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      Hasard flog nach hinten in die Polster, auf der anderen Seite der Karosse brüllte O’Moore, denn der Hieb, den Hasard ihm verpaßt hatte, war einfach höllisch.

      Die Kutsche schleuderte über das Kopfsteinpflaster, die Pferde wieherten schrill, irgendwo schrien Menschen.

      Hasard wußte, daß er seinem Gegner keine Zeit für neue Aktionen geben durfte. Er stieß sich ab und warf sich auf O’Moore. Seine Fäuste bekamen O’Moore, der trotz des wahnsinnigen Schmerzes, der von seiner Schulter aus durch den ganzen Körper tobte, blitzartig zur Seite ausgewichen war, nur am linken Arm zu fassen. In der Kutsche war es dunkel, Hasard sah nichts. Er hebelte den Arm seines Gegners hoch und wollte ihn herumdrehen, da traf ihn ein mit voller Wucht geführter Hieb seitlich am Kopf.

      Hasard spürte die schwarze Woge, die auf ihn zubrandete, aber er ließ nicht los. Er warf sich mit aller Kraft zurück und riß O’Moore, der das Gefühl hatte, sein Arm wäre in eine Bärenfalle geraten, mit sich. Die beiden Männer krachten gegen die Rückwand der Kutsche, und diesmal wuchtete Hasard sein Knie hoch, ließ den Arm fahren, schwang beide Fäuste hoch und ließ sie mit ineinander verschränkten Fingern auf O’Moore herabsausen.

      Er hörte das dumpfe Stöhnen seines Gegners.

      Seine weißen Zähne entblößten sich zu einem Grinsen, und er fühlte sich schon wieder viel besser.

      „So, Freundchen!“ stieß er hervor. „Und jetzt werden wir beide uns ein wenig unterhalten!“

      Er packte abermals zu, aber in diesem Moment begann die Kutsche wie irrsinnig zu schleudern.

      Oben, auf dem Kutschbock, schrie Neil Griffith auf. Die Pferde brachen aus. Mit hervorquellenden und weit aufgerissenen Augen rasten sie direkt auf einen entgegenkommenden Frachtwagen zu. Verzweifelt zerrte Neil Griffith an den Zügeln, aber davon wurden die Pferde nur noch wilder. Sie brachen abermals aus, zur linken Fahrbahnseite diesmal, genau auf die Mill Bay zu, deren Hafenbecken an dieser Seite den Abschluß der Straße bildete.

      Neil Griffith sprang. Sein stämmiger Körper löste sich vom Kutschbock, prallte auf das harte Pflaster und überschlug sieh ein paarmal.

      Die Pferde rasten weiter. Eins von ihnen geriet mit den Hufen in eine herumliegende Taurolle und stürzte im Geschirr. Die Deichsel brach, das andere Pferd wieherte schrill auf, machte noch einen Satz und verschwand mit weit nach vorn gerecktem Hals in der Mill Bay.

      Die Kutsche knallte gegen einen der großen Poller, an denen häufig Frachtkähne vertäut wurden. Ein entsetzlicher Ruck ging durch das Gefährt. Eins der Räder wurde samt Achse von der Kutsche abgefetzt. Die Kalesche überschlug sich, traf noch einen Mann, der nicht schnell genug ausgewichen war, und verschwand dann im hochaufspritzenden Wasser der Mill Bay.

      Hasard und O’Moore flogen in der Kutsche von einer Ecke in die andere. Längst hatte Hasard sich zusammengerollt und schützte seinen Kopf mit den Armen. Der letzte Stoß, mit dem die Kutsche über die Kaimauer in das Hafenbecken schoß, katapultierte ihn gegen eine der Türen. Splitternd brach sie aus ihrer Verriegelung, und Hasard flog ins Freie. Fast gleichzeitig mit der Kutsche landete er im Wasser der Mill Bay.

      Er spürte, wie er in die Tiefe sank, aber er war sekundenlang so benommen, daß er die Orientierung verlor und nicht imstande war, überhaupt irgend etwas zu tun.

      Sein großer sehniger Körper streckte sich, fast automatisch vollführte Hasard schwache Schwimmbewegungen, und gleich darauf stieß er auf den Grund, der an dieser Stelle nicht sehr tiefen Mill Bay.

      Immer noch benommen, tastete er in der ihn umgebenden Dunkelheit herum, aber dann begriff er seine Situation schlagartig.

      Mit einem energischen Tritt stieß er sich vom Grund ab und tauchte Sekunden später auf. Prustend spuckte er Wasser und holte tief Luft. Er blickte sich um. Von der Kutsche war nichts mehr zu sehen.

      Verdammt! durchfuhr es Hasard. In der Kutsche steckt möglicherweise noch dieser Kerl, der mich überfallen hat!

      Er wollte tauchen, aber laute Rufe ließen ihn einen Moment zögern. Und dann huschte ein befreiendes Lächeln über seine Züge.

      Da stürmten sie heran – allen voran Dan! Und das Bürschchen schrie von allen am lautesten. Gleich hinter ihm der riesige Ferris Tucker, der einen Belegnagel in der Faust schwang. Dann Smoky, der Kutscher, Pete Ballie, der Rudergänger und Matt Davies, der Mann mit dem Eisenhaken an der Rechten. Etwas weiter hinten erkannte Hasard im Schein der Straßenlaternen noch Stenmark und Gary Andrews, der ein langes Entermesser in der Rechten schwang.

      Hasard wollte rufen, aber in diesem Augenblick hechtete Dan ins Wasser, mit einem Sprung, der einem Tiger alle Ehre gemacht hätte.

      „Dan, hierher!“ brüllte der Seewolf mit Stentorstimme.

      Das Bürschchen richtete sich im Wasser auf.

      „He, Hasard, warte, ich komme! Hurra, Leute, er lebt, diese Ratten haben Hasard nicht geschafft!“

      Dan warf sich wieder ins Wasser und schoß wie ein Delphin auf den Seewolf zu. Am Land brüllten die Männer vor Begeisterung, schwangen ihre Belegnägel und Entermesser und Pieken.

      Dan hatte unterdessen Hasard erreicht, aber der ließ ihm gar keine Zeit zu lagen Fragen oder Begrüßungsreden.

      „Dan, du tauchst besser als ich. Da unten liegt irgendwo die Kutsche. Dieser Kerl, der mich umbringen oder entführen wollte, steckt sicher noch drin. Sieh nach, aber beeil dich!“

      Dan verschwand wie der Blitz. Sein schmächtiger Körper glitt durchs Wasser. Er fand die Kutsche sofort. Noch einmal schoß er an die Wasseroberfläche zurück, holte tief Luft und tauchte dann wieder.

      Die Kutsche lag günstig. Mit seinen Fingerspitzen ertastete er die Öffnung an der Seite, aus der Hasards Körper die Tür herausgerissen hatte. Er glitt in das Gefährt. Da er nichts sehen konnte, tastete er blitzschnell die Sitze und den Boden der Kutsche wie auch die Dachfläche ab. Er fand nichts – der Mann, den er suchte, war nicht da.

      Dan wurde die Luft knapp, er schoß nach oben. Dicht neben Hasard tauchte er auf.

      „Nichts“, japste er. „Dieser Bastard ist nicht in der Kutsche. Vielleicht hat es ihn erwischt, und er liegt jetzt irgendwo auf dem Grund. Warte, ich sehe nach!“

      Dan tauchte abermals, aber so sehr er sich auch bemühte, er fand nichts.

      Als er zum drittenmal auftauchte, beendete Hasard die Suche.

      „Laß es, Dan“, sagte er nur, „es hat keinen Zweck. Entweder ist er ertrunken, oder er hat sich abgesetzt, was für ihn auch das Gesündeste wäre. Denn wenn ich diesen elenden Mistkerl noch mal zwischen die Fäuste kriege, dann …“

      Hasard sagte nicht, was er dann tun würde, aber Dan wußte es auch so.

      Wenige Augenblicke später zogen Smoky und Ferris Tucker die beiden aus dem Wasser. Und genau in diesem Moment erscholl weiter hinten auf dem Kai wüstes Geschrei.

      „Halt, Mann! Bleib stehen, du verdammter Bastard!“

      „Das ist Stenmark, los, sehen wir nach, was da passiert ist!“

      Hasard lief los, und die anderen folgten ihm.

      Auch Patrick O’Moore hörte das Geschrei. In seinem Schädel schien zwar ein ganzes Kanonendeck ständig Breitseiten abzufeuern, aber O’Moore war zäh und außerdem ein äußerst gewandter und ausdauernder Schwimmer. Auch er hatte den Sturz der Kutsche einigermaßen überstanden, sich fast gleichzeitig mit Hasard aus der sinkenden Kutsche befreit und war, so schnell er konnte, davongeschwommen. In die Mill Bay hinaus, dort, wo ihn die Dunkelheit gegen Entdekkung schützte.

      Voller Schrecken dachte er daran, daß möglicherweise Neil Griffith in die Hände Killigrews und seiner Leute gefallen sein könnte – und er wußte genau, was das bei einem Mann vom Zuschnitt des jungen Kapitäns bedeutete.

      Er schwamm weiter, und zwar so leise, so schnell und so unauffällig, wie er konnte. Er konnte Neil Griffith jetzt nicht helfen. Er mußte sehen,

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