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       Überrascht von Gott

       Du sollst dir kein Bildnis machen!

      2. MOSE 20, 4

      Natürlich weiß ich, dass Gott größer ist als meine Vorstellungskraft. Ich stimme dem zweiten Gebot ganz und gar zu. Und doch ertappe ich mich dabei, dass ich es immer wieder übertrete. Und zwar gerade dann, wenn ich eigentlich offen sein will für Gott und für die Begegnung mit ihm. Doch gerade hier liegt das Problem.

      Ich habe meistens eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wo und wie ich Gott begegnen kann. Ich plane diese Gottesbegegnungen ein: Bibellesen, Beten, ein bestimmter Gottesdienst, eine Konferenz … und bin dann enttäuscht, wenn Gott scheinbar nichts Besonderes tut. Schließlich habe ich mir ja Zeit genommen! Jetzt müsste er doch in besonderer Weise zu mir reden, oder?

      Es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass ich Gott nicht in der Tasche habe. Er ist immer wieder anders, als ich ihn mir vorstelle. Ist das vielleicht eine unserer größten Versuchungen, dass wir versuchen, uns Gott zu schaffen, dass er in unser Bild passt?

      Erstaunlich, dass Gott sich das gefallen lässt. Dass er trotz unserer Versuche, ihn in unsere Vorstellungen und Erwartungen einzuzwängen, den Kontakt mit uns nicht abbricht. Das bringt mich zum Staunen: Warum bleibt Gott mir zugewandt – trotz all meiner Versuche, ihn in ein Bild nach meinem Geschmack einzuzwängen? Warum hat er mich nicht längst abgeschrieben?

      Und so bin ich überrascht von Gott. Ich erkenne: Im Grunde bin nicht ich es, der Gott sucht. Sondern es ist Gott, der auf der Suche nach mir ist. Er will die Begegnung mit mir. Er überrascht mich damit, dass er sich nicht an meine Erwartungen hält und sich das Recht herausnimmt, in meinen Alltag hineinzuplatzen. Das ist meine Chance: Gott tritt heraus aus dem Bild, das ich mir von ihm gemacht habe, und zeigt sich mir neu. So, wie er wirklich ist. Dafür bin ich dankbar. Und ich fasse wieder Mut, aus meinen Traumbildern herauszutreten und dem wirklichen Gott zu begegnen. So wie er ist. So wie er uns in Jesus nahekommt.

       Jesus im Zentrum

       Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Jesus, dass er der Herr ist.

      2. KORINTHER 4, 5

      Wieder einmal saß eine Gruppe von Theologiestudenten bei uns im Donnerstagsgottesdienst in der Pfarrkirche in Marburg. Ihr Seminar besuchte, was löblich ist, alle möglichen Gottesdienste. Und auch die unmöglichen – also auch unseren. Sie blieben inkognito, sie nahmen also nicht die Möglichkeit wahr, sich am Anfang bei der Begrüßung vorzustellen. Hinterher schrieben sie einen Bericht. Über die Predigt wurde vermerkt: „Das Merkmal des Christus-Treffs scheint offensichtlich eine ausgeprägte Christologie zu sein. Es ging in der Predigt um Jesus Christus.“ Soweit das Fazit ihrer theologischen Analyse.

      Ich fand das wunderbar. Wenn das Alleinstellungsmerkmal dieses Gottesdienstes darin bestand, dass es um Jesus ging, dann ist ja alles in Ordnung! Was mich allerdings wunderte, war, dass es besonders vermerkt wurde. Eigentlich sollte es in der gesamten christlichen Kirche so sein, oder? Vielerorts ist das auch der Fall, Gott sei Dank! In vielen Gottesdiensten geht es um Jesus. Und darum, was er für uns bedeutet. Allerdings muss ich bekennen, dass ich auch schon Predigten durchlitten habe, in denen der Name Jesus nicht ein einziges Mal Erwähnung fand. In solchen Gottesdiensten bin ich dann immer sehr dankbar für die Kirchenlieder und die Liturgie, die genau da, wo der Prediger schweigt oder ausweicht, das Zentrum benennen, um das es geht: Jesus Christus.

      Ja, es geht in der Kirche um Jesus Christus! Dass das besonders betont werden muss, scheint nicht neu zu sein. Schon Paulus musste das unterstreichen. Damals wie heute droht der Geist der Zeit nicht nur die Gesellschaft prägen zu wollen, sondern auch die christliche Gemeinde zu bestimmen. Demgegenüber ist es wichtig, dass wir hier klar sind. Jesus selbst muss das Zentrum sein. Nur so bleiben wir lebendig, als Kirche und als Einzelne. Und nur so haben wir überhaupt das Recht, uns Christen zu nennen.

       Jesus und …?

       Als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

      MATTHÄUS 17, 8

      Es ist seltsam: Die Bewegung, die mit Jesus ihren Ursprung nahm, die christliche Kirche, hatte oft nichts Besseres zu tun, als genau diesen Jesus aus dem Zentrum an den Rand zu rücken. Viele andere Dinge wurden im Lauf der Kirchengeschichte wichtig und immer wichtiger. Das war häufig etwas ganz anderes als das, wozu der Meister seine Jünger berufen hatte. So ging es mehr um die Kirche selbst anstatt um Jesus. Es ging um die Vernunft, um Tradition, um Dogmen und Liturgien, um die Heiligen, um Feiertage und Fastenregeln und oft um den eigenen Machterhalt. Und das alles anstelle von Jesus.

      Bereits in der Frühgeschichte des Christentums versuchte man, Jesus in ein System einzuordnen und so aus dem Zentrum zu rücken. Die Christen, an die sich der Hebräerbrief richtet, wollten in Jesus eine Art „hohen Engel“ sehen, zwar besonders, aber nicht einzigartig. Dagegen unterstreicht der Verfasser die Einzigartigkeit von Jesus: „Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“ (Hebräer 12, 2)

      Die Frage steht bis heute im Raum: Wer ist Jesus? Welchen Platz räumen wir ihm ein? In den Glaubensbekenntnissen wird es festgehalten: Jesus ist der, auf den es ankommt. Er allein ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Johannes 14, 6) Er allein ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Jede Generation muss neu für sich die Frage beantworten, wer Jesus für sie ist. Folgen wir dem Zeugnis des Neuen Testaments, das Jesus als ewigen Gottessohn, als Menschensohn, also als Weltenrichter, als Messias und Erlöser, als Herrn der Herrn und König der Könige beschreibt? Oder sehen wir in Jesus nur einen Menschen, der zwar besonders gut, weise und liebevoll war, aber eben auch nur ein Mensch?

      Wie wir diese Frage beantworten, hat Auswirkungen auf unser Leben. Neue Prioritäten, neue Ziele rücken ins Zentrum unseres Denkens, Handelns und Redens, wenn dort, im Zentrum, Jesus allein zu sehen ist.

       Buße – die Umkehr des Herzens

       Siehe, des Herrn Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und seine Ohren sind nicht hart geworden, sodass er nicht hören könnte, sondern eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört werdet.

      JESAJA 59, 1 - 2

      „Warum hilfst du uns nicht? Warum greifst du nicht ein, wenn es uns schlechtgeht?“ So lautete die Anklage der Zeitgenossen des Propheten Jesaja. Gottes Antwort ist deutlich: Warum kehrt ihr nicht um? Warum geht ihr auf euren eigenen Wegen und tut das, was unrecht ist? Schaut euer Leben ehrlich an, kehrt um und bekennt eure Sünden!

      Was ist Buße? Das alte Wort bedeutet nichts anderes als Umkehr. Buße meint die Umkehr unseres Herzens, die Abwendung vom Falschen und die Hinwendung zu dem, was richtig und gut ist und Gottes Willen entspricht. Nur durch Umkehr und Eingeständnis unserer Schuld kann unser Leben gesunden. Manchmal wollen wir diesen Schritt überspringen. Wir wissen um die allumfassende Gnade Gottes. Das ist gut. Doch vor die Schuldvergebung gehört das Schuldbekenntnis. Manchmal sind wir zu schnell bei der Gnade. Wir nehmen uns nicht die Zeit, unserer Sünde ins Auge zu schauen, sie klar zu benennen und uns damit bewusst von ihr abzuwenden.

      Wenn wir hier kneifen, werden wir anfällig dafür, denselben Fehler wieder zu begehen. Auf dem Bekenntnis unserer Schuld dagegen liegt ein großer Segen. Hier wird Gottes Gnade konkret erfahrbar. Die Zusage der Vergebung der Sünden führt uns in neue Freiheit und Freude hinein.

      Buße ist keine Selbstzerfleischung. Nein, sie ist unsere Antwort auf Gottes Einladung zu einem Neuanfang. Diese geistliche Übung, diese Umkehr des Herzens, kann so natürlich werden wie das Atmen, so selbstverständlich wie der Herzschlag. Durch das Bekenntnis unserer Schuld finden wir wieder den

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