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mir eine Bemerkung erlauben darf, Sir, er wollte doch freiwillig in Ihre Dienste ...“

      „Tun Sie Ihre Pflicht, Profoß“, sagte der Kapitän knapp.

      „Aye, aye, Sir.“

      Hasard hatte bereits sein Hemd ausgezogen und es Donegal Daniel O’Flynn zugeworfen.

      „Er muß noch gefesselt werden“, nörgelte Gordon Brown.

      „Er wird nicht gefesselt!“ fuhr ihn der Profoß an. „Und jetzt bring es hinter dich, du bist doch so wild darauf.“

      Hasard drehte sich ruhig zum Steuerbordhauptwanten und legte die Hände auf die Webleine. Sein Rücken war straff und gespannt.

      Und Gordon Brown schlug zu. Er hatte die Neunschwänzige mit beiden Händen gepackt und drosch sie mit sadistischer Lust auf den breiten nackten Rücken – gezielt fünfmal auf dieselbe Stelle, die bereits beim zweiten Mal als blutiges Band aufplatzte. Das Blut brachte ihn zur Raserei, und er holte zum sechsten Hieb aus, ein irres Grinsen im Gesicht.

      Der Profoß sprang dazwischen und rammte ihn zur Seite.

      „Fünf Schläge!“ stieß er hervor. „Und keinen mehr, oder hattest du die Absicht, gegen den Befehl des Kapitäns zu handeln?“

      Gordon Brown keuchte und wischte sich über das schweißige Gesicht, das wieder eine Grimasse aus Wut und Haß war.

      „Hol Mac Pellew, du Wanze!“ raunzte ihn der Profoß an. „Er soll Salbe und Verbandszeug mitbringen.“

      „Etwa für den da?“ maulte Gordon Brown.

      Der Profoß ballte seine Rechte. Sein narbiges Gesicht lief dunkelrot an.

      Gordon Brown wandte sich rasch um und trottete zur Kombüse. Mac Pellew, Koch auf der „Marygold“, konnte nicht nur Geflügel rupfen, Schweine abstechen, Brei kochen oder Kakalaken jagen. Er war der Feldscher und Bader an Bord, zog Zähne, amputierte Knochen, nähte zerfetzte Hautlappen mit dünnem Kabelgarn und versorgte Verletzte und Kranke. Er war ein Genie – auf seine Art, aber durch und durch grämlich.

      Er schlurfte heran, und wie immer hatte sein Gesicht jenen Ausdruck, der verkündete, daß alle Bürde dieser Welt ausschließlich auf seinen Schultern lastete.

      Hasard hatte sich längst ein paar Kübel Salzwasser über den Rücken gegossen.

      „Salz heilt, was, wie?“ sagte er zu dem Profoß und grinste.

      Und der grinste zurück.

      5.

      Fünf Tage danach war Philip Hasard Killigrews Rücken völlig verheilt. In diesen fünf Tagen war der Mann aus Cornwall, den einige respektvoll „Seewolf“ nannten, Deckältester geworden, das heißt, er war unumschränkter Herrscher über das Schiffsvolk.

      Diese Position barg unter Umständen mehr Macht, als sie der Kapitän hatte. Titel und Rang eines Deckältesten waren in keiner Musterrolle vorgesehen, aber auf jedem Schiff gab es im Vordeck einen Mann, der dort das Regiment führte. Allzuoft war es derjenige, der die härtesten Fäuste hatte und sich mit ihnen den nötigen Respekt verschaffte.

      Der bisherige Deckälteste war ein solcher Mann, aber er hatte kampflos kapituliert. Wer einen Carberry zusammenschlug, gegen den war kein Kraut gewachsen. Smoky – so hieß der Mann – hatte nicht die Absicht, sich die Knochen zerbrechen zu lassen.

      Hasard wuchs in die Stellung des Decksältesten hinein, ohne sie angestrebt zu haben. Es ergab sich ganz von selbst. Er verfügte über Autorität, ohne sich dessen bewußt zu sein. Bei den Segelmanövern war er der erste an Deck, in den Wanten kletterte er wie ein Affe – geradezu schwerelos –, und an den Rahen hangelte er sich spielerisch entlang, wenn dies odes jenes klariert werden mußte.

      Die Männer auf der „Marygold“ erkannten neidlos an, daß dieser Seewolf der beste Seemann war, dem sie jemals begegnet waren.

      Wenn er das Ruder auf seiner Wache übernahm, lief die „Marygold“ wie Samt und Seide. Er hatte ein Gespür für Wind und Welle und steuerte die „Marygold“, als sei sie ein rohes Ei.

      Stand er am Ruder – ein Auge auf die Segel gerichtet, das andere auf Kurs und Kompaß, dann blieb hinter dem breiten Heck der „Marygold“ ein Kielwasser zurück, das wie mit dem Lineal gezogen zu sein schien.

      Manchmal stiefelte Francis Drake mit auf den Rücken verschränkten Händen auf dem Achterdeck hin und her und warf ab und zu einen nachdenklichen Blick auf den großen Mann am Ruder. Und wenn er die schnurgerade Spur des Kielwassers betrachtete, die sich achteraus in der Unendlichkeit der See verlor, dann nickte er vor sich hin, aber er sagte nichts.

      Seit der „Lektion“ hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, und Hasard würde den Teufel tun, den Kapitän anzusprechen. Er war dort, wo er hingewollt hatte – Arwenack war ein ferner Traum hinter dem Horizont. Daß er sein Leben nicht als Decksmann beschließen würde, war für Hasard so selbstverständlich wie seine jetzige freiwillige Unterordnung an Bord der „Marygold“.

      Nur einmal hatte der Kapitän erwogen, ihn als Gefechtsrudergänger in ’die Musterrolle aufzunehmen. Er hatte das mit Ben Brighton, dem Bootsmann, besprochen, der achtern Wache ging, während der Seewolf am Ruder stand.

      „Verzeihung, Sir“, hatte Hasard gesagt, „an den Kanonen oder beim Entern tauge ich bestimmt mehr als am Ruder.“

      „Und wo oder bei wem, mein junger Freund, sollten Sie dieses Handwerk gelernt haben?“ hatte Francis Drake gefragt und dabei etwas spöttisch, wie es seine Art war, gelächelt.

      „Bei meinem Vater, Sir.“

      „Und wer ist Ihr Vater?“

      „John Killigrew aus Falmouth, Sir.“

      Die spöttische Miene war sehr schnell weggewesen und Überraschung gewichen.

      „Etwa Sir John Killigrew von Arwenack?“

      „Genau der.“

      „Hm.“ Der Kapitän hatte sich geräuspert und noch etwas gesagt, was nun wiederum Hasard in Erstaunen versetzte.

      „Merkwürdig“, hatte er gesagt.

      Was daran merkwürdig sein sollte, kapierte Hasard nicht, aber er verbiß sich die Frage und war damit zufrieden, daß der Kapitän die Sache mit dem Gefechtsrudergänger auf sich beruhen ließ. Er war wieder schweigend auf dem Achterdeck hin und her marschiert, anscheinend tief in Gedanken versunken.

      Am achten Tag nach ihrem Auslaufen aus Plymouth fiel der Mann, der sich an Bord als Kutscher von Sir Anthony Abraham Freemont vorgestellt hatte und so auch allgemein genannt wurde, von der Großsegelrah und klatschte brüllend ins Wasser.

      Der Rudergänger hatte nicht aufgepaßt und vergessen, anzuluven, als eine Bö in die Segel gefahren war und die „Marygold“ fast flachgelegt hätte. Sie hatte sich nach Backbord geneigt, und der Kutscher war an der Rah, an der ein Fall klariert werden sollte, entlanggerutscht, hatte sich für einen Augenblick noch an der Rahnock zappelnd festhalten können und war dann wie ein Mehlsack in die Tiefe gestürzt.

      Hasard stand nicht am Ruder, er hatte Freiwache und war gerade mit grimmiger Miene damit beschäftigt, einen Riß in der Hose von Donegal Daniel O’Flynn zu nähen.

      Als der Schrei ertönte und die „Marygold“ nach Backbord krängte, saß er vor der Kombüse auf einer umgestülpten Pütz.

      Dan hatte zugeschaut, um die Bootsmannsnaht zu lernen, mit der Hasard die Hose flickte.

      Hasard war mit einem Satz auf den Beinen, mit drei Sprüngen am Schanzkleid, sah den Kutscher mit rudernden Armen nach achtern wegtreiben und jumpte mit einem Hechtsprung über das Schanzkleid ins Wasser.

      Hinter ihm an Bord schrillten Kommandos, die Mannschaft der Wache eilte an die Schoten und Brassen, und die „Marygold“ ging hoch an den Wind klar zum Wenden.

      Hasard

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