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Stunde geschlafen, aber er schuftete unentwegt, trieb seine Männer dabei noch an. Sie verschalkten die Luken, sicherten die Kanonen und Drehbassen durch weitere Brooktaue und zusätzliche Augbolzen, die sie mit wuchtigen Schlägen in das starke Holz des Hauptdecks trieben. Eine andere Gruppe sicherte die Silberbarren im Rumpf des Schiffes. Jedermann wußte, daß es das Ende der „Isabella“ bedeuten würde, wenn diese dreißig Tonnen während des Sturms verrutschten und übergingen.

      Hasard hatte sich nicht verschätzt. Fast auf die Minute genau pfiff die erste Sturmbö von achtern heran. Sie heulte durch das Rigg, ließ die Wanten und Pardunen unter dem plötzlichen Druck ächzen und trieb die Galeone mit solcher Gewalt durch die Wogen, daß das ganze Vorschiff von den gischtenden Wassermassen begraben wurde.

      Dieser ersten Bö folgte eine zweite, und mit ihr jagten die ersten schweren Regenwolken heran.

      Auf dem ganzen Schiff hatte Ben Brighton Strecktaue spannen lassen, an denen die Männer bei plötzlich über die Galeone hereinbrechenden Seen Halt fanden.

      Hasard blickte skeptisch achteraus. Er fürchtete die grobe, von achtern anlaufende See fast noch mehr als die Gewalt des Sturmes, der nun über sie hereinbrach. Er wußte, solange die „Isabella“ genügend Fahrt lief, konnte dem Schiff nicht allzuviel passieren. Ihr massiger Rumpf, ihre starken Verbände würden den Seen und Brechern trotzen. Aber wenn das Schiff aus dem Ruder lief, wenn es sich querlegte zur achterlichen See – dann wurde es dort gefährlich. Flüchtig dachte er daran, daß die dreißig Tonnen Silber tief unten im Rumpf der „Isabella“ eine Menge Stabilität verliehen.

      Wieder heulte eine Sturmbö heran. Unwillkürlich klammerte sich Hasard an einem der Strecktaue fest. Er sah, wie die Bö in die Takelage fuhr, wie sich unter ihrem Druck die Segel weit nach vorn wölbten – dann gab es über ihm ein berstendes Geräusch. Sein Kopf flog in den Nacken – und er sah gerade noch, wie das Großsegel knallend aus den Lieken riß, wie es knatternd an den Rahen hing.

      Kommandos gellten über Deck, Männer enterten die Wanten auf. Der Sturm zerrte an ihrer Kleidung, drückte sie immer wieder in die Wanten zurück, machte es ihnen fast unmöglich, auf die Großrah zu gelangen und die Überreste des zerfetzten Segels zu bergen.

      Die „Isabella“ stampfte durch den Aufruhr der Elemente. Manchmal, wenn eine See sie seitlich packte, holte die Galeone weit über. Brecher überfluteten das Mitteldeck, sprangen bis zum Quarterdeck hinauf, überschütteten sogar das Achterkastell. Das Vorschiff tauchte immer wieder tief in die See ein, die Seen schlugen in die Blinde und begruben den Bugspriet unter ihren Wassermassen.

      Dan kauerte zusammen mit anderen Männern auf dem Quarterdeck. Er gehörte zur Backbordwache Smokys, während Ben Brighton die Steuerbordwache befehligte. Pete Ballie, der zusammen mit einem anderen Mann am Kolderstock stand, spuckte fluchend Seewasser, wenn eine der Wogen die „Isabella“ überrollte.

      Die einzelnen Sturmböen hatten sich längst zu einem pausenlos aus Südwest heranheulenden Orkan vereinigt. Hasard hatte alles an Segeln bergen lassen, was nicht unbedingt für die Manövrierfähigkeit der „Isabella“ benötigt wurde. Die Galeone lenzte vor dem Sturm und lief mit der Fock immer noch gute Fahrt.

      Die Männer an Bord waren todmüde, total überanstrengt und hungrig wie die Wölfe. Der Kutscher in seiner Kombüse bemühte sich redlich, etwas für die Männer zu tun, aber er konnte es nicht riskieren, bei diesem Wetter Feuer in der Kombüse zu entfachen. Er gab lediglich kaltes Salzfleisch und salzwassergetränkten Schiffszwieback aus.

      Aber die Männer murrten nicht. Irgendwie hatte sich jeder von ihnen einen einigermaßen windgeschützten Platz hinter dem Schanzkleid gesucht. Sie hockten in ihren nassen Sachen da und warteten, daß der Sturm nachließ. Die meisten von ihnen wußten, daß Stürme im Kanal ebenso schnell wieder gingen, wie sie kamen.

      Hasard stand seit Stunden in der Nähe des Kolderstocks. Immer wieder gab er Pete Ballie und seinem Gehilfen die notwendigen Kommandos. Schon glaubte er, ein Nachlassen des Sturms zu spüren, als er von achtern eine turmhohe Woge heranrollen sah. Weiß leuchtete ihre Gischtkrone zu ihm herüber. Ihm erschien es in diesem Moment, als blecke die See ihre Zähne, als bereite sie sich eben genüßlich darauf vor, die „Isabella“ und ihre Mannschaft endgültig zu verschlingen.

      Hasard schrie eine Warnung über Deck. Der Sturm trug seine Stimme zu den Männern hinüber. Hasard sah noch, wie Dan zu einem der Strecktaue hechtete und sich festklammerte.

      Dann war die Woge heran. Ihr Brausen erfüllte das ganze Schiff, machte jede Verständigung unmöglich. Hasard wußte, wer jetzt nicht festhielt, der war verloren.

      Er sah den gläsernen grünen Berg auf sich zurollen und spürte, wie die Woge das Schiff anhob, wie dann ihre Wassermassen das Achterkastell unter sich begruben, wie sie über das ganze Schiff sprangen und es tief in die See drückten.

      Dann war um Hasard nichts mehr als die zerrende, wirbelnde, brüllende grüne Hölle, die ihn mit sich fortreißen wollte, die ihm den Atem nahm.

      Neben ihm begrub sie Pete Ballie unter ihren Wassermassen und schleuderte seinen Gehilfen vom Kolderstock hinweg gegen eine Bohle.

      Dann wurde es plötzlich wieder hell. Rauschend liefen die Wassermassen durch die Speigatten ab, die Galeone richtete sich langsam wieder auf, die Männer rangen verzweifelt nach Luft.

      Hasard sah, wie der riesige Ferris Tucker Dan in letzter Sekunde gepackt und gegen seinen mächtigen Körper gedrückt hatte. Er schüttelte sich eben wie ein nasser Hund.

      Er ließ Dan los und winkte Hasard zu.

      „Ich glaube, jetzt haben wir das Schlimmste hinter uns!“ röhrte er über das Deck. „Ho, Männer, seht nach, ob die See noch etwas an unserem Schiff ganz gelassen hat!“

      Das Bürschchen grinste Hasard an, und dann rannte es – immer noch Salzwasser spuckend – hinter Ferris Tucker her.

      Die „Isabella“ hatte auch diese See fast ohne Schaden überstanden. Etwas Wasser war ins Zwischendeck eingedrungen, hatte die Blinde aus den Lieken gefetzt und eins der Fenster über der Heckgalerie zerschlagen.

      Ferris Tucker und Ben Brighton gingen mit ihren Männern sofort an die Arbeit.

      Es war, als habe der Orkan mit dieser gewaltigen See wirklich seinen letzten Versuch unternommen, die Galeone in sein nasses Reich zu holen. Innerhalb der nächsten Stunde flaute er merklich ab. Auf grober See, die sich nach und nach in eine hohe achterliche Dünung verwandelte, rollte die „Isabella“ mit schäumender Bugwelle nach Nordosten, endgültig Plymouth entgegen.

      Hasard ließ Rum an die erschöpften Männer ausgeben, dann schickte er jeden unter Deck, der nicht unbedingt für das Schiff gebraucht wurde. Er selbst blieb an Deck. Er wollte die allerletzten Stunden ihrer Heimreise jetzt auch noch durchstehen.

      Unter Vollzeug pflügte die „Isabella von Kastilien“ durch den Ärmelkanal. Das Schiff hatte nahezu direkten Kurs auf Plymouth, der steife und stetig wehende Wind aus Südwest ermöglichte das. Und doch ahnte keiner an Bord des Schiffes, wie sehnsüchtig die „Isabella“ bereits in Plymouth erwartet wurde.

      Die Flucht der Galeone von der Reede von Cadiz hatte bei den Spaniern mächtig Staub aufgewirbelt. Mehr noch – sie hatte die Flotte Seiner spanischen Majestät, Philipp II., geradezu geschockt. Denn mit der „Isabella von Kastilien“ war nicht allein Capitan Romero Valdez verschwunden, sondern auch die äußerst wichtigen und nicht mit einer Ladung Gold aufzuwiegenden Seekarten, die Valdez der spanischen Krone hatte übergeben sollen – von den dreißig Tonnen Silberbarren, ebenfalls für die spanische Krone bestimmt, ganz zu schweigen.

      Hasard, der die Wichtigkeit dieser Karten sofort erkannt hatte, hütete sie wie seine Augäpfel. Niemand an Bord der „Isabella“ wußte etwas von der Existenz dieser Seekarten von den Küsten der neuen Welt – nicht einmal Ben Brighton, Ferris Tucker oder Donegal Daniel O’Flynn. Jedermann an Bord wußte zwar, daß sie eine Kassette mit äußerst wertvollem Schmuck erbeutet hatten. Ben Brighton, der Bootsmann der „Isabella“, hatte sogar Kenntnis davon, daß die Schmuckversion nicht stimmte und der Inhalt dieser Kassette so wichtig war, daß Hasard sie nur Kapitän

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