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einer öden Inselgruppe etwa vierzig Seemeilen nördlich des Kaps da Roca, ausgesetzt hatte, war es dem Ca pitan sehr bald gelungen, das nahegelegene Festland zu erreichen. Unverzüglich hatte Valdez Meldung erstattet.

      Diese Nachricht hatte wie eine volle Breitseite bei den Verantwortlichen eingeschlagen. Es gab niemanden, der sich traute, die spanische Krone von dieser Hiobsbotschaft zu unterrichten. Statt dessen verfiel man auf einen gänzlich anderen Ausweg. Die Karten mußten wiederbeschafft werden, koste es, was es wolle. Daß Capitan Romero Valdez mit dieser Aufgabe betraut wurde, verbot sich von selbst, so sehr er auch darum bat. Statt dessen setzte man mit dem schnellsten Schiff, über das die spanische Flotte verfügte, zwei Männer in Marsch, die schon des öfteren dergleichen Aufgaben erledigt hatten.

      Noch während die „Isabella“ in der Bucht Ile de Sein lag, um ihre Schäden auszubessern, landeten diese beiden zwielichtigen Ehrenmänner in einer stockdunklen, nebligen Nacht in der St. Austel Bay, unweit des gefürchteten Black Head, einem ins Meer ragenden Felsen, der schon manchem Schiff zum Verhäng nis geworden war. Sie nannten sich Patrick O’Moore und Neil Griffith.

      Beide sprachen vorzüglich Englisch, beide galten als hochintelligente Männer, beide waren in Spanien bei allen Eingeweihten wegen ihrer Brutalität, ihrer Gerissenheit und Beharrlichkeit, mit der sie ihr Wild hetzten, über alle Maßen gefürchtet. Sie setzten sich unverzüglich nach Plymouth in Marsch, mieteten sich am Hafen ein, forschten unauffällig die Seeleute aus und lauerten auf die Ankunft der „Isabella von Kastilien“. Sie verfügten über genaue Beschreibungen dieses Schiff und wußten genau über Philip Hasard Killigrew und seine Besatzung Bescheid.

      An diesem Morgen, an dem noch immer von See her ein kühler Wind durch die Straßen pfiff, hatten sich O’Moore und Griffith in einer Kneipe niedergelassen, von der aus sie die Hafeneinfahrt genau im Auge behalten konnten.

      O’Moore war ein großer, hagerer Mann mit einem Raubvogelgesicht. Die schmalen Lippen und die vorspringende gebogene Nase verliehen seinen Zügen zusammen mit den dunklen, tiefliegenden Augen etwas Grausames, Kaltes. Seine schmalen Hände hatten lange Finger, die wie die Krallen eines Greifvogels wirkten. Alles in allem war Partrick O’Moore ein Mann, dem jeder nach Möglichkeit aus dem Weg ging. Daß er dennoch nicht besonders auffiel, hing damit zusammen, daß er sich unauffällig zu kleiden und zu benehmen wußte und daß es in der Hafengegend von Plymouth eine Menge Gelichter gab, das noch weit weniger vertrauenserweckend aussah als O’Moore.

      Er hob sein Glas mit heißem Rum gerade an die Lippen, als sein Gefährte, Neil Griffith, mit dem Kopf zum Fenster deutete.

      O’Moore nahm einen winzigen Schluck von dem heißen Rum, dann setzte er das Glas ab und blickte durch das Fenster nach draußen.

      Im Hafen war Bewegung entstanden. Seeleute blieben plötzlich stehen und deuteten aufs Meer hinaus.

      O’Moore nickte seinem Gefährten zu, anschließend winkte er dem Wirt und legte ein paar Münzen auf den glattgescheuerten Holztisch. Der Wirt, ein großer, schwammiger Mann, verneigte sich, denn O’Moore hatte das Trinkgeld wie immer auch diesmal wieder reichlich bemessen.

      Er sah den beiden nach, als sie durch die schwere Holztür auf die Straße hinaustraten. Dann wischte er sich die fettigen Hände an der Schürze ab und verzog sich wieder hinter die Theke. Er hatte Angst vor diesen beiden Männern, sie waren ihm irgendwie umheimlich.

      Besonders der Hagere. Der andere, den der Hagere immer mit Neil anredete, wirkte dagegen fast gutmütig. Ein Kraftpaket, stämmig, muskelbepackt, sehr wache, eigentümlich helle Augen, schwere, derbe Fäuste, die nicht so recht zu seiner einfachen, aber vorzüglichen Kleidung paßten – aber dieser Mann lachte wenigstens hin und wieder, wobei er eine Reihe blendendweißer Zähne zeigte. Während der Hagere düster wirkte, sah der Stämmige geradezu heiter aus. Der Wirt ahnte nicht, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Wenn es darauf ankam, dann entwickelte sich Neil Griffith zu einer fast seelenlosen Kampfmaschine.

      O’Moore holte ein teures und qualitativ sehr hochwertiges Spektiv aus der Tasche, zog es behutsam auseinander, spähte hindurch und unterzog das einlaufende Schiff einer gründlichen Musterung. Der scharfe, kühle Wind bauschte seine Pluderhosen, wirbelte um seine langen Beine, die in roten Strümpfen steckten und brachte den Degen zum Klirren, der an seiner Hüfte hing. Aber alles bemerkte der Hagere nicht. Ihn interessierte in diesem Moment einzig und allein das einlaufende Segelschiff.

      Endlich setzte er das Spektiv ab. Dann schob er es zusammen und schüttelte den Kopf.

      „Nicht die ‚Isabella‘“, sagte er leise. „Ein Kauffahrteifahrer, soweit ich erkennen kann, ein ziemlich großes Schiff, aber nichts, was uns interessieren könnte.“

      Neil Griffith zuckte mit den Schultern.

      „Die „Isabella“ ist bereits überfällig“, sagte er. „Hoffentlich kommt sie überhaupt hierher. Immerhin ...“

      O’Moore schüttelte den Kopf. „Sie kommt, Neil, verlaß dich drauf. Da hinten liegt schon eine Prise von diesem Drake, also hat auch die zweite Order, Plymouth anzulaufen. Außerdem hat der neue Kapitän der ‚Isabella‘, dieser verdammte und dreimal verfluchte Killigrew, Romero Valdez gegenüber Plymouth als seinen Zielhafen erwähnt. Ob Valdez das nur erlauscht hat oder ob dieser schwarzhaarige Teufel es ihm selber gesagt hat, weiß ich nicht, es spielt auch keine Rolle.“

      Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: „Außerdem liegt die ‚Marygold‘, Drakes Schiff, auch immer in Plymouth, wenn er sich nicht gerade auf See befindet. Nein, nein, wir sind hier schon am richtigen Ort. Warten wir also noch eine Weile. Wichtig ist nur, daß wir sehen, wann sie einläuft.“

      Er steckte das Spektiv wieder in die Tasche. Anschließend sahen sie zu, wie der Segler in den Hafen einlief und an einer der Piers vertäut wurde. Und während er zuschaute, überlegte O’Moore noch einmal genau, wie er nach dem Einlaufen der „Isabella von Kastilien“ vorgehen wollte. Gewiß, das hing natürlich von den besonderen Umständen ab, aber im großen und ganzen stand sein Plan fest.

      O’Moore hatte immer ziemlich konkrete Vorstellungen darüber, wie er eine Aufgabe lösen würde, bevor er ans Werk ging. Und man konnte diesem Mann nicht nachsagen, daß er dabei besonders wählerisch in seinen Methoden war. Für ihn zählte nur eins – der Erfolg. Keineswegs ein Menschenleben oder mehrere, wenn es sich nicht anders regeln ließ.

      Von alledem ahnte der Seewolf nichts. Er hatte ganz im Gegenteil das beruhigende Gefühl, endgültig alle Klippen dieser gefährlichen Reise umsegelt zu haben.

      Er stand wieder auf dem Achterkastell, weil er von dort aus den besten Überblick über die „Isabella“ hatte. Land war noch nicht in Sicht, aber er wußte, daß es nicht mehr lange dauern konnte. Längst hatten sie die Höhe von Kap Lizard passiert, allerdings, ohne es gesehen zu haben. Noch immer stand eine lange Dünung vom Atlantik her in den Kanal, aber nach wie vor blies der Wind in unverminderter Stärke aus Südwest.

      Dan hatte er in den Großmars geschickt. Die scharfen Augen O’Flynns würden das Land zuerst erspähen. Das Wasser des Kanals hatte an diesem Tag eine grüngraue Färbung. Der hünenhafte Ferris Tucker gönnte sich eine Ruhepause. Er saß auf dem Quarterdeck, streckte behaglich alle viere von sich, und Hasard ließ ihn gewähren. Tucker hatte sich auf dieser Reise genug geschunden, eigentlich weit über die Kraft eines Mannes hinaus. Fast jeder Mann seiner Besatzung hatte das getan, und deshalb hatte Hasard an Wachen nur eingeteilt, was für das Schiff unerläßlich war.

      Hasard nahm sich vor, bei Francis Drake zu versuchen, für seine Leute eine Sonderprämie herauszuschlagen. Das hatten sie wirklich verdient.

      Eine Stunde verging und noch eine halbe. Dann scholl aus dem Großmars Dans Stimme herab: „Land in Sicht!“

      Hasard hörte den Ruf und gleich darauf das Gebrüll seiner Männer, die diesen Ruf O’Flynns ebenfalls gehört hatten. Einige von ihnen vollführten an Deck einen wahren Freudentanz.

      Hasard enterte in den Großmars auf. Er zog sein Spektiv aus der blauen Segeltuchjacke und sah lange hindurch.

      „Da, Dan“, sagte er endlich, und sein Gesicht strahlte Befriedigung

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