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zog den Kopf zwischen die Schultern und trottete nach draußen. Er war grün im Gesicht und sah aus, als nehme er an seinem eigenen Begräbnis teil. Die beiden anderen Kerle folgten ihm – ebenfalls mit Leichenbittermienen. Dann humpelte Blacky aufs Mitteldeck.

      Der Profoß stieß den Kopf vor.

      „He, was ist denn mit dir los, was, wie?“

      Blacky hob seine Rechte.

      „Bin – bin wo gegengerannt, Sir.“

      „Gegen was?“

      „Holz, Sir.“

      „Selbstverstümmelung, was, wie?“

      Blacky stierte den Profoß ratlos an. Allem Anschein nach wußte er mit dem Begriff „Selbstverstümmelung“ nichts rechtes anzufangen.

      „Eh?“ sagte er.

      Der Profoß schnippte mit den Fingern.

      „Eine Pütz Seewasser für dieses Rübenschein. Tunkt seine Pfote ordentlich ins Wasser. Salz heilt, was, wie?“

      „Weiß ich nicht“, sagte Blacky.

      „Aber ich“, sagte der Profoß grimmig, griff sich Blacky und schob ihn zu den derb zupackenden Seeleuten.

      Die stauchten ihn etwas zusammen, aus der einen Pütz Seewasser wurden zehn, denn sie badeten ihn gleich, und dann zogen sie ihm die Holzsplitter aus der verschwollenen Rechten, die mit Salzwasser eingeweicht wurde.

      Immerhin mußten zwei starke Männer den tobenden Blacky bei dieser Prozedur festhalten.

      „Sollen wir kämpfen?“ flüsterte Dan hastig Hasard zu.

      „Nein, geh mit den anderen aufs Mitteldeck, Junge.“

      „Und du?“

      „Ich bleib hier noch ein bißchen und ärgere den Profoß.“

      „O Mann“, sagte das Bürschchen begeistert, „kann ich ihn nicht mitärgern? Ich bin bestimmt gut.“

      „Nein“, sagte der Seewolf, „raus mit dir.“

      Donegal Daniel O’Flynn stand maulend auf und schloß sich den anderen an, die nach draußen drängten.

      Hasard blieb allein zurück. Er zog die Beine an und faltete die Hände über den Knien.

      „Alle raus?“ schrie der Profoß.

      „Nein“, sagte Philip Hasard Killigrew.

      Der Profoß schob sich ins Vorkastell und starrte auf Hasard hinunter. „Du brauchst wohl ’ne Extraeinladung, was, wie?“

      Hasard schaute zu ihm hoch. In seine blauen Augen schlich sich ein gefährliches Funkeln. Er zeigte nur seine Zähne, aber er sagte nichts.

      Der Profoß trat einen Schritt zurück, als spüre er plötzlich die Gefahr, die von diesem jungen Riesen ausging.

      „Mister Evarts soll kommen!“ schrie er nach draußen.

      „Aye, aye, Profoß!“

      Vier Minuten später erschien Patrick Evarts, der Segelmacher, im Vorkastell.

      „Ist das der Seewolf?“ fragte der Profoß und deutete auf Philip Hasard Killigrew.

      Evarts zuckte zusammen, sagte kurz und knapp „ja“ und flitzte wieder aufs Mitteldeck, als sei der Teufel hinter ihm her.

      „Steh auf“, sagte der Profoß.

      „Nein“, sagte Hasard ruhig. „Mir hat keiner etwas zu befehlen. Ich wollte nicht auf dieses Schiff. Und was ich nicht will, zwingt mir auch keiner auf. Hau ab, du Rübenschwein, was, wie?“

      Der Profoß lief blaurot an. Sein Faß von Brustkasten hob und senkte sich, als stünde es unter einem ungeheuerlichen Druck und müßte jeden Moment platzen.

      „Hau ab!“ wiederholte der Seewolf und wedelte mit der Rechten. „Und vergiß nicht, Luft zu holen. Ich bleib noch ein bißchen hier. Vielleicht schau ich mir nachher mal den Kasten an, ob er mir gefällt. Und bestell deinem Kapitän einen schönen Gruß von mir. Wenn er was von mir will, darf er sich bei mir melden. Vergiß auch nicht, Mister Evarts meine Empfehlung auszurichten. Sag ihm, daß er vermeiden solle, mir über den Weg zu laufen – er und die beiden anderen. Ich hab was gegen Kerle, die mich von hinten anspringen und nicht ehrlich kämpfen. Hau ab, Rübenschwein!“

      Jetzt war der Profoß Carberry weiß wie eine gekalkte Wand. Sein Mund war ein schmaler Strich über dem Amboßkinn.

      Er schlich geduckt näher, seine Arme mit den klotzigen Fäusten pendelten wie Dreschflegel links und rechts an seinem massigen Körper.

      Seine Stimme war heiser und bebte vor unterdrückter Wut.

      „Du bist wohl lebensmüde ...“

      „Was, wie?“ unterbrach ihn der Seewolf höhnisch.

      Der Profoß brüllte auf und federte mit einem Riesensatz heran. Er prallte gegen die vorschnellenden Beine Hasards und flog zurück.

      Da war Hasard schon wie der Blitz hoch, packte den Profoß am Hosenbund und Kragen und schleuderte ihn durch das Querschott nach draußen aufs Achterdeck.

      Der Profoß schlitterte über die Planken und krachte gegen die Nagelbank. Er war ein harter Mann, alles was recht ist. Spätestens nach zwanzig Sekunden war er wieder hoch und riß einen Koffeynagel aus der Nagelbank. Der war aus Hartholz und gut über einen Fuß lang – eine mörderische Waffe.

      Hasard erschien in dem Querschott und trat auf das Mitteldeck. Er blickte prüfend am Großmast hoch, schaute nach dem Flögel und Stand des Großsegels und schüttelte den Kopf.

      Mehr zu sich selbst sagte er: „Könnte noch härter gesegelt werden, dieser Waschzuber.“

      Der „Waschzuber“ hieß „Marygold“ und segelte über Backbordbug am Wind südlichen Kurs. Rings um die „Marygold“ lag die graue Weite des Atlantik, dessen mächtige Seen unaufhörlich heranrollten. Die „Marygold“ nahm sie eine nach der anderen, kletterte an ihnen hoch, bis ihr Bugspriet in den Himmel ragte, neigte sich dann noch weiter nach Backbord über, glitt dabei talwärts und schob sich an der nächsten See hoch. Durch die steifstehenden Luvwanten und Pardunen pfiff der Wind.

      Hasard stand breitbeinig auf dem Mitteldeck und atmete tief durch. Aus den Augenwinkeln beobachtete er den Profoß, der sich wie eine Katze heranschlich. Die Männer der Besatzung wichen zurück bis zum achteren Deck. Die Männer, die gepreßt worden waren, standen wie eine verlorene Hammelherde auf der Backbordseite. Nur das Bürschchen genoß die Szene. Es schaukelte auf einer Webleine der Hauptwanten, die Zunge spitz zwischen den Lippen und sichtlich begeistert, daß der Profoß bereits einmal die Planken hatte aufsuchen müssen.

      „Weg mit dem Belegnagel, Profoß“, sagte der Seewolf. „Hier wird mit den Fäusten gekämpft. Wirf ihn weg, oder, ich schlag dir die Zähne in den Hals.“

      Die Männer stöhnten auf, als der massige Carberry lossprang und den rechten Arm mit dem Koffeynagel hochschwang und niedersausen ließ.

      Der Seewolf blockte den furchtbaren Hieb mit dem linken Unterarm ab, dann fuhr seine Hand blitzschnell zurück, umschloß das Handgelenk Carberrys, drückte dessen Arm nach unten und begann ihn mit erbarmungsloser Härte umzudrehen.

      Der Profoß kämpfe verbissen gegen die Drehung an. Er knickte in der Hüfte ein und wand sich.

      „Laß fallen“, sagte der Seewolf, „oder ich dreh dir den Arm aus der Schulter, du Miststück!“

      Edwin Carberry keuchte. Der Riese da vor ihm würde es mit seiner barbarischen Kraft tatsächlich schaffen, seinen Arm in einen Korkenzieher zu verwandeln.

      Er ließ den Koffeynagel fallen. Hasard stieß ihn mit dem Fuß weg, trat etwas zurück; ließ aber noch nicht los, sondern schlug dem Profoß die Rechte zwischen die Zähne. Ächzend sank der Profoß in die Knie. Hasard hielt ihn fest, hievte ihn wieder

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