Скачать книгу

garantier ich dir.“

      „Sie sind ein Gentleman, Mister Profoß“, sagte das Bürschchen. „Ich hab’s sofort gewußt, als ich Sie sah.“

      „Soll er nun aufgeknüpft werden oder nicht?“ fragte der Mann mit dem schwarzblau verschwollenen Auge.

      „Nein, du Hammel, was, wie? Legt ihm Manschetten an und packt ihn in die Vorpiek. Ist das klar?“

      „Aye, aye“, sagte der Mann.

      4.

      Die Vorpiek war der Eingang zur Hölle – ein finsteres Loch im untersten Bugraum, allerdings nicht vorgeheizt, wie es sich für einen Eingang zur Hölle geziemt, dafür aber feucht, muffig und mit jenen Gerüchen angereichert, die einem den Magen zuoberst kehren. Unter der Gittergräting schwappte stinkendes Bilgewasser und folgte sinnig den Roll- und Stampfbewegungen der „Marygold“. Wenn sie ihren Bug auf der Talfahrt schräg nach unten richtete, rauschte das Bilgewasser schäumend und gurgelnd voraus und stieg über die Gräting in die Vorpiek. Schob sich der Bug wieder nach oben, flutete das Bilgewasser achteraus. So wurden die Räume über dem Kiel ständig bewässert – mit jener Brühe, in der tote Ratten, Exkremente und sonstiger Abfall herumschwammen und eine kloakenähnliche Suppe bildeten. Deswegen stank es so infernalisch.

      Paradoxerweise standen auf der Backbord- und Steuerbordseite der Vorpiek je weiß riesige Fässer mit Süßwasser. Die Fässer waren mit Brooktauen festgezurrt, die wiederum fest in solide eiserne Augbolzen verspleißt waren.

      Zwischen den Fässern in dem schmalen Durchgang lag Philip Hasard Killigrew in einer Stellung, die einer Kreuzigung nicht unähnlich war. Er lag auf dem Rücken. Seine Arme, etwas höher als waagerecht gespreizt, waren mittels Kette mit je einem Augbolzen links und rechts verbunden. Eine eiserne Manschette als Endstück der Kette umschloß je ein Handgelenk.

      Wie lange der Seewolf in diesem Höllenloch bereits lag, wußte er nicht. Er lebte in einem Alptraum, dessen hervorstechendste Merkmale Finsternis, bestalischer Gestank und die gefolterten Arme waren.

      Irgendwann war er aufgewacht. Da hatte die „Marygold“ sich gerade auf einem steil abwärtsführenden Husarenritt in ein Wellental befunden, und die stinkende Bilgebrühe war über seinem Kopf zusammengeschlagen. Er hatte sich aufgebäumt, die Arme fast aus den Schultergelenken gerissen, das stinkende Wasser ausgespuckt und nach Luft geschnappt.

      Seitdem lauerte er auf jede Talfahrt, bereit, sich aufzubäumen, um nicht abzusaufen.

      Der Profoß wußte, wie man einen aufsässigen Kerl kleinkriegte. In der Vorpieke der „Marygold“ wurden Männer zu zitternden Jammerbündeln, und das Logbuch wies fünf Fälle auf, die als „ertrunken“ bezeichnet wurden.

      Es war eine barbarische Methode, Männern das Rückgrat zu brechen.

      Aus dem Alptraum fand Hasard allmählich in die Wirklichkeit zurück und registrierte bewußter, was mit ihm war und um ihn herum geschah. Schon aus dem Ansatz, wie sich das Schiff in die Talfahrt neigte, vermochte er bald abzulesen, wie hoch das Wasser in der Vorpiek steigen würde. Seine Beine waren nicht gefesselt. Sie halfen ihm, den Körper samt Kopf hochzudrücken, wenn es wieder soweit war.

      Eigenartigerweise stieß die „Marygold“ bei fast jeder fünften Talfahrt steiler nach unten als sonst. Auch das Meer schien seine bestimmten, unveränderlichen Gesetze zu haben.

      Hasard grübelte darüber nach. Er stellte sich die heranrollende See vor – vier Wellenberge mit ihren Tälern und hinter ihnen bereits mächtiger aufragend der fünfte Wellenberg. Wenn man an Oberdeck stand, mußte man das doch erkennen können, verdammt. Warum war ihm das noch nicht früher aufgefallen?

      Hasard erschien es ungeheuer wichtig, darüber mehr zu erfahren. Wie war das, wenn weniger Seegang herrschte?

      Automatisch zählte er dabei die Talfahrten und wappnete sich rechtzeitig zur fünften. Es war ein grimmiges Spiel, das Hasard allerlei abverlangte, aber er gab nicht auf. Sein Geist arbeitete unaufhörlich und beschäftigte ihn.

      Er wußte, daß er sich tief unten im Vorbauch des Schiffes befand. Die Wasserlinie mußte mindestens fünfzehn Fuß über ihm verlaufen. Er lauschte dem Knacken und Ächzen der Verbände und dem Gurgeln des Wassers außenbords.

      Das Schiff segelte immer noch über Backbordbug. Irgendwann hörte er das Schmatzen und Saugen der Pumpen, und tatsächlich verringerte sich der Wasserstand des Bilgewassers.

      Waren Stunden vergangen? Tage?

      Er hatte Hunger – und vor allem Durst. Daß er sich zwischen vier Wasserfässern befand, wußte er nicht. Und wenn, es hätte ihm auch nichts genutzt. Sie hatten ihn so angekettet, daß er nicht an sie heran konnte.

      Das Licht, das zwischen der Unterkante des Vorpiekschotts und der Schwelle auf der Gräting hindurchschimmerte, sah er zuerst. Dann hörte er Schritte und das Zurückrasseln zweier Riegeln.

      Das Vorpiekschott schwang auf.

      Hasard kniff die Augen zusammen und blinzelte in den Schein der Öllampe. Undeutlich sah er hinter der Lampe die Umrisse einer Gestalt. Die Öllampe schwenkte zur Seite und wurde auf ein Faß gestellt.

      Jetzt erkannte Hasard, wer vor ihm stand. Es war der schmierige Kerl, der ihn mit der Radschloßpistole bedroht hatte.

      „Hast du Durst, Mister?“ fragte der Kerl und zeigte grinsend seine Stummelzähne. „Alle haben Durst wenn sie hier mehr als zehn Stunden zugebracht haben.“

      „Na und“, sagte Hasard.

      Der Kerl trat näher, beugte sich zu dem ersten Faß an der Backbordseite, drehte den Zapfhahn auf und hielt eine Muck, einen einfachen Becher, darunter. Wasser plätscherte verlokkend. Der Kerl schielte auf Hasard.

      „Schau mal, Mister, schönes, klares, sauberes Trinkwasser.“ Er hielt den Muck hoch und trank.

      „Ah“, sagte er dann, „kühl und frisch das Wässerchen!“

      Er goß den Rest achtlos auf die Gräting.

      „Du hast was vergessen“, sagte Philip Hasard Killigrew freundlich.

      „Was denn?“

      „Etwas zu gurgeln und dein stinkiges Gebiß auszuspülen.“

      Gordon Brown duckte sich und starrte den Seewolf tückisch an. Dann wechselte sein Ausdruck plötzlich und wurde geradezu frömmelnd.

      „Sie sagen, du seist einer von den Killigrews aus Falmouth.“

      Hasard erwiderte nichts.

      Gordon Brown faßte das als Zustimmung auf.

      „Ihr habt viel Geld, wie?“

      „Massenhaft“, sagte Philip Hasard.

      Gier flackerte in den schmutzigen Augen Gordon Browns.

      „Was zahlst du für eine Muck Trinkwasser?“

      „Nichts“, sagte der Seewolf. „Verdufte, du dreckige Ratte!“

      Gordon Brown zuckte zurück wie von einer Schlange gebissen. Die Maske der Frömmelei war wie weggeputzt. Die Visage, die statt dessen erschien, war ein Fratze voller Wut, Haß und Gemeinheit.

      „Du hast mir den Hintern verbrannt!“ stieß er hervor.

      Hasard grinste breit. „Freut mich, das zu hören“, sagte er.

      „Dir – dir dreh ich den Hals um, du Hund!“

      „Dann komm her“, sagte Hasard, „eine bessere Gelegenheit wirst du nie wieder kriegen.“

      Gordon Brown war dumm genug, es zu versuchen. Aber in der Enge zwischen den vier Fässern gab es nur einen Weg, um an den Hals von Hasard heranzukommen: er mußte an dessen Füße vorbei.

      Hasard zog die Beine an und trat zu, und zwar mit voller Wucht. Gordon Brown segelte durchs Schott und krachte auf die Gräting. Die

Скачать книгу