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Luft zu holen. Einmal bereits hatten sie die Köpfe aus dem Wasser gestreckt, waren aber, sehr zum Leidwesen Old O’Flynns, sofort wieder weggetaucht. Jetzt aber war es an der Zeit für ein weiteres Luftschnappen.

      „Wenn die Rübenschweine diesmal wieder wegtauchen wollen, halte ich sie an den Leinen fest“, prophezeite Old Donegal. „Erst sollen sie mal sagen, was da unten los ist, dann können sie meinetwegen wieder verschwinden.“

      „Aber, aber, Donegal“, sagte Ben Brighton, „du wirst uns doch hoffentlich nicht vor Neugierde platzen. Von dieser Seite kenne ich dich noch gar nicht.“

      „Neugierde? Sagtest du Neugierde?“ Der Alte warf Ben einen strafenden Blick zu. „Ho, Mister Brighton, du wirst doch wohl nicht behaupten wollen, ich sei neugierig! No, Sir, nicht die Spur bin ich das! Was du in deinem jugendlichen Leichtsinn als Neugierde bezeichnest, ist nichts anderes als Gemeinschaftssinn, jawohl, genau das ist es! Schließlich haben wir nicht jeden Tag das Vergnügen, Schätze vom Meeresgrund heraufzuholen. Und wenn das schon einmal der Fall ist, dann liegt das in unser aller Interesse.“

      Ben Brighton grinste. „So also ist das. Gut, daß mir endlich mal jemand verklart, was Gemeinschaftssinn ist! Ich hab das bisher doch glatt mit Neugierde verwechselt. Außerdem wußte ich gar nicht, daß man euch damals auf der ‚Empreß of Sea‘ so eine gewählte Ausdrucksweise beigebracht hat. Und woher weißt du übrigens, daß Schätze da unten in dem Wrack liegen? Hängt dieses Wissen vielleicht wieder mit deinem Holzbein zusammen, he?“

      Die Männer lachten über das verdutzte Gesicht des Alten, und für einen Moment verschwand sogar die Spannung, die bis jetzt in ihren Gesichtern gelegen hatte. Doch als plötzlich kräftig an den Leinen geruckt wurde, verstummten sie augenblicklich.

      „Aha, jetzt ist es so weit“, sagte Old O’Flynn befriedigt. Dann begann er eilig, die Leine einzuholen, die er zu überwachen hatte.

      Smoky und Pete Ballie waren rasch an der Oberfläche – und sie erschienen nicht mit leeren Händen. Doch das, was sie mitbrachten, löste beileibe nicht die Spannung unter den Seewölfen, sondern heizte sie nur noch kräftig an.

      „Fang mal, Mister O’Flynn!“ rief Smoky mit nassem, aber lachendem Gesicht. Im selben Moment flog ein kleiner, glitzernder Gegenstand durch die Luft und kullerte auf die Planken der Sambuke.

      Al Conroy bückte sich als erster danach und hielt gleich darauf das blitzende und funkelnde Ding in der Hand. Er stieß einen lauten Pfiff durch die Zähne.

      „Bei allen Kameltreibern des Orients!“ rief er. „Ich reite auf einem Hering durch das Mittelmeer, wenn das kein Edelstein ist!“

      Die übrige Crew sah ihn überrascht an, obwohl jeder im stillen lohnende Funde erhofft hatte. Old O’Flynn gewann als erster wieder seine Fassung.

      „Na, was habe ich die ganze Zeit gesagt, Gentlemen?“ rief er mit einer Portion Stolz in der Stimme. „Da gibt es bestimmt noch mehr zu holen.“ Er wandte sich Smoky und Pete Ballie zu, die sich die Lungen mit Luft vollpumpten. „Was wartet ihr noch, ihr Lahmärsche? Los, wieder runter mit euch, und bringt beim nächstenmal gefälligst ein paar mehr von diesen hübschen Klunkerchen mit. Hurtig, hurtig!“

      Ben Brighton mußte den Eifer des Alten wieder einmal abbremsen.

      „Nur langsam, Donegal“, sagte er mit ruhiger Stimme, „laß die beiden erst einmal tief durchatmen. Schließlich steht niemand mit der Neunschwänzigen hinter uns, um uns anzutreiben.“

      „Genau!“ pflichtete ihm Al Conroy bei. „Laß sie erst mal erzählen, was sie alles entdeckt haben. Vielleicht haben sie sogar ein paar nette Ohrringe für dich gefunden – aus Gold, versteht sich. Wir machen dann eine hübsche Lady aus dir.“

      Das Lachen der Seewölfe ging jedoch schnell in ein andächtiges Staunen über, als Smoky und Pete Ballie zu berichten begannen.

      Sam Roskill und Bob Grey, die als erste zu der wracken Galeone hinabgetaucht waren, hatten sich nicht geirrt. Die Kisten, Truhen und Fässer, die sie im zerborstenen Leib der „San Marco“ entdeckt hatten, waren tatsächlich nicht leer. Smoky und Pete Ballie war es gelungen, einige der Truhen zu öffnen, die in den Räumen unter dem Achterkastell verstaut waren. Fast hätten sie vor lauter Überraschung Wasser geschluckt, als sie den Inhalt erblickten. Zum Glück jedoch hatten sie sich rasch wieder daran erinnert, daß sie sich ein ganzes Stück unter der Wasseroberfläche befanden.

      Die Kisten und Truhen waren vollbepackt mit Gold- und Silberschmuck, mit Edelsteinen, Perlen und zahlreichen anderen Wertgegenständen. Die „San Marco“ mußte tatsächlich eine schwimmende Schatzkammer gewesen sein.

      Die Männer gerieten in helle Aufregung. Die Schätze würde man bergen, das war keine Frage mehr für sie.

      Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, zitierte, wohl zum erstenmal in seinem Leben, seine Großmutter.

      „Oft liegt das Geld auf der Gasse, man braucht sich nur danach zu bükken“, sollte die selige Lady des öfteren gesagt haben.

      Doch ganz so einfach war der Fall hier an der nordafrikanischen Mittelmeerküste keineswegs.

      „Sagen wir lieber, manchmal liegt es auf dem Meeresgrund, man braucht nur danach zu tauchen“, korrigierte Ben Brighton. „Vorausgesetzt, es tauchen keine Dreiecksflossen auf. Wenn in dieser Hinsicht keine Gefahr besteht, können wir es ja versuchen.“

      An Bord der Sambuke herrschte im Handumdrehen ein reges Treiben. Niemand störte sich mehr an den sengenden Strahlen der Sonne, die ihnen immer wieder den Schweiß in die Gesichter trieb. Alle waren plötzlich nur noch von dem einen Gedanken besessen, die gewaltigen Schätze der venezianischen Galeone aus der Tiefe zu holen. In den Laderäumen der Sambuke gab es genug Platz dafür.

      Schon bald herrschte auf dem Zweimast-Segler ein reger Betrieb. Die Seewölfe tauchten wie die Irren, und diese Arbeit war beileibe kein Zuckerschlekken. Brauchten zwei Männer etwas Ruhe und frische Luft, waren sofort zwei andere an der Reihe. Und nie kehrten sie mit leeren Händen zurück.

      Gegen Mittag ordnete Ben Brighton eine längere Ruhepause an, damit sich die strapazierten Lungen der Taucher etwas erholen konnten. Old O’Flynn, der zusammen mit Will Thorne an den Leinen auf Station war, weil sie beide etwas zu alt für die anstrengenden Tauchgänge waren, hatte dafür kein allzu großes Verständnis.

      „Die jungen Heringe haben keine Ausdauer mehr“, sagte er. „Außerdem hat vom Tauchen noch niemand eine Lungenschwindsucht gekriegt.“

      Doch schließlich hatte auch er nichts dagegen einzuwenden, daß sich Will Thorne in seine Kombüse verholte, um ein Mittagsmahl zuzubereiten. Wenn all das Gold und die Edelsteine noch so betörend funkelten – satt wurde man davon jedenfalls nicht, wenn der Magen kräftig zu knurren begann.

      Wenn sie die gesamten Schätze der „San Marco“ bergen wollten, dann lag noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor ihnen, darüber waren sie sich im klaren. Nun war es schon fast Mittag geworden, und sie hatten erst ein knappes Viertel vom Inhalt der Truhen und Kisten an Bord der Sambuke geschafft. Dabei hatten sie Segeltuchsäcke zu Hilfe genommen. Dennoch war die Taucherei bis jetzt eine ziemlich anstrengende und mühsame Arbeit gewesen, und fast alle waren froh über die Ruhepause, auch wenn sie das nicht zugaben.

      Die Männer hatten sich einfach auf die Decksplanken fallen lassen und reckten genüßlich alle viere von sich. Trotz des Ruhebedürfnisses ebbten jedoch die Gespräche und Debatten über die „San Marco“ und ihre Schätze nicht ab.

      Der einzige, der schon eine Weile schwieg, war Al Conroy, der altbewährte Waffenmeister der verlorenen „Isabella“. Er starrte schon eine Zeitlang reglos zum blauen Himmel hoch.

      „Was gibt’s denn da oben?“ fragte Pete Ballie, dem das lange Schweigen merkwürdig erschien. „Hast du etwa eine Verabredung mit einem blonden Engelchen, das dir von einer Wolke aus zugewinkt hat?“

      Al Conroy nahm seine Frage jedoch nicht zur Kenntnis. Plötzlich richtete er sich ruckartig auf.

      „Ich hab’s!“ sagte er. „Jawohl, ich hab’s!“

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