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und wurde ein Nachfolger von Jesus.

      MATTHÄUS 2, 14

      Wie Levi damals haben es seitdem viele gemacht: Sie haben alles verlassen und sind Jesus nachgefolgt. So auch der indische Christ Sadhu Sundar Singh. Aufgewachsen in einer vornehmen Sikh-Familie am Ende des 19. Jahrhunderts, wurde er schon als Kind von seiner Mutter in die Traditionen der hinduistischen und der Sikh-Religion eingeführt. Nach dem frühen Tod seiner Mutter führte er seine religiösen Übungen weiter fort. Bald konnte er die heiligen Bücher beider Religionen auswendig. Dennoch konnte er für seine Seele, die nach Gott suchte, keinen Frieden finden.

      Als knapp Fünfzehnjähriger beschloss er, sich am nächsten Morgen das Leben zu nehmen, wenn sich Krischna oder eine andere Gottheit ihm nicht offenbarte. Nach der durchwachten Nacht, als die Zeit, zu der der Morgenzug kam, unter den er sich werfen wollte, immer näher rückte, erschien ihm Jesus in einem überirdischen Licht und rief ihn, ihm nachzufolgen. Für Sundar Singh bedeutete das, vom Vater verstoßen und enterbt zu werden. Familienangehörige versuchten, ihn zu vergiften. Doch er ließ sich nie entmutigen. Jahrelang wanderte er als christlicher Sadhu, als Wandermönch, durch Indien und verkündigte die Botschaft Jesu. Neunzehnmal drang er in das damals für die christliche Botschaft verschlossene Tibet ein und predigte oft unter Lebensgefahr in abgelegenen Bergdörfern und Klöstern. Von seiner letzten Wanderung nach Tibet kehrte er nicht mehr zurück. Wie er starb, ist nie bekannt geworden.

      Seine Entschlossenheit, alles für Jesus hinzugeben, drückt er in dem weltbekannten Lied „I have decided to follow Jesus“ aus: „Ich bin entschieden, zu folgen, Jesus – niemals zurück! Die Welt liegt hinter mir, das Kreuz steht vor mir – niemals zurück! Ob niemand mit mir geht, doch will ich folgen – niemals zurück!“

      Der Ruf von Jesus erreichte damals die Menschen in Indien und weit darüber hinaus. Auch vor uns steht heute die Frage, wie wir auf seinen Ruf antworten.

       Das Wunder der Verwandlung

       Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde hineinfällt und dort stirbt, dann bleibt es für sich allein. Wenn es aber sein eigenes Leben in den Tod gibt, dann bringt es sehr viel Frucht hervor.

      JOHANNES 12, 24

      Mitten im Alltag sind Wunder verborgen. Unter der Oberfläche des Bekannten und Natürlichen hat Gott Botschaften versteckt, die für uns alle von Bedeutung sind. Jesus weist seine Jünger auf diese Wahrheiten hin, die der Schöpfer in die Schöpfung hineingewebt hat.

      Jesus nimmt ein Weizenkorn in die Hand. Klein und unscheinbar ist es. Ein einziger Windstoß kann es fortblasen. Für sich genommen ist es unbedeutend. Und doch trägt es ein großes Potenzial in sich. Aus diesem einen Weizenkorn können zehn, zwanzig oder mehr Körner hervorkommen und aus denen wiederum viele weitere Körner. So kann in wenigen Schritten aus einem einzigen Korn eine übergroße Ernte erwachsen.

      Doch wie kann das geschehen? Nur dadurch, dass das Weizenkorn sich selbst aufgibt. Dass es sich in der Erde auflöst. Diese Selbsthingabe ermöglicht neues Leben. Das ist die Lehre aus dem Gleichnis vom Weizenkorn.

      Dass Jesus hier über sich selbst spricht, ist klar. Sein Sterben am Kreuz ist die Saat, die der Welt neues Leben schenkt. Weil er sein Leben hingab, können wir leben bis in Ewigkeit. Er selbst ist das Weizenkorn, das zum Brot für die Welt wird.

      Das ist die Botschaft, die im Weizenkorn verborgen ist: Die Botschaft vom Kreuz und von der Auferstehung. Noch genauer: Von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Sein Sterben ist die Tür zum ewigen Leben.

      Und doch birgt das Weizenkorn noch eine weitere Wahrheit für unser eigenes Leben in sich. Die Botschaft ist deutlich: Wer Jesus folgt und wie er sein Leben nicht festhält, wer seine Rechte aufgibt und bereit ist, zu dienen, statt sich dienen zu lassen, der erlebt dasselbe Wunder der Verwandlung. Aus einem freiwilligen Opfer schafft Gott Segen für viele. Das ist die Verheißung, die auch auf unserem Leben liegt.

       Mehr als ein Ende

       Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.

      LUKAS 18, 31

      Wir können nur ahnen, was die Freunde von Jesus gedacht haben, als er ihnen diese Worte sagte. Hinauf nach Jerusalem zu gehen – das war etwas Schönes. Abstand vom Alltag mit all seiner Arbeit. Teilnehmen an den großen Tempelfesten. Spannend, aufregend, bereichernd. Der Pilgerweg nach Jerusalem erschallte von Gesang, von den Pilgerliedern, die sich in den Psalmen finden. Hinaufziehen nach Jerusalem, das war ein Anlass zur Freude.

      Und doch: Dieses Mal war es anders. Das spürten die Jünger von Jesus deutlich. Das, was dort in Jerusalem „vollendet“ werden sollte, legte sich wie ein Schatten über ihre Seelen. Vielleicht dachten sie an die Andeutungen Jesu, wo er davon sprach, dass der Menschensohn leiden und sterben müsste. Worte, die für sie wohl nur halb verständlich waren.

      Der Weg nach Jerusalem, den sie antraten, war vielleicht beides: Ein Weg voller Beklemmung und Furcht, und zugleich voller Erwartung und Hoffnung. Denn sagte die Prophezeiung von Daniel nicht auch, dass der Menschensohn alle Macht und Autorität übertragen bekommen sollte? Würde vielleicht dort doch das geschehen, was sie erhofften: Jesus wird als König von Israel und über die Völker eingesetzt?

      Dass es dann wirklich so kam, das wissen wir. Jesus von Nazareth, König der Juden! So stand es auf der kleinen Tafel am Kreuz. Der Menschensohn wurde zum König. Doch nicht auf einem Thron aus Gold oder Silber, sondern an einem Kreuzesstamm. Ausgeliefert von den eigenen Landsleuten. Hingerichtet von Soldaten der römischen Besatzungsmacht.

      Und doch: Das Ende war mehr als ein Ende. Es war der Anfang eines neuen Lebens. Jesus blieb nicht im Tod. Darum ist sein Weg dort in Jerusalem nicht zu Ende. Er geht weiter. Denn Jesus lebt und sendet seine Jünger in alle Welt. Wer ihm folgt, ist Teil seiner Geschichte. Und die hat kein Ende.

       Das Geheimnis des Menschensohns

       Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.

      MATTHÄUS 20, 28

      Auf dem Weg nach Jerusalem, zu dem Passafest, das sein letztes sein sollte, spricht Jesus mit seinen Freunden. Sie haben im Laufe der Zeit, in der sie mit ihm unterwegs waren, erkannt, dass er der Messias ist. Doch das, was er über den Menschensohn sagt, verwirrt sie immer noch. Wer ist dieser geheimnisvolle Menschensohn? Sie ahnen, ja, sie wissen, dass er sich damit selbst meint.

      Das Wort Menschensohn stammt aus dem Buch des Propheten Daniel. Dort ist er eine hoheitsvolle Gestalt, der alle Macht und Autorität übergeben wird. Er ist der Weltenrichter, der Herr über alles. Dass Jesus die Bezeichnung Menschensohn in diesem Sinn für sich selbst verwendet, ist offensichtlich. Er wusste, dass Gott ihm diese Aufgabe und Autorität übergeben hatte.

      Das macht das Paradox noch umso deutlicher. Der Weltenherr wird zum Diener aller. „Genauso ist es mit dem Menschensohn, dem Gott alle Macht übergeben hat. Der ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um ein Diener zu werden und sein Leben in den Tod zu geben als einen Einsatz, durch den Unzählige freigekauft werden.“ (Matthäus 20, 28)

      Jesus gibt sich selbst hin. Der Herr wird zum Knecht. Der Weltenherr zum Diener aller. Seine Selbsthingabe am Kreuz ermöglicht neues Leben für die Menschen. Diese Botschaft gehört ins Zentrum des christlichen Glaubens. Gott gibt sich selbst – in Jesus.

      Das ist das Geheimnis der Passion. Die Jünger damals begriffen es nur stückweise. Und auch wir stehen immer wieder staunend vor diesem Geheimnis:

      „Nun in heil‘gem Stilleschweigen sehen wir vor Golgatha, tief und tiefer wir uns neigen vor dem Wunder, das geschah, als der Freie ward zum Knechte

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