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Zimtwaffeleisen im Besitz meiner Schwester Ursula. Es muss wohl über hundert Jahre alt sein.

      Wie heimelig war es in der Stube, wenn der Duft alle Räume des Hauses durchströmte. Und oft war es so, dass auch Bratäpfel auf der Ofenplatte brutzelten. Heute rätsele ich über die Bedeutung der sechs verschiedenen Backformen-Symbole, die auf dem Zimtwaffeleisen erhalten sind. Da ist eine Schnecke (Spirale) dargestellt als Zeichen für die unaufhörliche Bewegung der Zeit, also eine Verheißung der ständigen Erneuerung. Für das Rotkehlchen gibt es zwei verschiedene Deutungen. Die christliche lautet, dass das Rotkehlchen dem Herrn Jesus am Kreuz einen Dorn aus der Stirn zog, sich dabei selbst verletzte und seitdem den roten Blutfleck auf der Brust trägt. Es kann aber auch sein, dass das Rotkehlchen mit dem Zaunkönig verschmolzen ist, der früher am Tag des heiligen Stephan (26. Dezember) gejagt wurde. es war der einzige Tag im Jahr, an dem dieser im Naturglauben heilige Vogel getötet werden durfte.

      Vier Herzformen symbolisieren das Fest der Geburt Jesu, das Fest der Liebe. Die Christrose, im Volksmund auch Schneerose oder Schneekatze genannt, erinnert an die Blüte Jesse, die mitten im Dunkel der unerlösten Welt aufblühte: „Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart“. In der Wintersonnenwende haben unsere Vorfahren große Schalen mit Früchten auf den Tisch gestellt, um im kommenden Jahr keinen Mangel zu leiden. Zu den Früchten gehörten vor allem Nüsse als Symbol der Fruchtbarkeit. Die Nüsse waren auch Sinnbilder von Gottes unerforschlichem Ratschluss.

      Schließlich ist auf dem Zimtwaffeleisen auch noch ein Kreuzsymbol. Am Luciatag (13. Dezember) wurde vielfach Lucienweizen in Kreuzform in flache Tonschalen gesät und feucht gehalten. Die Weizensaat stellte die wieder keimende Natur dar. Fast nicht mehr zu entziffern, weil „das Alter am Zahn der Zeit genagt hat“, ist ein Symbol auf der Kopfseite der Zimtwaffelpfanne. Es sieht aus wie ein Rad (Zahnrad) mit einer römischen Eins. Es könnte das Rad als Symbol der Sonne im Mithras-Kult der keltischen Vorfahren sein. Die römische „I“ weist auf den Beginn des neuen Jahres hin.

      Meine Schwestern backen noch heute Zimtwaffeln nach einem uralten Rezept ihrer Großmutter, das in der alten Sütterlin-Schrift in einem Kochbuch ihrer „Großel“ aufgeschrieben ist: Man nimmt ½ Pfund Butter, 300 Gramm Zucker, drei große Eier, 100 Gramm Zimt und ein Pfund Mehl. Der Teig muss drei bis vier Stunden lang stehen.

       Vom „Strohpatt“ und der „Binsegoth“

      In unserem Dorf wurde das neugeborene Kind innerhalb acht Tagen getauft. Bis zu diesem Tage war es ein „Hädekend“ (Heidenkind). Je nachdem, ob es ein Bub oder ein Mädchen war, erhielt es früher den Vornamen des Vaters oder der Mutter. Waren schon Kinder in der Ehe vorhanden, so wählte man gern die Vornamen der Paten. Pate und Patin (Patt und Goth) wurden, wenn irgend angängig, der näheren Verwandtschaft entnommen. Die Frau des Paten war die „Binsegoth“, der Mann der Patin der „Binsepatt“. Pate und Patin zu werden, wurde als besondere Ehre empfunden, die aber auch zu Patengeschenken verpflichtete. Ein solches Geschenk, Zuckersteine oder auch Bargeld, erhielten vor allen Dingen der taufende Pfarrer und die Hebamme. Auch pflegten Pate und Patin an die vor der Kirche schon sehnsüchtig wartenden Kinder Zuckersteine auszuteilen. Bis zur Konfirmation waren Pate und Patin verpflichtet, ihre Patenkinder am Neujahrstag und an Ostern zu beschenken. In der Regel hatte früher ein Kind drei Paten. Diese wurden an Ostern und an Neujahr reihum aufgesucht. Die Pflicht der Paten war es auch, den Wein zu bezahlen, der bei der Kindtauffeier getrunken wurde. Zeigte sich der Pate knauserig, so wurde er zeitlebens den Namen „Strohpatt“ nicht mehr los.

      Uralte Wiegenlieder wurden dem Kleinkind von der Mutter gesungen:

      „Schlaf, Kindchen, schlaf!

      Dein „Babbe“ hüt die Schaf.

      Dein „Modder“ hüt die Lämmercher,

      in den dunkeln Kämmercher,

      schlaf, Kindchen, schlaf“

      Oder die Großmutter sang:

      „Guten Abend, gute Nacht,

      mit Rosen bedacht,

      mit Näglein besteckt,

      schlupf unter die Deck.

      Morgen früh, wenn Gott will,

      wirst du wieder geweckt.“

      Bei Krankheiten glaubte meine Urgroßmutter noch an einen Erfolg durch „gesundbeten“. Die „Gesundbetersch“ sollte durch „Sympathie“ heilen. Brave Kleinkinder wurden auf dem Schoß der Mutter reiten gelehrt. Dazu sang man:

      „Reite, reite Rösschen!

      Dort oben steht ein Schlösschen;

      Da unten steht ein Glockenhaus,

      da gucken drei schöne Jungfern raus!“

      Aus meiner Kinderzeit kann ich mich auch noch an ein Neckliedchen erinnern:

      „Miller, Miller, Maler

      hatt de Sack voll Daler,

      hat de Sack voll Haselness

      Miller, miller, Maler!“

      Oder es hieß:

      Miller, Miller, Maler

      Hatt de Sack voll Daler.

      Miller, Miller, Plaschderschess,

      die Dieter hat en die Hos geschesss.“

      Den weinerlichen und ungehorsamen Kindern drohte man: „Pass off, der ewig Judd kommt und steckt dich en de Sack!“ Oder „Der schwarze Mann kommt und holt dich mit!“ oder „Der Bautz kommt!“ In der Zeit vor dem ersten Schulgange ängstigte man unverständigerweise das Kind mit den Worten: „Du musst noch in die glühend Kett beiße.“ In die Schule nahmen wir dann die „Greffelbichs“ (Griffelbüchse) und die „Lai“ (Schiefertafel) mit. Wenn der Saft im Frühjahr wieder in die Sträucher stieg, stellten wir Jungen uns Blasinstrumente aus der Rinde von Haseln und Weiden her: „Schalmeien, Huppen oder Hippen, Pfeifen, Tuten oder Tratschen. Kam dann der Herbst, dann verbrannten wir Kinder auf den Äckern das welke Kartoffelkraut und brutzelten die Kartoffeln im Kartoffelfeuer.

       Von der „Katzenmusik“ bis zum „Leichenimbs“

      Ein besonderer Tag im Leben des Kindes war bei uns im Dorf der Konfirmationstag und der Kommunionstag. Die Familie gab dann ein großes „Imbs“ (Imbiss). Die Verwandtschaft wurde eingeladen, Pate und Patin wurden nie vergessen. Nach der Entlassung aus der Volksschule zählte sich das Kind schon gern zu den „Großen“. Damals war es auf dem Dorf höchst selten, ein Kind auf die „höhere Schule“ zu schicken. Ich war 1949 der erste Junge im Ort, der auf die „höhere Schule“ ging. Ich war in der Volksschule der beste Schüler. Vor allem Deutsch, Naturkunde („Biologie“), Erdkunde („Geographie“), Heimatkunde, Religion und später Französisch waren meine Lieblingsfächer. Ich träumte schon damals im Geheimen vom Studium der Botanik. Doch wie sollte ich auf die „höhere Schule“ kommen? Meine Eltern waren wahrlich nicht begütert. Sie waren schon auf der Suche nach einer Lehrstelle für mich. Ich sollte Kürschner werden. Als das mein Lehrer Zwalla hörte, war er bitterböse. Er besuchte meine Eltern und bat sie inbrünstig darum, mich auf das „Saarländische Lehrerseminar“ in der benachbarten Stadt Ottweiler zu schicken. So geschah es also: Die Aufnahmeprüfung bestand ich mit sage und schreibe 20 Punkten. Im Saargebiet wurde damals nach folgendem Punktsystem bewertet: 18 bis 20 Punkte war die Note „sehr gut“, 16 bis 17 Punkte war „gut“, 13 bis 15 Punkte war „befriedigend“, 10 bis 12 Punkte war „ausreichend“, 6 bis 9 Punkte war „mangelhaft“ und null bis 5 Punkte war „ungenügend“.

      Die Verlobung war bei uns auf dem Dorfe keine so einfache Sache, wie sie es heute ist. Die Eltern hatten bei der Auswahl des Ehegatten ein sehr gewichtiges Wort mitzureden. Die Verlobung erfolgte durch Handschlag, auch Handstreich genannt. Den Hochzeitszug eröffnete, mit der Braut am Arm, der Brautführer. Dieser war auch standesamtlicher und kirchlicher Zeuge. Beim

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