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Seewölfe Paket 26. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 26
Год выпуска 0
isbn 9783954399949
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Die hastenden Schritte und geifernden Stimmen schnappten wie eine Woge über ihn hinweg und begruben ihn unter sich. Dolche und Entermesser blitzten. Frauen kreischten in Blutgier. Die Stimme des Gardisten erstarb in einem Gurgeln. Er konnte nicht mehr sehen, daß oben in der Faktorei ein Fenster geöffnet wurde.
Der hochgewachsene blonde Deutsche blickte auf die Straße hinunter, in der die entfesselte Meute allem Anschein nach ein Opfer gefunden hatte. Aber noch konnte er sich das Geschehen nicht zusammenreimen, und er wußte, daß es Selbstmord bedeutet hätte, jetzt die sicheren Mauern des Kontorhauses zu verlassen.
Innerhalb von Stunden spitzte sich die Lage zu.
Die Lunte des Pulverfasses Havanna hatte nicht mehr aufgehört zu glimmen.
Bereits drei Tage nach dem Sturm auf das Arsenal stand fest, daß die kubanische Hauptstadt im Chaos zu versinken drohte. Die unbekannten Täter hatten das Arsenal restlos ausgeplündert.
Hunderte von Pistolen und Musketen waren ihnen in die Hände gefallen. Dazu fässerweise Vorräte an Schwarzpulver und entsprechende Mengen an Säcken voller fertig gegossener Kugeln. Außerdem Flints, Ersatzteile für die Schlösser der Waffen, Ersatzläufe, Werkzeuge, Gießzangen für Bleikugeln und Stangenblei.
Über den Verbleib der Beute herrschte noch immer Unklarheit. Wahrscheinlich, so vermuteten Capitán Marcelo und seine Offiziere, hatten die Galgenstricke Waffen, Munition und Zubehör überall im Hafengebiet von Havanna verteilt. Es war unmöglich, all die Ecken und Winkel, von Kellern bis zu Dachböden, von gelockerten Fußbodendielen bis zu herausnehmbaren Mauersteinen, zu durchsuchen. Dazu fehlte es der Miliz und der Stadtgarde an Einsatzkräften.
Die Patrouillen, die für Ordnung zu sorgen versuchten, bekamen indessen zu spüren, daß sie es mit einem Gegner zu tun hatten, der bis an die Zähne bewaffnet war und seine Waffen auch skrupellos einsetzte.
Nur aus dem Dunkel schlug der Gegner zu. Immer häufiger waren in diesen Nächten krachende Schüsse in den Gassen von Havanna zu hören. In den verriegelten Häusern erschauerten Männer, Frauen und Kinder, wenn sie die Todesschreie hörten.
Immer nur nachts traf es die Männer von Garde und Miliz, und immer wurden die tödlichen Kugeln heimtückisch aus dem Hinterhalt abgefeuert. Angst grassierte nicht nur bei den Bürgern. Auch die Milizsoldaten und Gardisten schämten sich nicht länger, ihre Furcht vor Heckenschützen einzugestehen.
Die finsteren Elemente hatten es nicht nötig, mit Blankwaffen auf die verhaßten Ordnungskräfte loszugehen. Beinahe gefahrlos konnten sie sich als Heckenschützen betätigen und die nächtlichen Patrouillen dort dezimieren, wo sie sich in den Lichtschein von Schenken oder anderen Häusern wagten und ein gutes Ziel abgaben.
Die vom neuen kommissarischen Gouverneur angeordnete Verstärkung der Patrouillen erwies sich als wirkungslos. Der revoltierende Pöbel reagierte mit neuen Taktiken. Immer häufiger stießen Patrouillen auf plündernde Horden, die hemmungslos über Lagerhäuser und Geschäfte herfielen, Türen und Fenster einschlugen. Sobald Patrouillen die Verfolgung aufnahmen, flohen die Täter in finstere Winkel, wo dann die Pistolen und Musketen der im Hinterhalt lauernden krachten.
Bevor Capitán Marcelo den Befehl ausgab, fliehende Plünderer nicht mehr zu verfolgen, waren bereits vier Nachtpatrouillen bis auf den letzten Mann niedergeschossen worden.
Es war am Abend des 29. Juni, als Don Luis Marcelo entschlossen die Rotweinflasche in den Schrank zurückstellte, ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben. Was in Havanna geschah, war ihm unter die Haut gegangen. Etwas von seiner alten Härte drang an die Oberfläche.
Die Offiziere, die er zur Lagebesprechung zusammentrommelte, glaubten, ihren Augen und Ohren nicht trauen zu können. Es war ein völlig veränderter Marcelo, den sie da plötzlich vor sich hatten. Einer, der auf einmal durchaus geeignet zu sein schien, den Gouverneursposten auszufüllen.
Es waren knappe und präzise Anweisungen, die Marcelo für die Nacht auf den 30. Juni erteilte.
„Jetzt schnappen wir uns die Strolche“, sagte er mit metallisch klingender Stimme. „Wir greifen uns mindestens ein Dutzend, besser zwanzig oder dreißig, und veranstalten einen Schauprozeß auf der Plaza. Kurz und schmerzlos. Aburteilung und Hinrichtung auf einen Schlag. Als Abschreckung werden die Delinquenten nach der Exekution zur Schau gestellt.“
So wurde die Zahl der Patrouillen in dieser Nacht verdreifacht, und dank der markigen Worte des kommissarischen Gouverneurs gingen die Männer mit neuer Zuversicht auf Streife.
Immerhin wußten sie auch, daß Marcelo selbst eine der Patrouillen führte. Und er hatte ihnen eingeschärft, das Licht der Häuser zu meiden und in keinem Fall das Risiko eines Hinterhalts einzugehen.
Um Mitternacht erreichten Capitán Marcelo und seine zehn Mann starke Patrouille eine der Gassen, die auf die Straße am Kai mündeten. Hier befanden sich die Handelskontore und Lagerhäuser, die Schiffsausrüster und Handwerker. Nachdem ihm das Gesindel während der vergangenen Stunden immer wieder entwischt war, sah Marcelo plötzlich die Gelegenheit vor Augen, auf die er gewartet hatte.
Schatten verschwanden im Torweg eines Lagerhauses.
Es war die höchst willkommene Chance, ein Exempel zu statuieren. Marcelo erinnerte sich an jene Zeiten, in denen er als eisenfressender Gardist gefürchtet gewesen war. Verdammt, dieses lichtscheue Gesindel sollte zu spüren kriegen, mit wem es sich anlegte.
Er war überzeugt, kein Risiko einzugehen, als er halblaut seine Befehle erteilte, während er an der Spitze seiner Patrouille auf das Lagerhaus zumarschierte. Auf den ersten Blick schien es jetzt, als ob bei dem Gebäude alles still sei. Klar, daß die Kerle sich in der Dunkelheit versteckt hatten und nur darauf warteten, bis die Patrouille vorbeigezogen war.
Zwanzig Schritte vor dem Lagerhaus verschwanden vier Gardisten im Torweg des Nachbargebäudes. Es war eine fließende Bewegung aus dem Marschtritt heraus, und der Klang der Schritte ließ nicht auf Anhieb vermuten, daß es nur noch die halbe Patrouille war, die da scheinbar ahnungslos an dem Lagerhaus vorbeimarschieren würde.
„Rechts schwenkt!“ zischte Capitán Marcelo.
Er zog seinen Säbel in dem Moment, in dem er an der Spitze seiner Männer in den Torweg des Lagerhauses stürmte. Ein Weinlager, das sah er noch aus den Augenwinkeln heraus. Natürlich! Auf den berauschenden Teil der Plünderei wollten die Schweinehunde keineswegs verzichten.
Fackeln flammten auf, von jenen anderen geworfen, die über den Nachbar-Hinterhof vordrangen und den Galgenstricken in den Rücken fielen.
Mit gnadenlosen Säbelhieben drang Marcelo gegen die Gestalten vor, die sich im Fackelschein abzeichneten. Größer als erwartet war die Schar der Kerle, die sich da plötzlich in die Enge getrieben sah. Schüsse peitschten. Schreie gellten. Zum ersten Male waren es Plünderer, die in die Falle gerieten. Capitán Marcelo gelang es, kurz nacheinander drei der Kerle mit dem Säbel niederzustrecken.
Doch unvermittelt, als er den Säbel eben wieder hochbringen wollte, sprang ihn aus dem Getümmel eine der Gestalten an. Er sah noch die blitzende Klinge. Dann löschte ein greller Schmerz sein Bewußtsein aus.
In der Lagebesprechung, die am darauffolgenden Morgen von Primer Teniente Echeverria geleitet wurde, konnte der Erfolg der Patrouille Marcelo gewürdigt werden. Der Capitán hatte schwere Stichwunden davongetragen und mußte Tag und Nacht von Ärzten überwacht werden. Außerdem hatte es bei der Patrouille nur drei Leichtverwundete gegeben.
Bei den Plünderern hatte es sich um insgesamt fünfzehn Kerle gehandelt. Zwölf waren getötet worden, drei hatten jedoch fliehen können. Einer der Gardisten war fest davon überzeugt, unter diesen drei Flüchtigen Alonzo de Escobedo erkannt zu haben.
Für einige Tage kehrte Ruhe ein, doch Primer Teniente Echeverria und die übrigen Offiziere wußten nur zu gut, daß es sich um eine Ruhe vor dem Sturm handelte. Der Gouverneurssessel war verwaister denn je, die Iststärke der Miliz und der Garde letztlich unter das Soll abgesunken.
Die