhaschen.

      Auf ihrem Weg nach Hause musste sie an einigen anderen Hütten vorbei, und vor einer saß Sven, der Fischer und rief: „Hallo, Strumpfhilda!“

      Weil Hildas Laune wegen der Löcher in den Strümpfen schon ziemlich gedrückt war, zog sie einen Flunsch und rief zornig zurück: „Ich bin Hilda und nicht Strumpfhilda!“

      Einen Augenblick später stand sie aber vor Steinars Schmiede und ihre gute Laune kehrte zurück. Neugierig schaute sie nach, ob sie ihren Bruder hier irgendwo entdecken konnte. Falki stand oft still in einer Ecke der Schmiede und schaute einfach nur zu, wie Steinar das Eisen bearbeitete. Steinar hatte immer beide Hände voll zu tun, selbst im Winter war er einer der Wenigen, die kaum zur Ruhe kamen. Falki war aber nicht hier und so ging sie langsam nach Hause. Auf dem Weg wurden ihre Schritte immer zögernder. So lange sie auch das Zusammentreffen mit der Mutter hinausschieben wollte, irgendwann musste sie ihr ja doch die löchrigen Strümpfe zeigen. Die Mutter würde wieder an ihren Zöpfen ziehen und mit ihr schimpfen, weil sie ständig ohne Schuhe umher lief.

      Als Hilda die Hütte erreicht hatte, tat sie so als ob alles ganz normal wäre und schlich sich an der Mutter vorbei. Sie suchte im Halbdunkel der Hütte nah ihren Schuhen und wollte sie schnell überziehen, bevor die Mutter ihre zerlöcherten Strümpfe sehen konnte.

      „Hilda, lauf mal schnell zu Steinar und bringe ihm das hier“, rief da ihre Mutter.

      „Ja, Mama, was ist das?“

      „Strümpfe für Steinar.“

      „Kann Birta, seine Frau, nicht selber stricken?“

      „Doch kann sie das, aber die arme Frau ist damit geplagt, dass ihre Augen nicht mehr so gut sehen können und da sieht das Gestrickte dann auch nicht so gut aus. Bei manchen Leuten werden die Augen mit den Jahren immer schlechter, bis sie den Löffel in der Hand nicht mehr sehen, wenn sie ihren Brei essen.“

      „Haha“, lachte Hilda. „Mama, zum Essen braucht man doch die Augen nicht. Ich kann doch auch mit geschlossenen Augen meinen Brei essen.“

      „Jaja, ich weiß, darum sieht dein Mund nach dem Essen auch immer so fein beschmiert aus, und nun lauf, bringe die Strümpfe zu Steinar, aber ziehe deine Strümpfe vorher aus, oder deine Schuhe an, meine kleine Strumpfhilda.“

      „Bäää, Mama, sag du nicht auch noch Strumpfhilda zu mir. Die anderen und auch die Jungen im Dorf sagen das immer, aber ich mag das nicht. Sie hänseln mich damit immer, besonders der dicke Arnor.“

      Mutter Hilda runzelt gespielt die Augenbrauen. „Töchterchen, du bist zehn Jahre alt, da solltest du schon wissen, dass es Schuhe gibt, damit die Strümpfe nicht ständig Löcher haben. Nun mach schon, meine Kleine“ – und sie strich ihr liebevoll über das Haar.

      Hilda rannte mit ihrem Bündel unter dem Arm, zur Schmiede. Als sie anlangte, musste sie erst einmal an der Tür stehen bleiben um Steinar zu bewundern. Er war der größte Mann in Björkendal und hat riesige Muskelpakete an den Armen.

      „Woher hat der soviel Kraft, den ganzen Tag auf die Eisenstangen einzuschlagen?“, fragte sich Hilda.

      Jeder im Dorf besaß Dinge, die aus Steinars Schmiede. Rußgeschwärzt und schwitzend stand er an der Feuermulde und betätigt die Blasebälge. Das Feuer faucht jedes mal auf wenn er an am Blasebalg zog und die Kohlen sprühten helle Funken. Steinar bemerkte Hilda und wandte ihr den Kopf zu.

      „Guten Tag Hilda. Na, bist du wieder auf Strümpfen?“

      Hilda grinste frech und zeigte stolz, dass sie Schuhe an hatte. „Grrrr, Steinar, musst du mich auch noch ärgern? Nein, ich habe heute Schuhe an.“

      Dann schenkte sie Steinar eines ihr süßestes Lächeln. Nachdem sie genug geschaut hat, baute sie sich vor Steinar auf und hielt im das Bündel hin.

      „Hier, die hat meine Mutter für dich gemacht.“ Sie rückte ganz dicht an Steinar heran, blickt ihm streng in die Augen und fragte: „Kriege ich was dafür?“

      Steinar brummt: „Hmmmm, was soll ich dir dafür geben, ein Stück Eisen, zum lutschen?“ Dann schaut er mit gespielter Strenge tief in die Hildas Augen. „Naaaaa, willst du?“

      Hilda reckte keck ihre Nase zu ihm hoch und sagt: „Ja, wenn du mir sagst, welches Eisen am besten schmeckt, nehme ich davon ein Stange!“

      „Haha, du bist gut“, lacht Steinar und schmunzelt über sein schwarzes Gesicht. Geh’ mal ruhig nach Hause und grüße deine Mutter Hilda von mir. Die Frauen machen das schon unter sich aus. Dann haben sie einen Grund für ein Schwätzchen. Du kannst aber auch schnell zu Birta ins Haus gehen. Sag ihr, dass ich dich geschickt habe. Sie hat bestimmt etwas für dich.“

      „Na, gut“, meinte Hilda und wollte gleich davon hopsen, da rief Steiner ihr hinterher: „Hilda warte mal. Kannst du auch etwas für mich tun? Kriegst auch einen Honigkuchen.“

      Da wurden ihre Augen größer. „Na klar mach ich was für dich. Was denn?“

      „Wenn du deinen Bruder Falki siehst, sage ihm doch bitte, dass ich ihn gerne hier hätte. Ich brauch dringend Jemanden, der den Blasebalg bedient. Arnor ist ja nicht hier, weil er mir den Fischern draußen ist.“

      Da stand Birta mit einem mal in der Schmiede. Sie hatte alles mit angehört hatte und gab Hilda ein Stück von dem Honigkuchen, mit den Worten: „Den habe ich heute grade frisch gebacken. Ich spreche nachher mit deiner Mutter. Na, lauf schon.“

      „Hmm, danke“, sagte Hilda und verließ, mit ihrem Kuchenstück in der Hand, die Schmiede im Hüpferschritt. Unvermittelt machte sie aber wieder kehrt und frag Birta: „Sag mal Birta, warum sitzen deine Gänse so still, sonst schnattern die doch immer?“

      Birta lacht. „Weißt du nicht, dass sie ihre Eier ausbrüten, aus denen dann die kleinen Gössel kommen?“

      „Hmm, doch“, machte Hilda „stimmt, die Möwen und die andern Vögel im Fjord machen das ja jetzt auch grade“, und weil sie wusste dass der Gänserich ziemlich arg zwicken konnte, verzichtete sie lieber darauf, sich die Eier anzusehen.

      Sie dreht sich zu den beiden noch mal um, rief: „Danke!“ – und rannte davon, Falki zu suchen.

      Unterwegs gingen ihr merkwürdige Gedanken durch den Kopf: „Gössel, brüten …, Vogelmutter … Ich will auch etwas ausbrüten, ich will auch ein Nest haben.“

      Diese

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