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nur im Sinn, daß wir im Stützpunkt längst überfällig sind.“

      „Womit er meint“, flüsterte Ed Carberry seinem Nebenmann Stenmark zu, „daß er befürchtet, seine liebe Mary, geborene Snugglemouse, könne ihm den Marsch blasen.“

      Old Donegal hörte das Flüstern und warf einen mißtrauischen Blick zu ihnen. Da der Profos aber darauf verzichtete, seine Vermutung laut von sich zu geben, und da Stenmark keine Miene verzog, verzichteten sowohl der Kutscher als auch Old Donegal selbst auf eine erneute Zurechtweisung des Flüsterers.

      In der Tat hatte in den letzten Stunden und Tagen kaum jemand an das eigentliche Ziel gedacht. Auf Andros hatte man die Pfahlbauten des Indianerstammes unter Häuptling Coanabo studieren wollen. Dieser Reisezweck war allerdings nur dem Kutscher und Old Donegal bekannt. Äußerer Grund für den Kurs auf Andros waren die Werkzeuge, die man Coanabo und seinen Männern bringen wollte.

      Daß die Pfahlbauten Vorbild für die neue „Rutsche“ sein sollten, war vorerst ein sorgsam gehütetes Geheimnis zwischen dem Kutscher und Old O’Flynn. Auf Pfählen sollte im Uferwasser der Cherokee-Bucht jenes Bauwerk entstehen, in dem Mary Snugglemouse und der Nachwuchs ihr neues Heim finden sollten, wo ferner die neue Schenke des Alten untergebracht und Ed Carberry der erste sein würde, der durch die neue Rutsche ins Wasser hinuntersauste.

      Eben dies zu verheimlichen, hatten Old O’Flynn und der Kutscher naturgemäß allen Grund.

      „Ich meine, die Sache ist völlig klar“, sagte Old Donegal energisch. „Seit unserem Aufbruch von der Cherokee-Bucht sind jetzt mehr als zehn Tage vergangen. Wir hatten mit Hasard und den anderen aber klar vereinbart, daß wir innerhalb einer Woche zurück sein wollten. Wenn wir sofort zum Stützpunkt zurücksegeln, können wir vielleicht noch verhindern, daß sie wegen uns eine große Suchaktion anfangen.“

      „Aber wartet Coanabo nicht auch auf die Werkzeuge?“ warf Carberry ein.

      Old Donegal grinste kaum merklich. Wenn du wüßtest, dachte er, was du hinauszögerst, wenn wir erst zur Cherokee-Bucht zurückkehren! Aber er unterdrückte sein Grinsen und wechselte lediglich einen unauffälligen Blick mit dem Kutscher.

      „Coanabo und seine Leute kennen unser Zeitmaß nicht“, belehrte der Kutscher den Profos. „Sie richten sich zwar nach Sonne und Mond, aber sie haben keine Uhr. Und manchmal vergessen sie einfach, die Mond- und Sonnenaufgänge zu zählen. Weil es für sie überhaupt nicht wichtig ist. Verstehst du, Mister Carberry?“

      Der Profos schüttelte den Kopf.

      „Nicht ganz. Wenn sich Coanabo oder einer seiner Leute zum Beispiel eine neue Hütte wünscht, sie aber nicht bauen kann, weil ihm das Werkzeug fehlt. Was tut er dann? Na, was wohl? Dann fängt er an zu zählen! Und hinterher ist die Freundschaft zwischen ihm und uns im Eimer, weil er uns für einen unzuverlässigen Haufen hält.“

      „Glaube ich trotzdem nicht“, sagte Old Donegal gelassen, denn er wußte, daß Carberry mit seiner Meinung nicht durchdringen würde, nur, um ihn zu ärgern. Die meisten der Männer zog es erst einmal zum Stützpunkt zurück.

      „Ich würde da nicht so sicher sein“, sagte der Profos. „Diese Indianer können manchmal unberechenbar sein.“

      „Wir haben mit Coanabo keinen Termin vereinbart“, entgegnete Old Donegal. „Und jetzt Schluß der Debatte!“

      Der Kutscher nickte bekräftigend.

      „Ich schlage vor, daß wir über die Frage abstimmen.“

      „Einverstanden“, sagte Old Donegal. „Also: Wer ist dafür, daß wir von hier aus direkt nach Andros segeln?“

      Ed Carberry reckte den Arm hoch. Das Erwartungsvolle in seiner Miene wich Enttäuschung, als er sich umsah und feststellte, daß sein Arm da oben höchst einsam war, denn kein anderer leistete ihm Gesellschaft.

      „Eine Stimme für Andros“, stellte Old Donegal scheinbar unparteiisch fest. In Wahrheit frohlockte er. „Und wer ist dafür, daß wir auf Direktkurs zum Stützpunkt segeln?“

      Ed ließ den Arm sinken, und alle anderen flogen hoch. Hasard junior hob feixend Plymmies rechte Pfote, was der Profos jedoch nicht sehen konnte, da die Jungen hinter ihm hockten.

      „Danke, das genügt“, sagte der Alte. „Riesen-Mehrheit für die Cherokee-Bucht. Damit ist alles klar. Wir holen uns ein paar Kisten aus der Höhle und gehen dann ankerauf.“

      Ed Carberry verzichtete darauf, eine weitere Bemerkung von sich zu geben. Er rappelte sich auf, schob das Rammkinn vor und packte schweigend mit zu, als Old O’Flynn anordnete, die Jolle zu Wasser zu lassen. Lediglich die Jakobsleiter wurde mitgenommen. Die Spieren, die als Ladebaum dienten, und die erforderlichen Taue befanden sich noch in der Höhle und oben auf dem Felsvorsprung.

      Lediglich der Kutscher blieb an Bord der „Empress“. Alle anderen begaben sich zum Strand, damit die „flüssigen Mittel“ in möglichst kurzer Zeit aus der Höhle geschafft werden konnten. Der Kutscher hatte Zeit, in der Kombüse aufzuklaren und seine Vorbereitungen für das Backen und Banken zu treffen. Denn die Vormittagsstunden würden fraglos für das Laden der Kisten draufgehen.

      Die Zwillinge übernahmen es erneut, den überhängenden Felsvorsprung oberhalb des Höhleneingangs zu erklimmen und ein Seil hinunterzulassen, an dem die Männer unten am Strand die Jakobsleiter befestigen konnten.

      Mit Hilfe eines zweiten Seils stieg Hasard junior über den Vorsprung hinunter und ließ sich abwärts sinken, bis er durch Schwungholen den Höhleneingang erreichte. Jetzt konnte er die Jakobsleiter hereinholen und verzurren. Auf dem umgekehrten Weg würden später Jakobsleiter und Seile wieder an die Seite geschafft werden.

      Ed Carberry und Stenmark enterten auf. Ed trug die erste Goldkiste auf der Schulter bis zum Höhleneingang. Dort war inzwischen Nils Larsen aufgeentert. Stenmark und Carberry wuchteten ihm die Kiste gemeinsam auf die Schulter, und der Däne stieg mit der schweren Last ab, indem er sich lediglich mit der linken Hand festhielt.

      Sven Nyberg und Martin Correa waren wiederum zur Stelle, um die Goldkiste zwischen die Duchten der Jolle zu stauen. Old Donegal überwachte das Ganze vom Strand aus, wo er auch blieb, als Nyberg und Correa mit der Jolle und der schweren Ladung zurück zur „Empress“ segelten.

      Die Prozedur wurde noch dreimal wiederholt, und in der Tat verging mit dem langwierigen Hin und Her der gesamte Vormittag.

      Dann aber verloren die Männer keine Zeit mehr. Nachdem sie am Strand sämtliche Spuren beseitigt hatten, gingen sie sofort ankerauf.

      Old Donegal entschied jedoch, sicherheitshalber nicht westwärts über die große Bahama-Bank zu segeln. Der Schreck darüber, dort beinahe seine geliebte „Empress“ verloren zu haben, steckte ihm noch in den Knochen. Deshalb nahm die kleine Karavelle den Weg über den Nordwest-Providence-Kanal.

       8.

      In der Cherokee-Bucht herrschte der übliche Alltagsbetrieb. Außerhalb und innerhalb der bereits fertigen und auch der halbfertigen Hütten sowie auf den Schiffen wurde gehämmert, gesägt und sonstwie gearbeitet, daß es eine nie abreißende Geräuschkulisse ergab. Je mehr man ausbesserte, verbesserte und ergänzte, so schien es, desto mehr fand man zusätzliche Arbeiten, die noch erledigt werden wollten.

      Gotlinde Njal hatte sich an diesem Morgen des 9. Juli gewohnheitsgemäß um die Tauben gekümmert und begab sich nun zu dem abseits gelegenen Teil des Strandes ganz in der Nähe der Taubenschläge.

      Sie hatte sich nicht getäuscht.

      Am Rand des Palmenhains blieb sie stehen und schüttelte mißbilligend den Kopf.

      Doch die Gestalt, die da im seichten Uferwasser kauerte und Wäschestücke auf ein wacklig zurechtgezimmertes Holzgestell klatschte, nahm offenbar nichts von ihrer Umgebung wahr. Erst als Gotlinde, die Ehefrau des Wikingers, sich vernehmlich räusperte, hob Mary O’Flynn, geborene Snugglemouse, den Kopf und sah sich um. Mit dem Handrücken der Rechten wischte sie sich über die schweißnasse

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