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runzelte Sir Doughty die Brauen.

      „Seit wann ist es üblich, daß der Kapitän eines Schiffes hochgestellte Gäste auf dem Quarterdeck empfängt?“ fragte Sir Doughty, und diesmal gab er sich keine Mühe, die Schärfe in seiner Stimme zu verbergen.

      Wieder fuhren die Hände seiner Begleiter an die Wehrgehänge – aber Ben Brighton warf ihnen einen so drohenden Blick zu, daß sie abermals zögerten.

      „Gäste?“ fragte der Bootsmann der „Isabella“ gedehnt – und allein schon der Tonfall, in dem er diese Frage stellte, war eine glatte Beleidigung für Doughty. „Bei uns an Bord entscheidet Kapitän Killigrew grundsätzlich selber, wer zu seinen Gästen zählt und wer nicht. Wenn Sie mir jetzt also bitte aufs Quarterdeck folgen wollen, Sir.“

      Ben Brighton ging einfach voraus, und Sir Thomas Doughty fügte sich ins Unvermeidliche, zumal sich langsam, aber unübersehbar für ihn und seine Begleiter die Männer der Besatzung von allen Seiten näher an ihn und seine beiden Begleiter heranschoben.

      Vergessen würde er diese Demütigung vor diesen verdammten Kerlen aber nicht, das schwor sich Sir Doughty in diesem Moment.

      Doch dann siegte seine Neugier. Killigrew? Sollte es sich um einen aus der Sippe der Killigrews aus Falmouth handeln? Jener Sippe, die in der alten Seeräuberfeste Arwenack hoch über dem Hafen hauste? Dann war dieser Kapitän ja ein Mann von Stand, ein Adeliger wie er!

      Sir Thomas Doughty beschleunigte seine Schritte. Er wollte, nein, er mußte diesen Mann sehen.

      Und er sah ihn. Philip Hasard Killigrew stand breitbeinig auf dem Quarterdeck. Eine schlanke, hohe Gestalt. Schmal in den Hüften, breit in den Schultern. Schwarzes Haar flatterte im Wind, eisblaue Augen blitzten ihn an.

      Der geborene Kämpfer, dachte Sir Doughty und nahm sich in diesem Moment vor, sich auf keinerlei Händel an Bord der „Isabella“ einzulassen. Doughty hatte scharfe Augen, und er besaß einen Blick für Männer wie Philip Hasard Killigrew.

      Sir Thomas Doughty stieg die letzten Stufen zum Quarterdeck empor. Dann blieb er stehen und erwartete einen Gruß, eine Geste Killigrews – vergeblich.

      Hasard sah ihn aus seinen eisblauen Augen an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Instinktiv erkannte er sofort die Gefährlichkeit dieses Mannes, seine Neigung zu Intrigen und Ränkespiel. Da half auch das wohlwollende Lächeln nichts, das der Spitzbart in seine Züge zauberte, während seine beiden Begleiter sichtlich nervös an ihren Degen herumfingerten.

      Innerlich kochte Sir Doughty, auch wenn ihm die Haltung dieses jungen Kapitäns imponierte, aber äußerlich trachtete er seine wahren Gefühle sorgfältig zu verbergen.

      Er ging auf Hasard zu.

      „Nun, mein lieber junger Freund“, brach er das Schweigen. „Ich freue mich, einen der tüchtigen und tapferen Kapitäne des von uns allen sehr geschätzten und verehrten Francis Drake kennenzulernen. Allerdings will mir scheinen, daß Sie, lieber Freund, für ein solches Kommando doch wohl ungewöhnlich jung sind, nicht wahr? Besonders, wenn es sich um eine so wertvolle Prise handelt wie die „Isabella von Kastilien“. Von Ihrer Tapferkeit und von der Ladung Ihres Schiffes erzählt man sich ja geradezu Wunderdinge, sogar Ihre Majestät, Königin Elisabeth von England, ist auf Sie aufmerksam geworden.“

      Bei Hasard lösten diese Worte auf der Stelle etwas aus, das er selbst am ehesten mit dem Kommando „klar Schiff zum Gefecht!“ verglichen hätte. Der Kerl ging ja auf unerhört raffinierte Weise zum Frontangriff über!

      Hasard verstand innerhalb von Sekunden. Mit einem Lächeln, das Sir Thomas Doughty noch weniger gefiel als alles Bisherige, was er auf diesem Schiff erlebt hatte, deutete Hasard eine Verneigung an.

      „Es freut micht ungemein, daß man von meinen Männern und mir bei Hof eine so hohe Meinung hat, aber trotzdem würde es mich freuen, zu erfahren, mit wem ich eigentlich die Ehre habe.“

      Er sah, wie es in den Zügen Sir Doughtys zuckte. Und deshalb fügte er der ersten Demütigung auch sogleich noch eine zweite hinzu. Er wollte diesen aalglatten Mann aus der Reserve lokken.

      „Es ist im allgemeinen üblich, daß derjenige, der ein Schiff betritt, sich dem Kapitän vorstellt.“

      Sir Doughty schluckte. Aus seinen braunen Augen traf Hasard ein scharfer, unwilliger Blick. Aber dann holte er dennoch das Versäumte nach und nannte seinen Namen.

      „Sie wissen jetzt also, wer ich bin, Kapitän Killigrew. Ich gehöre zu den Eignern der „Marygold“, und aus diesem Grund gehört auch diese Prise mit den entsprechenden Anteilen mir. Ich habe Sie aufgesucht, um mir die Ladung des Schiffes anzusehen und ihren Wert zu schätzen. Also seien Sie so freundlich, und begleiten Sie mich dabei, damit Sie mir Fragen, die ich stellen werde, beantworten können.“

      Hasard grinste, aber es war ein wölfisches Grinsen, das seine makellosen Zähne bloßlegte.

      „Bedaure aufrichtig, Sir. Ich habe Order, diese Ladung und dieses Schiff an Kapitän John Thomas zu übergeben. Besondere Umstände verbieten es mir, außer Francis Drake und Kapitän Thomas sonst irgend jemandem Zugang zur Ladung zu gewähren. Ich kann auch in Ihrem Fall, Sir Doughty, leider keine Ausnahme gestatten.“

      Bei seinen letzten Worten waren die beiden Begleiter Doughtys an den Seewolf herangetreten. Ihre Hände flogen förmlich an die Waffen, rissen sie aus den Wehrgehängen, aber Doughty stoppte sie mit einem scharfen Befehl.

      Verständnislos starrten sie ihn an, aber dann verfärbten sich ihre Gesichter plötzlich. Wie von Geisterhand herbeigezaubert, schoben sich die Männer der „Isabella“ heran. Sie hielten schwere Belegnägel, Musketen, Entermesser und dicke Knüppel in den Fäusten. Ihre Mienen ließen keinen Zweifel daran, was mit Doughty und seinen Begleitern passieren würde, wenn sie auch nur noch eine Bewegung ausführten, die ihnen nicht gefiel.

      Allen voran schoben sich Smoky, der hünenhafte Ferris Tukker, Batuti, Gary Andrews, Matt Davies – der Mann mit dem Eisenhaken –, Blacky und Dan heran. Letzterer trat einem der Begleiter gekonnt auf die Zehen, was der mit einem wüsten Fluch quittierte.

      „Wollten Sie etwas sagen, Sir?“ fragte Dan scheinheilig und wippte provozierend mit seinem Belegnagel. Aber Hasard gab ihm einen Wink, sofort von dem Mann abzulassen.

      Sir Doughty bewahrte die Fassung. Es wurde ihm höllisch schwer, aber er schaffte es. Er hatte schon ganz andere Situationen gemeistert. Und hier, an Bord dieses Schiffes, hatte er nicht die Spur einer Chance, mit Gewalt zu erreichen, was dieser junge Teufel ihm verwehrte.

      Er wiegte statt dessen den Kopf.

      „Nun, gut, lieber junger Freund“, sagte er schließlich, und sein Spitzbart vibrierte verräterisch dabei. „Ich gebe zu, daß mich Ihr Verhalten einem Eigner der „Marygold“ und dem besonderen Vertrauen Lord Burghleys gegenüber sehr verwundert, ja, sogar verletzt. Sie wissen doch sicher, wer Lord Berghley ist?“

      Hasard verneinte.

      „Hm – das freilich ändert die Sache erheblich.“ Sir Doughty warf ihm einen forschenden Blick aus seinen braunen Augen zu und bemerkte, daß Hasard den Lord wahrhaftig nicht kannte. „Ihr Verhalten imponiert mir, Kapitän. Es mag von Kapitän Drake vielleicht ein Fehler gewesen sein, einen so jungen Mann seiner Besatzung mit diesem Kommando betraut zu haben – aber ich habe dennoch den Eindruck, daß die „Isabella von Kastilien“ bei Ihnen und Ihren Männern in ausgezeichneten und sicheren Händen ist. Ich werde mich mit Kapitän Thomas in Verbindung setzen, dann werden sich, denke ich, alle Mißverständnisse leicht klären lassen.“

      Er legte eine Pause ein und sah Hasard nachdenklich an.

      „Wir beide jedoch, lieber junger Freund, sollten die Zeit, die verstreicht, bis Kapitän Thomas eintrifft, dazu benutzen, einander etwas besser kennenzulernen. Ich werde mir erlauben, Ihnen noch heute eine Einladung zu einem Galadiner im „Queen’s Hotel“ schicken zu lassen. Eine Kutsche wird Sie hier abholen. Es gibt eine ganze Reihe von Herren und Damen, die darauf brennen, diesen jungen Draufgänger kennenzulernen, der es fertigbrachte, mitten aus einem Verband von Kriegsschiffen

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