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Sie später nach der Rückkehr von Kapitän Drake zu einer Audienz bitten wird. Ich hoffe, Sie schlagen mir diese Einladung nicht ab?“

      Hasard erkannte erst in diesem Moment, wie gefährlich Sir Thomas Doughty tatsächlich war. Er hatte seine Einladung so raffiniert formuliert, daß Hasard gar nicht absagen konnte, ohne Sir Thomas Doughty und andere hochgestellte Persönlichkeiten aufs Schwerste zu brüskieren. Das aber wäre ganz gewiß etwas gewesen, was auch Francis Drake keineswegs gutgeheißen hätte, denn auch er war darauf angewiesen, daß die Krone weiterhin finanzielle Mittel zur Verfügung stellte, um mit ihnen neue Schiffe und neue Reisen ausrüsten zu können.

      „Ich nehme Ihre Einladung an, Sir Doughty. Ich freue mich, daß Sie Verständnis für meine Situation haben“, erwiderte Hasard, und diese beiden Sätze kosteten ihn erhebliche Überwindung.

      Er spürte die Gefahr, die sich hinter der Einladung dieses aalglatten Mannes verbarg. Aber er konnte genausowenig wie Sir Thomas Doughty wissen, daß durch diese Einladung noch eine ganz andere, weitaus schlimmere Gefahr auf ihn zukam – aus dem Hinterhalt.

      Sir Doughty nickte.

      „Gut, gut, mein lieber junger Freund. Wir sehen uns also heute noch. Und ich verspreche Ihnen, daß Sie den Abend in allerbester Erinnerung behalten werden. Ich kenne da eine junge Lady, eine Schönheit, möchte ich meinen, die darauf brennt, Sie kennenzulernen. Viel Glück, junger Freund. Ich werde dafür sorgen, daß diese junge schöne Lady Ihre Tischdame sein wird.“

      Sir Doughty zwinkerte Hasard vertraulich zu. Dann winkte er seinen beiden Begleitern und verließ mit ihnen das Schiff.

      Hasard begleitete ihn bis zur anderen Galeone, die Höflichkeit verlangte diese Geste von ihm. Dann kehrte er zum Quarterdeck und zu seinen Männern zurück. Er hörte, wie die Karosse mit Sir Thomas Doughty davonfuhr, und gleichzeitig grübelte er darüber nach, woher dieser Mann seine umfassenden Informationen haben mochte. Wußte Doughty, daß die „Isabella“ dreißig Tonnen Silberbarren in ihrem Bauch hatte? Hatte er auch von den Karten Kenntnis erhalten?

      Hasard dachte den Gedanken nicht zu Ende. Er ging in seine Kammer im Achterkastell der „Isabella“ und tauchte erst nach gut zwei Stunden wieder an Deck auf.

      Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Jetzt konnten sie tun, was sie wollten – die Karten würden sie nur noch entdecken, wenn sie die „Isabella“ auseinandernahmen.

      7.

      O’Moore hatte alles gehört, was er wissen mußte. Niemand hatte sich um ihn gekümmert, die Abfahrt von Sir Thomas Doughty hatte die allgemeine Aufmerksamkeit völlig in Anspruch genommen.

      O’Moore und sein Partner Neil Griffith hatten keine Sekunde verloren. Kurz nachdem Doughty mit seinen Begleitern davongefahren war, hatten auch diese beiden dunklen Ehrenmänner die „Mill Bay Inn“ verlassen.

      Die schmalen Lippen O’Moores wirkten noch verkniffener als sonst, als sie die Mill Bay Road entlangeilten, vorbei an der „Bloody Mary“, in der gerade jener rätselhafte Besuch Sir Doughtys auf der „Isabella“ lautstark diskutiert wurde.

      „Wir werden auf diesen Killigrew gut aufpassen müssen, Neil“, sagte O’Moore unvermittelt. „Dieser Kerl ist ein noch viel härterer Brocken, als ich gedacht habe. Nicht einmal Francis Drake hätte es gewagt, so mit diesem Doughty umzuspringen. Ich denke, wir werden noch eine Menge Ärger kriegen, ehe dieser Bursche uns die Seekarten herausrückt.“

      Neil Griffith nickte. „Das mit Doughty war nicht nur Mut, das grenzte schon fast an Dummheit. Natürlich ist Killigrew nicht dumm, aber er hat offenbar nicht die geringsten Erfahrungen mit Leuten wie Doughty. Ich bin nur nicht sicher, ob wir ihm Gelegenheit geben werden, noch diesbezügliche Erfahrungen zu sammeln. Und auch zu dem Rendezvous mit der schönen jungen Lady wird er wohl leider nicht mehr kommen – dabei hätte ich ihm zumindest das noch gegönnt.“

      Neil Griffith lachte, aber sein Kumpan ging auf sein Gerede nicht ein. Er hatte keine Zeit dazu und auch nicht den Nerv. Sie mußten sich höllisch beeilen, wenn ihr Plan gelingen sollte. Vor allem brauchten sie jetzt eine Kutsche, die einigermaßen gut aussah, und dazu mußten sie in die Stadt. Die paar Kaleschen, die es hier im Hafenviertel gab, taugten für ihre Absichten nicht.

      Es vergingen fast eineinhalb Stunden – aber dann hatten sie gefunden, wonach sie suchten. Es war eine stattliche Kutsche, die vor einem herrschaftlichen Haus offenbar auf Fahrgäste wartete.

      O’Moore und Griffith brauchten keine langen Worte miteinander zu wechseln, jeder von ihnen wußte, was er zu tun hatte.

      Der Kutscher saß auf dem Bock und döste vor sich hin. Er hatte den Mantelkragen hochgeschlagen, denn der Wind, der durch die engen Straßen der Hafenstadt pfiff, war kalt. Er war bestellt worden – daß er trotzdem sicher noch eine ganze Weile würde warten müssen, daran war er bei den hohen Herrschaften längst gewöhnt. Es machte ihm nichts aus, denn eine Fahrt mit solchen Gästen pflegte sich weitaus mehr zu lohnen als irgendeine andere.

      O’Moore warf einen Blick auf das Haus, dessen Fenster erleuchtet waren und deren warmes Licht durch die Dunkelheit zu ihm herüberschimmerte.

      Dann trat er von der Seite her an die Kutsche heran. Er sah, wie Neil Griffith ebenfalls neben dem Kutschbock auftauchte, in der Hand einen kurzen, kräftigen Knüppel.

      O’Moore rief den Kutscher an. Unwillkürlich fuhr der dösende Mann hoch und beugte sich zu ihm hinunter. In diesem Moment traf ihn der Schlag Griffiths auf den Kopf. Lautlos sackte der Kutscher in sich zusammen.

      Alles weitere ging sehr schnell. Neil Griffith fing den Mann auf und warf ihn in die Kutsche. O’Moore stieg ein, Griffith warf hinter seinem Kumpan die Tür zu. Dann schwang er sich auf den Bock, ein kurzer Ruck mit den Zügeln, ein Schnalzlaut zu den Pferden, und die Kutsche setzte sich in Bewegung.

      Unterdessen fesselte O’Moore den Kutscher sorgfältig und knebelte ihn. Am Stonehouse Mill Pond, einem breiten Wasserarm, der sich weit in die Stadt hineinzog, stoppte Neil Griffith die Kutsche und sprang vom Kutschbock.

      „Los, pack schon an!“ zischte O’Moore ihm zu und schob den Bewußtlosen aus der Kutsche. Neil Griffith fing ihn auf, hob ihn hoch, lief die wenigen Schritte bis zum Stonehouse Mill Pond hinüber und warf den Kutscher über das Geländer.

      Ein dumpfes Klatschen, das durch den heulenden Wind zu ihm heraufdrang, sagte ihm, daß sie zumindest von diesem Mann keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten hatten.

      „Erledigt“, teilte er O’Moore nur kurz mit, dann schwang er sich wieder auf den Kutschbock und trieb die Pferde an.

      Es galt jetzt, die Mill Bay so rasch wie möglich zu erreichen. Wenn das gelang, dann würde dieser Philip Hasard Killigrew, ohne Verdacht zu schöpfen, in die Falle tappen, die sie ihm gestellt hatten.

      Dan erspähte die Kutsche, als sie durch die Mill Bay Road fuhr und zur Pier abbog.

      Er konnte das allerdings vom Quarterdeck aus nicht allzugut sehen, und so stürmte er zum Achterkastell hinüber, von wo aus er einen wesentlich besseren Überblick hatte. Er lief an die Reling und beugte sich weit vor, als wenn ihm das etwas nutzen könnte. Seine Hände krampften sich dabei um das harte, vom Seewasser gebeizte Holz.

      Aus schmalen Augen fixierte er die Kutsche, die jetzt auf die beiden Galeonen zuschwankte und über das Kopfsteinpflaster der Pier rumpelte. Und dies gefiel ihm so wenig, daß er fast einen Wutanfall kriegte.

      Hasard, der in diesem Moment seine Kammer verlassen hatte und ebenfalls das Achterkastell betrat, sah, wie Dan vor Zorn mit dem Fuß auf das Deck stampfte.

      Mit einigen Schritten war er bei ihm.

      „He, Dan, was gibt es denn?“ fragte er und blickte gleichfalls auf die Pier hinüber, wo die Kutsche gerade vor den beiden Schiffen stehenblieb.

      Dan drehte sich blitzartig um. Dabei schoß er wütende Blicke auf Hasard ab.

      „Was los ist?“ fragte er in einem Ton, der Hasard unwillkürlich die Kopfhaut kribbeln

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