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Schatzgaleone“, sinnierte er, „o heiliger Patrick, das wär doch mal was zur Abwechslung, oder? Schon vorhin habe ich so ein verdächtiges Kribbeln in meinem Holzbein verspürt, und ich sage euch, das hat was zu bedeuten. Wir sollten den Kapitän des Schiffes da unten wirklich mal fragen, ob wir an Bord kommen dürfen. Er kann ja nun mit all seinem Zaster wirklich nichts mehr anfangen.“

      Ben Brighton, der zunächst ein skeptisches Gesicht gezogen hatte, lächelte jetzt.

      „Na gut“, sagte er. „Ich sehe schon an euren lüsternen Blicken, was die Stunde geschlagen hat. Ich würde zwar lieber weitersegeln, denn wir haben ja ein Ziel vor Augen, aber wenn ihr der Meinung seid, daß euch hier was in den Schoß fallen könnte – mir soll es recht sein. Das Kribbeln in Donegals Holzbein kann mich zwar nicht überzeugen, aber wer weiß, vielleicht hat ihm doch irgendein Wassermann was zugeflüstert.“

      Old Donegal Daniel O’Flynn grinste überlegen.

      „Laß nur mein Holzbein in Frieden“, sagte er. „Bis jetzt habe ich mich immer darauf verlassen können. Außerdem muß ja sowieso noch jemand runter, oder wollt ihr vielleicht unseren guten alten Stockanker da unten lassen und warten, bis die Trosse in den nächsten hundert Jahren langsam durchfault?“

      „Du hast schon recht, Donegal“, erwiderte Ben Brighton. „Von mir aus kann’s losgehen. An mir soll es jedenfalls nicht scheitern.“

      Die Sonne war inzwischen ein Stück höher geklettert, und ihr Lichteinfall hatte sich verstärkt. Die Handvoll Seewölfe, die sich unternehmungslustig über das Schanzkleid der Sambuke beugte, konnte jetzt sogar verschwommen die Umrisse der wracken Galeone erkennen. Sie lag auf dem Kiel und hatte sich nur leicht nach Backbord geneigt. Alles in allem handelte es sich, soweit sich das Wasser mit Hilfe des Sonnenlichtes „durchschauen“ ließ, um einen ziemlichen Brocken.

      Und da juckte es den Männern erst recht in den Fingern.

      Als die Töpfe und Pfannen, in denen Will Thorne ein kräftiges Frühstück zubereitet hatte, geleert waren, ließen sich die Seewölfe nicht mehr aufhalten. Zu groß war der Reiz des Unbekannten, Ungewissen, das da in einer Tiefe von etwa acht Yards verborgen lag.

      Sam Roskill und Bob Grey waren die ersten, die ihr Glück versuchen wollten. Sie hatten sich bis auf die Hosen entkleidet und sich je eine Leine um den Leib geknotet. In ihren Gürteln steckten Messer.

      „Haie haben wir zum Glück keine gesichtet“, stellte Ben Brighton fest. „Trotzdem, achtet auf die vereinbarten Signale. Wir werden inzwischen die Augen offenhalten.“

      „Und vergeßt nicht, den Atem anzuhalten“, ergänzte Old O’Flynn. „Daß man euch Rübenschweinen aber auch alles vorkauen muß!“

      „Wir werden daran denken, Mister O’Flynn“, sagte Bob Grey. „Und sollten wir auf eine junge, hübsche Meerjungfrau treffen; werden wir ihr in deinem Auftrag einen Klaps auf den Achtersteven geben. Ist es so recht?“

      „Recht so, Leute“, bestätigte der Alte, „und bildet euch bloß nichts auf die Taucherei ein. Wenn ich mein Holzbein nicht hätte, würde ich längst keine Maulaffen mehr feilhalten, sondern schon seit einer halben Stunde die Galeone da unten ausräumen. Damals, auf der ‚Empreß of Sea‘, da haben wir …“

      „Schon gut, Donegal“, mischte sich Ben Brighton ein, „wir wissen schon, daß du damals die Haie am Kinn gekrault hast. Doch für heute wollen wir lieber hoffen, daß sie sich woanders herumtreiben. Dir und Will fällt eine wichtige Funktion zu. Ihr beide habt höllisch aufzupassen – einmal auf die Leinen und die vereinbarten Signale und zum anderen auf die Wasserfläche, für den Fall, daß doch ein ungebetener Gast auftauchen sollte.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte der alte O’Flynn. „Eine solche Verantwortung kann man den jungen Hüpfern heute sowieso nicht mehr zutrauen. Die Kerls haben doch nichts als Rum und Weiber im Kopf!“

      „Du hast es wieder einmal erfaßt, Mister O’Flynn“, erwiderte Sam Roskill. „Während wir da unten herumspazieren, werden wir an nichts anderes denken als an die drallen, kreischenden Weiber in der Kneipe des dicken Plymson. Mann, das wird ein Spaß!“

      Mit grinsenden Gesichtern hechteten die beiden Seewölfe über Bord und schossen wie dunkle Schatten in die Tiefe. Natürlich waren sie nicht die einzigen Lebewesen, die flink und zielstrebig durch das Wasser der Bucht von Kanais glitten.

      Fische verschiedener Größenordnungen kreuzten ihren Weg, und da sie den Menschen als Feind noch nicht kannten, störten sie sich wenig an den beiden Tauchern. Neben zahlreichen Meerbarben und Meerbrassen begegneten ihnen Grundeln und Zackenbarsche – vorwiegend also Fischarten, die in den Küstengewässern des Mittelmeeres beheimatet sind. Sam Roskill und Bob Grey waren erstaunt über die Vielfalt der Meeresbewohner, die sie teils argwöhnisch und teils neugierig musterten.

      Das Sonnenlicht drang mittlerweile bis weit unter die Wasseroberfläche, und da die Tiefe hier in Küstennähe nur ungefähr viereinhalb Faden betrug, bot sich den beiden Seewölfen auf dem Meeresboden ausreichende Sicht. Das fiel besonders Sam Roskill auf, der bereits vor dem Frühstück wegen des blockierten Ankers einen ersten Tauchversuch unternommen hatte. Die Lichtverhältnisse kamen ihnen im Hinblick auf ihr Vorhaben sehr entgegen.

      Die beiden Männer erreichten das Wrack fast gleichzeitig. Da sie in etwa abschätzen konnten, wie lange ihr Luftvorrat ausreichen würde, gingen sie rasch und zielstrebig an die Arbeit.

      Die Galeone bot einen düsteren Anblick. Ihr Leib wirkte dunkel und drohend wie ein Ungetüm aus grauer Vorzeit, umgeben von einer Aura des Todes. Im Rumpf klafften riesige Lecks, aus denen zerborstene Planken hervorragten. Die Masten, vor allem der Besan, waren zum größten Teil weggesplittert, deshalb ragten sie trotz der geringen Tiefe, in der die Galeone lag, nicht aus dem Wasser. Teile des Schanzkleides hingen in Fetzen, das Heck war stark zertrümmert. Auf dem mulmigen Grund in der Nähe eines mannhohen Lecks lagen einige Fässer, über die ein Schwarm silbrig glänzender Fischleiber hinwegzog.

      Viele Fragen bewegten sie beiden Männer. Was war das für ein Schiff, und was hatte zu seiner Zerstörung, zu seinem Untergang, geführt? War die Besatzung zugrunde gegangen, oder hatte sie noch schwimmend die Küste erreichen können? Auf all diese Fragen gab es im Moment noch keine Antwort, und die beiden Seewölfe hatten auch nicht die Zeit, sich jetzt, da unten auf dem Meeresgrund, über das Schicksal der Galeone und ihrer Besatzung viel nachzudenken.

      Während Sam Roskill vorsichtig in ein riesiges Loch, das im Heck des Wracks klaffte, einstieg und dabei sorgfältig darauf achtete, daß sich seine Leine, die ihn mit der Sambuke verband, nirgends verfing, entdeckte Bob Grey unter einem grünen Algenteppich verwitterte Buchstaben. Zumindest die ersten beiden Schriftzeichen waren frei von dem rasenartigen Bewuchs.

      Der blonde, drahtige Mann zog sein Messer aus dem Gürtel und schabte, so gut es ging, einen Teil der Algen von der Beplankung. Auf diese Weise konnte das erste Geheimnis des Wracks enthüllt werden.

      Deutlich war der Name des Schiffes zu lesen. Bob Grey war zwar nicht der Größte, was die Kunst des Lesens betraf, aber der Name, der da in verschnörkelten Buchstaben am Rumpf des Wracks stand, lautete ohne Zweifel „San Marco“. Das war ein Schiffsname, wie er häufig von den Veneziern benutzt wurde. Offenbar handelte es sich demnach um eine venezianische Galeone.

      Da laust mich doch ein Affe, durchfuhr es Bob Grey. Wenn es sich hier tatsächlich um ein Schiff aus der Lagunenstadt jenseits des Mittelmeeres handelt, dann ist da auch was zu holen! Die Kauffahrer aus Venedig fahren selten mit leerem Bauch.

      Die Unternehmungslust hatte den braunäugigen Mann gepackt, dennoch spürte er, daß ihm die Luft langsam knapp wurde.

      Aber wo blieb Sam? Hatte er im Heck des Wracks etwas entdeckt? Verdammt, auch ihm mußte doch langsam die Puste ausgehen! Warum war er nicht schon wieder aus dem Schiffsleib aufgetaucht?

      Bob Grey arbeitete sich, so rasch es ging, zu dem riesigen Loch hinüber, in dessen dunklem Schlund Sam Roskill verschwunden war. Im selben Augenblick entdeckte er hinter einer Wolke von aufgewühltem Schlamm die Leine, die von Sams Körper aus nach oben führte. Sie

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