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im Hause auf den „Stühlchen“ und entsteinten die blauen Früchte. Großmutter war die „Chefin“. Aber da halfen auch die Tante und die „bas“ (Cousine), die „Goth“ (Patentante) und die Nachbarin. Da gingen die Hände sowie die Mäuler geschmiert und schnell. Da wurde getratscht und „lawadscht“, geplaudert und „gemait“. So ein paar Zentner Zwetschgen wollten entsteint, Körbe voller Birnen geschält sein. Denn was ist „Latschriehre“ („Laxemrühren“) ohne Witz und Scherz! Mein Großvater gab gerne einen Krug „Süßen“ oder „Bitzler“ aus, neuen „Biere- oder Traubenwein“ zum Besten. Da schaffte es sich noch einmal so leicht, wenn ein bisschen Humor die sonst langweilige Arbeit würzte.

      Kaum waren die letzten Körbe van der Reihe, richtete Großmutter schon den Kupfer- oder Emailkessel her, sorgte für gutes Brennmaterial und einen guten „Rührer“. Da herrschte dann Hochbetrieb in der „Worschdkich“ (Wurstküche) oder in der „Wäschkich“ (Waschküche). Die Luft war geschwängert vom Dunst und Musgeruch. Da brotzelte es Tag und Nacht. 24 bis 48 Stunden dauerte die Arbeit des Einkochens. Da musste die brodelnde Masse dauernd gerührt werden, damit das Mus nicht anbrannte. Hier zeigte sich die gute Nachbarschaft, die alte Dorfgemeinschaft allzeit hilfsbereit. Etwas Gutes zu essen und zu trinken gab es, Bohnen- oder Zichorienkaffee und Zwetschgenkuchen gehörte dazu.

      In fein gesäuberte und gesüßte „steinerne Hawe“ (Töpfe) wurde der Laxem nun eingetopft und sorgsam verschlossen. Jede Hausfrau hatte eine „Spezialität“ beim Einkochen. Meine Großmutter nahm recht viel Gewürze, Nelken und Ingwer, meine „Tilchegoth“ Mathilde vermengte die Zwetschgen mit Nüssen oder Holunder, die „Annagoth“ mit recht vielen Mostbirnen.

      Wir Kinder bekamen am nächsten Morgen eine große „Laxemschmeer“ mit zur Schule. Nach der Pause hatten die meisten einen saftigen braunen „Schnorres“ (Schnurrbart). Die größte Freude der Kinder aber war dann das Auslecken der geleerten Latwergkessel. Da pappten Gesicht und Hände von der süßen „Schmeer“ (Mus, Marmelade).

      Laxem heißt auch „Latwerg“ oder „Latwerich“. „Latwerg“ ist eigentlich ein eingedickter Heilsaft, der „geleckt“ wurde. So wurde der „Huf-Lattich“ als Brustsirup eingedickt und „geleckt“.

       Als es noch Eichelkaffee und Bucheckerferien gab

      Zwei uralte Rezepte, die bei den Großmüttern im Herbst auf dem Küchenplan standen, waren Apfelringe und Eichelkaffee. Die Äpfel wurden in Scheiben geschnitten, die auf einem Backblech ausgelegt und im Backrohr bei niedrigster Wärme leicht angetrocknet wurden. Jetzt wurden die Apfelringe einzeln an einem langen Faden aufgereiht und an der Luft zum Trocknen aufgehängt. Aber nicht in der prallen Sonne! das zerstörte Geschmack und Vitamine. Die getrockneten Apfelringe wurden in Papiertüten verpackt und für den Winter im Vorratsschrank aufbewahrt. Unsere Vorfahren nutzten alles, was die Natur im Herbst hervorbrachte. Selbst die Baumfrüchte des Waldes waren gefragt: Eicheln, Buchecker, Haselnüsse, Hagebutten und Kastanien.

      Nur noch den Ältesten ist der Eichelkaffee bekannt. Die Eicheln wurden geschält, das Fruchtinnere klein geschnitten. Es wurde in einer Pfanne ohne Fett braun geröstet. Es durfte nicht anbrennen oder sogar schwarz werden. Die braun gerösteten Teile wurden in einem Mörser zu Pulver zerstoßen. Auf eine Tasse Kaffee kam ein gestrichener Teelöffel Eichelpulver. Kurz aufgekocht, abgeseiht, mit Zimt etwas gewürzt und mit Milch gemischt, war Eichelkaffee ein beliebtes Getränk auf dem Land.

      Mein Großvater Ludwig erzählte mir noch von den Schweinehirten auf dem Dorf, die im Spätherbst zur Zeit der Eichelmast die Schweine in den Eichenwald trieben und dort wochenlang hüteten. Eichelmast war wohl das beliebteste Futter für die Schweine.

      Aus Rosskastanien stellten unsere Vorfahren Mehl her. Kastanien schmecken bekanntermaßen recht bitter. Und so trieben unsere Vorfahren die Bitterstoffe aus den Rosskastanien heraus: In einem Feuer stark erhitzte Steine wurden in ein Erdloch gelegt. Da hinein schüttete man die Kastanien und deckte sie mit heißer Asche zu. Nach einem Tag waren die Kastanien gegart und wurden mit einem Stein zerstampft. Der Mehlbrei kam in einen engmaschigen Korb, der in einen klaren Bach gestellt wurde. Zwei Tage lang floss das Wasser durch den Korb. Dann wurde das Mehl ausgedrückt. Auch ein Klebstoff steckt in den Kastanien. Buchbinder und Tapezierer haben früher einmal daraus Leim hergestellt. Aus den geschälten Kastanien hat man sogar Seife gewonnen.

      Im Krieg und in den Hungerjahren danach hat man sackweise Bucheckern gesammelt. Es gab damals sogar Bucheckerferien, damit Mutter und Kinder gemeinsam die ölhaltigen Früchte sammeln konnten. Buchecker schmecken gut, doch sollte man nicht zu viele davon knabbern. Vorsicht ist geboten, denn roh enthalten sie den giftigen Inhaltsstoff Fagin. Meine Mutter und ich schleppten den vollen Sack mit den Bucheckern zur benachbarten Ölmühle nach Fürth im Ostertal, wo Öl daraus gepresst wurde. Aus 100 Kilogramm Bucheckern gewann man 12 Liter Speiseöl. Das Öl ist nach dem Erhitzen frei von giftigen Stoffen. Meine Mutter hat sich immer übe r den Ölmüller beschwert: „Wir wurden mal wieder beschess („geneppt“).“ So war es wohl auch.

      Im Krieg und in den beiden Hungerjahren danach gab es auf dem Dorf auch Kartoffelferien. Zusammen mit den Eltern und Großeltern mussten dann die Kinder bei der Kartoffelernte helfen.

       Wenn die Zeit eilt

      Die Jahre drehen sich im Kreise,

      die Zeit pocht leise.

      Immer schneller wird der Schritt,

      der ins Alter tritt.

      Das Rad der Zeit steht nie still,

      weil Gott es so will.

      Es dreht sich

      unaufhörlich.

      Die Uhr tickt,

      das Leben strickt

      seine irdischen Fäden.

      Spinnen gehen auf die Reise

      im Herbst des Lebens.

      Doch der Winter kommt ganz leise,

      unaufhaltsam, nicht vergebens.

      Dreifach ist der Schritt der Zeit:

      Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,

      zögernd kommt die Zukunft angezogen,

      ewig still steht die Vergangenheit:

      Herr, es ist Zeit!

      Falten, wie Jahresringe im Gesicht,

      walten

      über das Leben.

      Die Zeit ist reif:

      Jetzt ist es Pflicht,

      eine Antwort zu geben,

      denn langsam werden die Hände steif.

      Je älter wir werden, um so stärker tauchen die Erinnerungen an unsere Kindheit in uns auf. Und oft schwelgen wir in längst vergangenen Zeiten – und unstillbare Wehmut lässt uns Tränen vergießen.

       Spinn- und Strickabende unserer Vorfahren

      Dornröschen fiel in einen hundertjährigen Schlaf, nachdem es sich mit der vergifteten Spindel gestochen hatte. „Was ist eine Spindel?“, würde heutzutage ein Kind fragen, dem man das Märchen vom Dornröschen erzählt.

      In den Märchen spinnen die Königstöchter, in den Sagen die Göttinnen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte das selbstgesponnene und selbstgewebte Leinen zum hochgeachteten Aussteuerschatz.

      Spinn- und Strickabende gehören der Vergangenheit an. Erinnerungen an Spinnstuben und Bratäpfel werden wach. Die Bratäpfel brutzelten auf der heißen Ofenplatte. Aus der schwarzgebrannten Schale tropfte dicker, brauner Saft. Süßer Duft erfüllte den Raum.

      Spinnen

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