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die Fäuste in die Hüften.

      „Hast du dir das Griesgrämige von deinem Alten angewöhnt, oder was soll der Unsinn?“ fauchte Gotlinde.

      Mary O’Flynn richtete sich ächzend auf, und es wurde deutlich erkennbar, welch eine beträchtliche Last sie da bereits in Bauchform mit sich herumschleppte. Abermals wischte sie sich über die Stirn und ließ das Wäschestück fallen, das sie noch in der Linken gehalten hatte.

      „Ich kann’s nun mal nicht haben, wenn mich jemand von hinten beobachtet“, sagte sie mürrisch.

      „Du weißt genau, daß ich so etwas nie tun würde“, entgegnete Gotlinde. „Was ist los mit dir? Ich meine, ich kann mir vorstellen, wie du dich im großen und ganzen fühlst. Aber da ist etwas anderes. Du bist schon seit einigen Tagen verdammt merkwürdig. So, als ob wir dir alle nur Böses wollten.“

      Mary winkte ab und senkte den Kopf.

      „Ach, es ist nichts. Überhaupt nichts.“

      Gotlinde trat weiter auf sie zu und erfaßte ihre Schultern.

      „Mary“, sagte sie eindringlich, „rede dir von der Seele, was dich bedrückt. Das hilft, glaub mir.“

      Einen Moment schien es, als wolle sich Mary herumwerfen und davonlaufen. Dieses seltsame Fluchtbestreben war ihr deutlich anzumerken. Doch dann war es Gotlindes mitfühlende Art, die die Oberhand gewann. Tränen standen in den Augen von Mary O’Flynn, als sie zu der hochgewachsenen Ehefrau Thorfin Njals aufblickte.

      „Es ist – wegen Donegal“, sagte Mary mit mühsam bezwungenem Schluchzen. „Ich habe den Verdacht, daß sich dieser verdammte Mistkerl mal wieder um alles drücken will. Ein Dach über dem Kopf haben wir nicht, und die Geburt seines Nachwuchses will er bestimmt auch absichtlich verpassen. Ich kenne doch seinen Dickschädel. Wenn sich da drin was festgesetzt hat, dann ist es kaum noch rauszukriegen. Ich sage dir, Gotlinde, der Kerl ist nach Andros gesegelt und hat ganz genau gewußt, was er vorhat. Dort läßt er sich jetzt von hübschen Indianerinnen umturteln, und im September taucht er dann scheinheilig wieder auf und fragt so ganz nebenbei, wie’s mir denn geht.“

      Gotlinde lächelte. Es lag auf der Hand: Ende August waren Marys Mutterfreuden fällig, und sie sorgte sich um ihren alten Dickschädel. Nicht Eifersucht war es und ebensowenig Ärger. Was da nun endlich herausgeplatzt war, bedeutete nichts anderes als Sorge um das Wohlergehen von Old Donegal, der leider oft genug mit seinem reichlich kantig geratenen Schädel in Schwierigkeiten geraten war.

      „Du hast recht“, sagte Gotlinde in gespieltem Grimm. „Man sollte deinem alten Donegal die Hammelbeine langziehen. Statt mit Indianerinnen zu scharwenzeln, sollte er lieber das Zuhause für dich und das Baby bauen. Aber daran denkt er wohl überhaupt nicht, was? Himmel, in der Beziehung ist ja sogar mein Thorfin noch mitfühlender.“

      Mary runzelte die Stirn.

      „Kann ich mir nicht vorstellen“, sagte sie unwirsch und wandte sich wieder ihrer Wäsche zu.

      Gotlinde lächelte wieder. Unter der rauhen Schale dieser Mary O’Flynn, geborene Snugglemouse, steckte doch ein butterweicher Kern. Einerseits klopfte sie ihrem alten Zausel, ohne mit der Wimper zu zucken, die Bratpfanne auf den Kopf, andererseits jedoch reagierte sie wie eine Mimose, sobald man in die gleiche Kerbe hieb, was ihr Lamentieren über Old Donegal betraf.

      Klar, daß in diesem Fall etwas unternommen werden mußte.

      Gotlinde ging schnurstracks zu Hasard, achtete aber darauf, daß Mary es nicht mitkriegte.

      Gemeinsam mit Ben Brighton, seinem Ersten Offizier, und Dan O’Flynn, seinem Navigator, zog sich Philip Hasard Killigrew in den Schatten der Palmen zu einer Beratung zurück.

      „Gotlinde hat völlig recht“, sagte der Seewolf, „und Mary sorgt sich nicht ohne Grund.“

      Auf seinen Wink hin berichtete Dan O’Flynn, was er rasch überschlägig durchgerechnet hatte.

      „Für die Fahrt nach Andros kann man einen ganzen Tag rechnen, zurück vielleicht etwas mehr, wenn bei Nordostwinden aufgekreuzt werden muß. Sehr gut gerechnet also eine Reisezeit von drei Tagen hin und zurück. Zählt man noch einen oder zwei Tage Aufenthalt hinzu, hätte die ‚Empress‘ nach fünf Tagen wieder hier sein müssen – bei ganz großzügiger Kalkulation vielleicht nach sechs Tagen.“

      Hasard und Ben nickten. Es gab nichts an der Tatsache zu deuteln: Nach mehr als zehn Tagen war Old O’Flynn eindeutig überfällig.

      „Da war der Sturm am zweiten Juli“, sagte Ben Brighton und sprach das aus, was auch die beiden Freunde bewegte. „Wie ihr wißt, sind die Ausläufer auch hier an Great Abaco vorbeigezogen.“

      „Old Donegals Schiffchen könnte durchaus in den Sturm geraten sein“, sagte Hasard und sah den Navigator an.

      Dan nickte.

      „Vernünftigerweise müßten sie vor dem Sturm gelenzt haben. Das bedeutet, daß sie mit der ‚Empress‘ westwärts gedriftet sind, vielleicht sogar bis in die Florida-Straße.“

      Hasard rollte die Seekarte auseinander, die er mitgebracht hatte, legte sie auf den Boden und beschwerte die Ecken mit Steinen.

      „Das hätte ich gern etwas genauer“, sagte er.

      Dan ging in die Knie und bestimmte zunächst die Position, die die „Empress“ vermutlich bei Beginn des Sturms gehabt hatte. Er stimmte seine Berechnungen auf den Maßstab der Karte ab und hatte das Ergebnis im Handumdrehen.

      „Wenn der Alte westwärts vor dem Sturm hergejagt ist“, sagte er, „dann könnte er auf diese Inselgruppe gestoßen sein.“

      Ben Brighton beugte sich vor und entzifferte die Schrift über der Stelle, auf die Dan O’Flynn zeigte.

      „Die Biminis“, sagte Ben trocken, richtete sich auf und blickte den Seewolf vielsagend an.

      Hasard mußte ebenso grinsen wie seine beiden Freunde.

      „Das will überhaupt nichts heißen“, sagte Hasard dennoch.

      „Bist du davon überzeugt?“ entgegnete Dan, ohne sein Grinsen einzustellen. „Wahrscheinlich haben wir genau den Punkt erwischt, wo der Hase im Pfeffer liegt – will sagen, der Alte in der Quelle der ewigen Jugend.“

      Hasard und Ben mußten lachen.

      „Trotzdem kann ich mir das nicht vorstellen“, sagte Ben. „Er weiß, daß er bald Vater wird, und er müßte langsam kribbelig werden, weil er für seine künftige Familie noch immer kein Dach über den drei Köpfen gebaut hat.“

      „Gehen wir von zwei Möglichkeiten aus“, sagte Hasard, „entweder hat Old Donegal im Sturm Schiffbruch erlitten, oder wir müssen ihn gewaltsam aus dem Jungbrunnen ziehen. Seht ihr eine andere Möglichkeit?“

      „Es passieren Dinge zwischen Himmel und Erde …“, sagte Dan feixend, aber dann schüttelte er doch ebenso den Kopf wie Ben.

      Der Seewolf zögerte nicht länger. Er rief sämtliche Mitglieder des Bundes der Korsaren am Strand zusammen und schilderte ihnen die Lage.

      „Mein Vorschlag“, sagte Hasard, „wir brechen mit der ‚Isabella‘ und der ‚Le Griffon II.‘ gleich morgen früh auf. Und zwar segeln wir westwärts mit Kurs auf die Biminis und beginnen dort mit der Suche. Hat jemand etwas dagegen einzuwenden?“

      Mary O’Flynn war die einzige, die sich meldete.

      „Nichts einzuwenden“, sagte sie, als Hasard ihr auffordernd zunickte. „Nur eine zusätzliche Bitte. Tretet dem Alten bitte in meinem Namen kräftig in den Hintern. Und wenn er nicht schiffbrüchig auf einer Insel hockt, sondern in seinem komischen Jungbrunnen badet, dann hat er zwei Tritte verdient.“

      Das Gelächter der Frauen und Männer vom Bund der Korsaren hallte weit auf die Bucht hinaus. Doch dann wurden sie rasch wieder ernst.

      Die Mannschaften der „Isabella“ und der „Le Griffon II.“ begannen unverzüglich mit der Ausrüstung

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