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ist, dass niemand zu Schaden kommt. Hilda, nun lauf schon, Falki ist ja schon ganz ungeduldig. Aber seid vorsichtig und passt gut auf euch auf, dass euch nicht die Trolle fressen!“

      Sie stupste ihr Töchterchen aufmunternd an und nickte, als Zeichen, dass sie das Strickzeug weglegen sollte.

      „Trolle fressen doch keine Menschen“, erwiderte Falki entrüstet, „außerdem gibt’s die hier doch gar nicht mehr, außer in Alviturs uralten Geschichten.“

      Man konnte gar nicht so schnell gucken, wie Hilda ihr Strickzeug weggelegte, aufsprang, ihrer Mutter einen Kuss gab und dann Falki am Arm griff.

      „Los!“, rief sie erfreut, und schon rannten beide in Richtung von Alfgers Hütte davon.

      Als Hilda und Falki dort ankamen, stand Alfger schon davor und wartete. Mit seinen dreizehn Jahren war er nur ein Jahr älter als Falki, aber größer als er, einen ganzen Kopf größer als Hilda und hatte schon recht kräftige Schultern. Für Hilda war schon immer klar, dass nur Alfger, irgendwann einmal, ihr Mann werden würde. Sie mochte seine blonde Wuschelmähne und seine braunen Augen, die hier, in Björkendal, so ganz ungewöhnlich waren. Nur seine Mutter, Einurd, hatte noch diese braunen Augen. Wenn Alfger ihr in die Augen schaute, wurde ihr immer ganz warm im Bauch.

      „Hallo, schöne Hilda“, rief er und strahlte über das ganze Gesicht. Es war offensichtlich und jeder im Dorf wusste es, dass er und Hilda sich sehr mochten. Hilda war für ihn ein besonderes Mädchen, weil sie alles so gut konnte, wie es ein Junge können musste und dazu hatte sie Augen, die er so gerne mit den Farben des Fjordes verglich. „Ich habe schon alles zusammengepackt, was wir brauchen“, rief er freudig aus und zeigte auf einen Haufen Gepäck, der zu seinen Füßen lag. Oben drauf lagen ein zusammengerolltes Seil und ein paar Felle.

      „Meine Mutter hat uns Essen für den ganzen Tag eingepackt“, sagte Alfger stolz und zeigte auf den Korb.

      Erfreut über das bevorstehende Abenteuer und überrascht, weil sie nicht richtig wusste, was die beiden Jungen genau vorhatten, fragte Hilda: „Was habt ihr denn überhaupt vor? Ich bin ja gespannt wie ein Flitzbogen.“

      „Hilda, wolltest du nicht einen Raben ausbrüten?“, fragte Alfger und reckte sich dabei zu voller Größe auf.

      „Falki und ich haben beschlossen, dass du ein Rabenei bekommen sollst, und wir wissen auch schon woher.“

      Alfger tat wie ein Anführer und rief: „Los geht’s! Greift euch das Zeug und kommt! Bis zum Nest ist es ja doch ein ganz schön weiter Weg.“ Er hängte sich das Seil um die Schultern, griff sich sein Gepäck und lief los.

      Unterwegs erzählten die beiden Jungen Hilda, wie sie das Nest bei den Dreien entdeckt hatten. Die Drei, so nannten alle hier die drei Felsspitzen, die von einem Berg in den Himmel ragten. Dort in der Felswand hatten sie das Rabennest entdeckt und beobachtet, dass die Eltern noch brüteten.

      „Hilda, dann bekommst du dein Rabenei und kannst es selber ausbrüten.“ Dabei grinste Alfger so schelmisches über das ganze Gesicht, dass Hilda ihn am liebsten einen Kuss gegeben hätte. „Hilda, wo willst du denn dein Nest bauen, auch in den Felsen, oder auf einem Baum?“

      Hilda guckte verdutzt. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ui, da muss ich mir aber etwas einfallen lassen. Na auf einem Baum kann ich ja wohl nicht brüten, weil ich wahrscheinlich nachts runterfallen würde und wie man ein so großes Nest baut, in das ich auch reinpasse, weiß ich auch nicht, oder du hilfst mir dabei?“ Nun grinste sie frech in Alfgers Gesicht, dass er große Augen machte.

      „Ich glaube, ich werde einfach zu Hause, auf meinem Lager brüten, das ist es weich und warm.“

      Hilda rief plötzlich aus: „Seht doch, ist das nicht ein wunderschöner Tag; Vogelgezwitscher, Blumenduft und Sonnenschein!“

      „Aber achte trotzdem auf den Weg“, riet ihr Alfger.

      „Doofkopp“, antwortete Hilda und lachte ihn an.

      Überall blühten Kräuter und Büsche am Wegesrand, und um sich die Zeit auf dem langen Weg zu vertreiben, zupfte sie hier und da eine Blume und nach einiger Zeit Fußmarsch hatte sie sich einen wunderschönen, bunten Blütenkranz geflochten.

      Als sie wieder zu den Jungen aufschloss und neben Alfger anlangte, schaute sie ihm mit einem breiten Lächeln ins Gesicht, damit er ihren Blumenkranz bewundern sollte. Alfger schaute auch und war beeindruckt; Hilda war für ihn wunderschön. „Da würde ja sogar Freyja neidisch werden, wenn sie dich jetzt sähe“, sagte er anerkennend. Auch Falki nickte bestätigend und zwinkerte Hilda zu.

      Dann verfielen sie wieder schweigend in ihren schnellen Schritt, und so legten sie, in kürzester Zeit, eine lange Wegstrecke zurück.

      In das anhaltende Schweigen hinein rief Alfger: „Falki, warum haust du denn laufend mit deinem Knüppel gegen jeden Baum, du verscheuchst ja alle Tiere.“

      Falki schaute betroffen drein und brummelte: „Entschuldigung, das war mir gar nicht so bewusst, dass ich hier herumklopfe, wie ein Specht, aber schaut mal, da vorne sind ja schon die Felsen.“

      Wie selbstverständlich war Alfger der Anführer ihrer Gruppe und gab Handzeichen, stehen zu bleiben. „Wir werden erst mal eine Weile, beobachten, was die Raben so treiben und dann holen wir uns das Ei.“

      „Gibt’s hier Bären?“, fragte Hilda plötzlich ängstlich. Die Jungen schauten sich an und zuckten die Schultern.

      Alfger meinte: „Doch, ich glaube, dass Ragnar hier im vergangenen Jahr einen Bären erlegt hatte. Das ganze Dorf hat doch darüber gesprochen. Er hat ihn ganz alleine, mit dem Speer, erlegt und dann stolz das Fell herumgezeigt.“

      „Ja, ich weiß, sagte Falki, aber bist du sicher, dass das hier war?“

      „Ich glaube schon, denn er hatte ja die Drei erwähnt, und vor denen stehen war ja jetzt“, flüsterte Alfger und zeigte auf die Felsen, die wie drei Finger aus dem Felsmassiv herausragten.

      Er hob seinen Speer, um zu zeigen dass er keine Angst hatte. „Hilda, wieso fragst du das überhaupt?“

      Hilda schaute ihn mit großen Augen an und flüsterte: „Da war Etwas. Ich habe was gehört und auch etwas Dunkles dort in dem Schlehengebüsch verschwinden sehen, und es war groß.“ Sie deutete auf eine dichte Schlehenhecke, die etwas dreißig Schritte vor ihnen wuchs.

      Die beiden Jungen schauten sich mit unsicheren Blicken an und Falki fragte: „Ob mein Bogen ausreicht, einen Bären zu erlegen?“

      „Wenn dein erster Schuss richtig trifft, ja, aber wenn nicht, müssten wir uns Flügel wachsen lassen“, meinte Alfger. „Aber ich bin ja auch noch da“ – und er hob demonstrativ seinen Speer.

      Falki wusste: Unter den jungen Leuten im Dorf war Alfger der beste Speerwerfer. Seine Speere verfehlten nie ihr Ziel und weit konnte er auch werfen. „Wir werden uns doch hier nicht von einem Bären verscheuchen lassen. Hilda und Falki, ihr habt die schärfsten Ohren, passt einfach auf.“

      Einen Augenblick später standen sie vor den Felsen und schauten suchend in die Höhe. Falki zeigte auf die Stelle, wo sich der Rabenhorst befand. Obwohl sich die drei Abenteurer still verhielten, waren sie von den Rabeneltern doch entdeckt worden. Ein Rabe begann mit lautem „Arrr, arrr“ über ihren Köpfen zu kreisen, während der andere auf dem Nest sitzen blieb und ebenfalls laut rief.

      „Da wollt ihr hinauf“, flüsterte Hilda, „das ist ja unheimlich hoch und steil, uui.“ Sie schaute etwas ängstlich in die Felswand und kratzte sich ungläubig am Kopf, wobei ihr der Blumenkranz herunterrutschte. „Macht nichts“, dachte sie, „den brauche ich jetzt nicht mehr.“

      „Wir schaffen das schon meinte Alfger. Dein Bruder ist ja der beste Kletterer, und ich bin der beste Kletterhelfer. Stimmt’s, Falki?“

      Falki schaute etwas komisch drein. „Na, wenn du meinst.“

      Hilda stellte sich auf einen riesigen Felsblock, um die Gegend besser beobachten zu können und da er riesig und flach war, breitete sie ihr Gepäck

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