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ist die Patronin der Spinnerinnen.

      In manchen Orten war es eine bestimmte Bäuerin, die die Spinnstube abhielt. In anderen Gemeinden wanderten die Spinnerinnen von einem Haus zum anderen. Man sparte in den Dörfern. Kerzen waren teuer, und auch das Petroleum war ein Luxus. Aber wenn man sich abwechselnd in einer Stube zum Spinnen, Singen und Spielen traf, dann konnte man in allen anderen das Licht sparen. Oft bildeten die Mädchen und Frauen der verschiedenen Jahrgänge Spinngruppen, die über die Winterarbeit hinaus zusammenhielten.

      Die Spinnstube war auch eine „Erzählstube“. Beim Spinnen des Garns und beim Stricken der dicken Winterstrümpfe erzählten die Frauen Geschichten, Märchen und Sagen und tauschten Neuigkeiten aus. Spinnstubenlieder wurden gesungen.

      Meist trafen sich die Frauen am Nachmittag. Sie brachten Spinnrad, Flachs und Netzetopf mit, ein Wassergefäß zum Benetzen der Finger. Sie tranken zuerst Kaffee und aßen Kuchen, spannen dann bis zur Dämmerung. Zu Hause wurden dann Kinder und Vieh versorgt. Mit den Männern kehrten sie in die Spinnstube zurück. Wurst und Brot, Branntwein oder Bier standen als Spätimbiss bereit.

      Junge Mädchen schwärmten in den Arbeitspausen auch gern aus, hielten heimlich Umschau nach ihrem Liebsten. Die jungen Burschen durften erst später kommen, brachten Dörrobst und gebackene Süßigkeiten mit.

      In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Spinnabende nach und nach zu reinen Strickabenden. Warme Pullover, Socken und Strümpfe für den Winter wurden gestrickt.

      Was aber hat der alte Bauernspruch „Spinne am Morgen, Kummer und Sorgen. Spinne am Abend, erquickend und labend“ mit der Spinne zu tun? Die Spinne kann gar nichts dafür, dass man ihr solche Sachen nachsagt. Die Bauern meinten einst, wer schon am frühen Morgen mit Flachs – oder Leinspinnen anfangen müsse, der habe Kummer und Sorgen, die es mit den Einnahmen aus dieser Arbeit zu bannen gelte. Am Abend zu spinnen bedeutete aber, dass man es sich gemütlich machen konnte, dass die Spinnerei eigentlich keine Arbeit, keine auf dringenden Gelderwerb gerichtete Beschäftigung war, sondern eine liebevolle Unterhaltung und Entspannung. Man konnte Sorgen und Kummer vergessen, Lieder singen, sich necken und vielleicht spann sich sogar manche Liebe an.

      Nostalgische Erinnerungen an die „gute, alte Zeit“! Kommt sie wieder? Auf jeden Fall ist Stricken wieder zur Mode geworden.

       Als es noch Eisblumen am Fenster gab

      Wie sich die Zeiten geändert haben! Damals gab es noch keine Zentralheizung. Der Kohleofen brannte in der Küche und in der „gudd Stubb“, wenn Festtage waren. Dann wurde auch mit Scheitholz geschürt. Wenn wir Kinder morgens aufstanden, ging der erste Blick auf die Fenster, um die Eisblumen zu bewundern. Wenn es draußen bitter kalt war, offenbarte sich eine Wunderwelt am Fenster.

      Eisblumen am Fenster! Welche Illusionen werden in dem stillen Beschauer geweckt! Er unternimmt eine Traumreise in eine ferne fremdländische Landschaft oder in einen längst versunkenen Urwald aus der Steinkohlenzeit. Vor seinen Augen verschwimmen die zarten Eis- und Schneekristalle. Die mit allerlei Formen und Mustern grauweiß überspielte kalte Glasfläche wird für Minuten zu einem Märchenwald aus Tausendundeiner Nacht. Seltsame Bäume und Sträucher mit bizarren Ästen und knöchernen Zweigen, schwert- und lanzenförmigen Schachtelhalmen, geöffneten Elchblättern, lilienschlanken Blumen in verschiedener Größe und Vielfalt, längst ausgestorbene gefiederte Farnkräuter – und zwischen den wiegenden Lianen sitzen Papageien mit eckigen Schnäbeln: Ein tropisches Bild mitten im Winter, von klirrendem Frost wie von einer künstlerischen Zauberhand auf die Fensterscheiben gemalt.

      Und am schönsten ist es abends, wenn das gedämpfte Kerzenlicht warm durch die Fenster in die dunkle Kälte strahlt. Da werden sie lebendig, all die Blumen und Gestalten und tanzen in magischen Spiralen Ringelreihen.

       Eisblumen am Fenster

      Zarte Kristalle am Fenster schwimmen

      in spielenden Mustern grau und weiß.

      Bizarre Äste und Zweige klimmen

      und lilienschlanke Blumen aus Eis.

      Auf wogenden Lianen sitzen Papageien

      und tanzen in Spiralen Ringelreihen.

      Ein Märchenwald aus Tausendundeiner Nacht

      verzaubert die Scheibe in tropischer Pracht.

      Mitten im Winter bei klirrender Kält

      sich öffnet eine wundersame Welt.

      Bei gedämpften Kerzenlicht

      schwingt eine Symphonie in Weiß.

      Doch ach, die Dunkelheit das Glas zerbricht,

      all die Blumen in Frost und Eis!

       Als die Kornmutter noch im Kornfeld wachte

      Als kleiner Bub habe ich noch miterlebt, wenn zur Erntezeit im August noch de Kornmuhme oder die Kornmutter im Ährenfeld wachte. Es war ein altes Weib mit grauen Haaren, roten Augen und schwarzer Nase, die die Kinder schreckte, wenn sie sich im Kornfeld Blumen pflückten. Das waren vor allem Kornblumen und Mohnblumen, aber auch Kamillen. Beim Pflücken zertraten die Kinder das Getreide. Die Roggenmuhme sollte die kostbaren Garben schützen und als Mittagfrau darüber wachen, wenn die Schnitter ihre Mittagsruhe hielten. So wurde ihr zu Ehren die letzte Garbe als Erntemutter zu einer Figur zusammengebunden, mit Kittel und Schürze verkleidet, möglichst recht dick, weil das Fruchtbarkeit bedeutete.

      Zum Winden des Erntekranzes nahmen die Mädchen alles, was Spätsommer und Frühherbst zu bieten hatten: Ähren und Feldblumen, Kräuter und Früchteketten und dazu bunte Papierstreifen, Gold- und Glanzpapier. Die Haferbraut, das Mädchen das die letzte Garbe gebunden hatte, trug den Erntekranz feierlich vor dem Erntezug zum Bauernhof. Bei der Übergabe trug die Haferbraut ein Erntegedicht vor.

      Abends war dann der Erntetanz. Schnitterinnen und Schnitter tanzten auf dem Kirmesplatz. Auf dem Tisch stand ein ährengeschmückter Erntekorb, in dem die größten Früchte aus dem Bauerngarten und vom Feld lagen. Zur Suppe und zum Fleisch gab es oft das erste Brot aus dem neuen Getreide, das mit besonderer Ehrfurcht gegessen wurde. Am nächsten Morgen in der Schule wurden Erntelieder gesungen und Erntegedichte vorgetragen.

       Vom „Korekaschde“ und dem „Kaffeeblech“

      Schöne Erinnerungen habe ich heute noch an die Roggenernte, die früher an Jakobi, dem „Jokkobstag“ (15. Jul) begann. Mit kühnem Schwung mähte der Altbauer den ersten „Gönn“ an. Mit der frischgedengelten Sense, dem „Korereff“, schritt der Schnitter durch das Ährenfeld und andere Mäher folgten. Die goldenen Halme mit den reifen Ähren fielen zu Boden. Die Schnitterinnen in gebückter Haltung – wie immer in ihren hellen Kopftüchern als Schutz gegen die stechende Sonne – nahmen mit den Sicheln die Halme auf, derweil knoteten andere schon die Kornseile. Drei Halmbündel oder „Halmdecken“ ergaben eine Garbe. Diese wurde so fest verschnürt, dass keiner mehr seinen Finger unter das Seil zwängen konnte.

      Und dann wurden die Garben zu einem „Korekaschde“ (Kornkasten) zusammengestellt, zehn an der Zahl. In die Mitte wurde der „bock“ gesetzt, die stärkste Garbe, die die acht anderen drum herum zu stützen hatte. Mit kräftigen Handschlägen spreizten sie die Ähren der zehnten Garbe und stülpten sie als „Hut“ darüber, um das „Koreheisje“ (Kornhäuschen) gegen Regen zu schützen.

      Die „Korekaschde“ waren für uns Kinder ein beliebtes „Spielhäuschen“. Nach der Arbeit brachte die Bäuerin das „Kaffeeblech“ mit Malzkaffee, der von „Ziggorie“ geschwärzt war. Darauf hatten die Mägde schon ungeduldig gewartet. Die kurze Kaffeepause war das Schönste bei der Kornernte. Wie war das einst mit dem „Zichorienkaffee“, dem Standartgetränk der deutschen Küche? Die Älteren

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