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Mann war niemand anderes als Uluch Ali, nach Chaireddin einer der berüchtigsten Seeräuber des Mittelmeers, der den Christen bei der Seeschlacht von Lepanto 1571 ein erbittertes Gefecht geliefert und sogar eine christliche Standarte erobert hatte. Seitdem hatte er bei den Türken Narrenfreiheit. Inzwischen war er zwar alt geworden und fuhr nicht mehr zur See, aber er verfügte über eine Piratenflotte, die er auf lohnende Ziele, die ihm von Spionen gemeldet wurden, ansetzte.

      Die Venezianer, die ja bei der Schlacht von Lepanto einen wesentlichen Anteil der abendländischen Schiffe gestellt hatten, vorwiegend Galeassen, zählten gewissermaßen zu den Erzfeinden Uluch Alis, und so war es nur zu verständlich gewesen, daß er die „San Marco“ hatte angreifen und zusammenschießen lassen. Jetzt wartete er in seiner Residenz auf die fette Beute, deren Ablieferung seiner Überzeugung nach nur noch die Sache von ein, zwei Tagen sein konnte.

      Er hatte seinen Sitz abwechselnd in Tunis und auf der Insel Dscherba sowie in Tripolis und Benghasi, die wichtigsten Häfen an der nordafrikanischen Küste waren also fest in seiner Hand.

      Daß eine fremde Sambuke, besetzt augenscheinlich mit Giaurs, offenbar der gesunkenen Galeone zu Leibe rücken wollte, hatten Hamed und Omar, die Späher der Piraten, am 1. Juni entdeckt. Sie waren von den Seewölfen nicht bemerkt worden und hatten sich außerordentlich gut zu verstecken gewußt, wie er auch jetzt alles tat, um von den „weißen Hunden“ nicht gesehen zu werden.

      Sie waren auf ihren Kamelen sogleich nach El Amaid zurückgekehrt und hatten Mulley Salah und seine Kumpane alarmiert. Diese waren daraufhin sofort mit zwei Küstenseglern und einem Landtrupp von Kamelreitern – zu dem auch Hamed und Omar gehört hatten – zu der Bucht bei Ras el Kanais aufgebrochen, um den Christenhunden das Fürchten beizubringen. Damit hatte es aber nicht so recht geklappt, das Gegenteil war der Fall gewesen.

      Gleich mehrere Kameltreiber waren von ihren Tieren gefallen, die anderen waren abgesprungen und hatten mit Pfeil und Bogen auf die „verfluchten Giaurs“ geschossen. Diese hatten mit Musketen zurückgefeuert und auch gleich wieder getroffen, dann hatten sie an Bord der Sambuke die Segel gesetzt und mit halbem Wind ostwärts die Bucht ausgesteuert, dann gewendet und Kreuzschläge in nördlicher Richtung gefahren.

      Die Küstensegler der Piraten hatten zwar versucht, sie in die Zange zu nehmen. Muley Salahs Kumpane waren mit wilden Rufen hinter den Verschanzungen aufgetaucht, hatten ihre Messer und Krummsäbel geschwungen und mit Pfeil und Bogen sowie mit Armbrüsten auf den Feind geschossen. Das Ende dieses Gefechts war gewesen, daß die Giaurs die Küstensegler versenkt hatten. Sie hatten sich unheimlicher Wurfgranaten bedient, die auch im Wasser noch explodierten. Auch jetzt vermochte sich Hamed nicht zu erklären, was das für Wunderwaffen waren. Er kannte zwar das berüchtigte griechische Feuer und wußte auch, daß die Christen mit phantasiereichen Erfindungen wie mehrläufigen Gewehren und Pistolen herumprahlten, aber einen Feuerzauber wie den in der Bucht von Ras el Kamais hatte er noch nicht erlebt.

      Trotz dieser Niederlage gaben die Piraten noch nicht auf – nicht zuletzt auch aus Angst vor Uluch Ali, der unbarmherzig Köpfe rollen ließ, wenn seine Seeräuber-Kapitäne einen Mißerfolg zu verzeichnen hatten.

      Doch keiner der Piraten ahnte, wer die „ungläubigen Christenhunde“ an Bord der Sambuke waren. Hätten sie es gewußt, hätten sie einen Grund mehr gehabt, blutige Rache zu üben. Uluch Ali war ein alter Feind der Seewölfe: 1580 hatte Philip Hasard Killigrew es fertiggebracht, seinen Vater, Godefroy von Manteuffel, von der Piraten-Galeere zu befreien, wo dieser ein erbärmliches Dasein als Rudersklave gefristet hatte.

      Der Seewolf hatte Uluch Ali in einem furchtbaren Säbelduell besiegt, schwer verletzt war Ali außenbords geflogen. Er hatte aber überlebt. Eine derartige Niederlage hatte er noch nie hinnehmen müssen, die Erinnerung daran gärte noch heute in ihm, und immer, wenn er daran zurückdachte, konnte es ihm schlecht werden vor Wut und Haß.

      Die Seewölfe wußten von all diesen Zusammenhängen nichts und wähnten sich völlig sicher, zumal sie davon überzeugt waren, ihren unbekannten Gegner total abgeschlagen zu haben. Zwar hielten sie immer wieder nach allen Seiten Ausschau, konnten aber keine Verfolger erspähen.

      „Keine Mastspitzen an der Kimm“, sagte Bob Grey, der zum wiederholten Mal nach achtern Ausschau gehalten hatte. „Keine Fühlungshalter – die Kerle scheinen von uns wirklich die Nase voll zu haben.“

      Sam Roskill schob den Messingkieker zusammen, durch den er das Ufer längere Zeit über beobachtet hatte.

      „Auch an Land tut sich nichts“, meldete er. „Keine Kamele, keine Reiter, die zu uns herüberstarren. Da drüben ist alles tot. Gut so, nicht?“

      „Ausgezeichnet“, erwiderte Ben. „Wir können uns in aller Ruhe nach einem Ankerplatz für die Nacht umsehen. Ich glaube nicht, daß wir wieder Ärger kriegen, aber wir sollten trotzdem auf der Hut sein. Erinnert ihr euch noch an unsere Fahrt nach Damiette?“

      „Natürlich“, brummte Old O’Flynn. „Plötzlich waren diese Bubastis-Muselmanen wieder da wie der Satan höchstpersönlich, aber wir haben es ihnen ja trotzdem ganz schön gegeben. Vielleicht sollten wir doppelte Ankerwachen einteilen, Ben.“

      „Ja. Genau das werden wir tun.“

      Damit war die Unterhaltung vorerst wieder beendet, und die Männer beschäftigten sich in ihren Gedanken mit Old England, mit der „Bloody Mary“ und mit dem dicken Plymson, als wären sie schon fast da und brauchten nur noch den Ärmelkanal zu überqueren.

      Hamed, den Kamelreiter, der ihnen beharrlich folgte, sahen sie nicht. Er verhielt sich nach wie vor sehr geschickt und nutzte jede Deckung aus. Er konnte auch hinter Felsen weit vorausreiten und brauchte, an irgendwelchen Kaps verborgen, nur zu warten, bis die Männer in der Sambuke aufgesegelt waren.

      Hamed hatte die Abwehr der Seewölfe als einziger Mann des Kamelreitertrupps unverletzt überlebt und seine Chance, der Sambuke doch noch folgen zu können, sofort wahrgenommen. Daher wußte er nicht, ob sich von den Küstenseglern auch jemand hatte retten können und war über das Schicksal seiner Kumpane nicht im Bilde. Er sollte in dieser Hinsicht noch eine Überraschung erleben.

      Ben Brighton hatte also, solange er nichtsahnend in Sichtweite der Küste segelte, einen Fühlungshalter. Leider ging er nicht weiter auf die See hinaus, weil er nicht unbedingt in einen Sturm geraten wollte. An der Küste konnte er bei schwerem Wetter oder gar Sturm den Leeschutz einer Bucht aufsuchen, an denen es hier nicht mangelte.

      An und für sich war dies seemännisch durchaus in Ordnung – nur in diesem Fall war es falsch, da er und seine Kameraden den Feind im Nakken hatten.

      Der Wind war günstig und wehte leicht bis mittel aus Nordosten. Ben wartete den Nachmittag ab, bis er sich über die weiteren Wetterverhältnisse ziemlich im klaren sein konnte.

      Dann sagte er plötzlich: „Wißt ihr was? Wir sollten den Wind ausnutzen und in dieser Nacht nicht ankern. Wir könnten mit vierstündiger Wachablösung durchsegeln, eine Wache unter meinem Kommando, die andere unter Donegals Befehl. Was haltet ihr davon?“

      „Eine Menge“, entgegnete der alte O’Flynn. „Je schneller wir vorankommen, je mehr Abstand wir zwischen uns und dieses Scheißafrika bringen und je kürzer die Entfernung nach England wird, desto besser sieht es für uns aus.“ Er drehte sich zu den anderen um. „Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“

      „Das hast du“, sagte Smoky grinsend. „Und ich schätze, wir schließen uns deiner Meinung an.“

      „Jawohl“, sagte Al Conroy. „Oder hat etwa jemand Bedenken anzumelden?“

      Das hatte niemand, und so lief die Sambuke keine der Buchten an, die sie an diesem späten Nachmittag passierte. Die Dunkelheit setzte ein und senkte sich auf den Zweimaster und seine Besatzung, der Himmel war mit glitzernden Punkten durchwirkt, und der Wind blies weiterhin beständig aus Nordosten. Für die Seewölfe wurde es eine beschauliche Nachtfahrt, die Stimmung an Bord blieb weiterhin prächtig.

      2.

      Hamed fuhr abrupt im Sattel seines Kamels

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