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je gefährdet. Hinzu kam eine Tatsache, die bei den derzeitigen Geschehnissen besondere Bedeutung hatte: Für die anarchistischen Küstenwölfe, die Hafenhyänen und die sonstigen Galgenstricke war Arne genau das, was er nach außen hin glaubhaft zu spielen hatte – nämlich ein Kaufmann, ein offenbar wohlhabender Pfeffersack, den es nach Kräften auszunehmen galt.

      Sicher, gefahrvoll war Arnes Position in Havanna von Anfang an gewesen. Das Risiko hatte für ihn aber eher darin bestanden, möglicherweise von den Spaniern als Spion enttarnt zu werden. Der Beitrag, den er als Mitglied des Bundes der Korsaren geleistet hatte, um den Spaniern Schaden zuzufügen, war beträchtlich. Die meisten erfolgreichen Beutezüge waren auf Arnes Informationen, durch Jussufs Brieftauben übermittelt, zurückzuführen.

      Daß aber ausgerechnet verbrecherische Elemente Arne von Manteuffel einmal in Lebensgefahr bringen würden, war bisher nicht denkbar gewesen. Jedenfalls nicht in dieser Form.

      Genaugenommen, war es beinahe Ironie, daß Arne, Jörgen Bruhn, Jussuf und Isabella Fuentes jetzt die Faktorei verteidigten und damit in gewissem Sinne auf der Seite der spanischen Bürgerschaft von Havanna gegen das Lumpenpack kämpften – oder zumindest für die Interessen jener Bürgerschaft. Denn es war kaum anzunehmen, daß die wirklichen Pfeffersäcke von Havanna tatkräftigen Widerstand gegen den Aufruhr leisteten. So oder so war es eine Verkehrung der eigenen Ziele.

      Diese Erkenntnis ließ Hasard betroffen werden.

      Da waren auch Aberhunderte von anständigen Spaniern – Frauen und Kindern zumal – in Havanna, die jetzt der Willkür eines entfesselten Mobs ausgeliefert waren.

      Nein, das konnte und durfte nicht Ziel des Bundes der Korsaren sein!

      Einmal mehr mußte Hasard erkennen, wie sich Dinge ins Gegenteil verkehren konnten, die er selbst in Bewegung gebracht hatte. Wenn auch die Motivation anders gewesen war, so konnte man sich hinterher nicht damit herausreden, eben ein solches Ergebnis habe man nicht gewollt.

      „Wir holen Arne und die anderen heraus“, sagte er in die Stille hinein, und er wußte dabei, daß seine engsten Freunde genau verstanden, was er meinte.

      Diese wirklichen Gedanken konnte er nicht laut aussprechen. Denn sie lauteten: Wir kämpfen auch für Havanna. Hätte er das verkündet, wäre der Wikinger auf der Stelle wie ein Vulkan explodiert. Und ein interner Zwist war in der augenblicklichen Situation das Letzte, was man sich leisten konnte.

      Siri-Tong meldete sich mit einem Handzeichen, und Hasard nickte ihr zu. Der Wikinger stand noch sinnierend da, und man konnte sich ungefähr vorstellen, in welche Richtung sich seine Gedanken bewegten.

      „Ich schlage vor, daß Jean mit der ‚Golden Hen‘ zusätzlich ankerauf geht“, sagte die Rote Korsarin. „Mehr ist dann aber auf keinen Fall möglich, denn wir dürfen nicht den Fehler begehen, den Stützpunkt zu sehr zu entblößen.“

      Jean Ribault hieb in die Kerbe.

      „Völlig richtig! Ich möchte zusätzlich vorschlagen, daß Thorfin mit dem Schwarzen Segler als kampfstärkster Einheit die Führung der Verteidigung übernimmt.“

      Hasard bedankte sich mit einem kaum merklichen Augenzwinkern bei Jean.

      „Einverstanden, Thorfin?“ fragte er.

      Der Wikinger kratzte sich erneut am Helm, erntete dafür einen mißbilligenden Blick von Gotlinde und rang sich dazu durch, zustimmend zu brummen.

      „In Ordnung“, sagte der Seewolf. „Wir müssen außerdem eine Brieftaube mit einer Nachricht für Arne losschicken. Wie sieht es damit aus, Gotlinde?“

      „Dafür nehmen wir den Täuberich Izmir“, erwiderte die Frau des Wikingers. „In Havanna erwartet ihn seine Partnerin Kiymet.“

      Am Spätnachmittag des 9. Juli gingen die „Isabella“, die „Le Griffon II.“ und die „Golden Hen“ in See. Der Täuberich Izmir stieg mit der Nachricht auf, daß Hasard, Jean Ribault und Edmund Bayeux zur selben Stunde mit Kurs Havanna ausgelaufen seien.

      Verabredet war überdies, daß man über die Biminis segelte, um gleichzeitig nach der „Empress“ zu forschen. Falls man damit nicht auf Anhieb Erfolg haben sollte, würde Edmond Bayeux mit der „Le Griffon“ zurückbleiben und die Suche nach Old Donegal und seinen Männern fortsetzen.

      In der Wichtigkeit rangierten beide Fälle – die ausgebliebene „Empress“ und Arnes gefährliche Lage in Havanna – an gleicher Stelle. Darüber gab es für die Männer an Bord der drei Schiffe nicht den geringsten Zweifel.

      Zwei Tage später, am Nachmittag des 11. Juli, stand unvermittelt fest, daß die „Le Griffon II.“ bei dem kleinen Verband des Bundes bleiben würde.

      Dan O’Flynn, der sich auch als Navigator gern auf die Tatsache verließ, daß er von allen Mitgliedern des Bundes der Korsaren noch immer die schärfsten Augen hatte, war in den Großmars aufgeentert und brüllte ein begeistertes: „Mastspitzen Backbord voraus!“

      Daß es sich bei den Mastspitzen um jene der „Empress of Sea“ handelte, hatte Dan ebenfalls bereits erkannt, als sie nur erst über der westlichen Kimm zu sehen waren. Die kleine Karavelle des alten O’Flynn hatte soeben die Bimini-Inseln gerundet.

      Wenig später gab es eine lautstarke und freudige Begrüßung, als die Schiffe vor Treibanker gegangen waren. Hasard, Jean Ribault und Edmond Bayeux enterten auf die „Empress“ über, und mit knappen Worten wurden die Neuigkeiten ausgetauscht. Es blieb indessen keine Zeit, über den von den „Empress“-Mannen geborgenen Goldschatz groß ins Staunen zu geraten. Die Dinge in Havanna hatten jetzt absoluten Vorrang.

      Sofort stand fest, daß die „Empress“ mit nach Havanna segeln würde. Ed Carberry, der Kutscher und Stenmark wechselten auf die „Isabella“ über, die Zwillinge und Plymmie blieben indessen an Bord bei ihrem „Granddad“.

      Die Treibanker wurden aufgehievt, und der Wind füllte die Segel der vier Schiffe, deren Ziel die kubanische Hauptstadt war. Nur eine Frage bewegte die Männer nun noch:

      Würden sie noch rechtzeitig in Havanna eintreffen?

      ENDE

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       1.

      Das Haus erbebte unter den Stößen.

      Wie Donner dröhnten die berstenden Schläge aus dem Erdgeschoß durch alle Räume. Bei jedem Rammstoß ächzte das Holz der Türen und der Fensterläden bedrohlich. Von draußen war das Johlen der wilden Horde zu hören. Vereinzelte Schüsse krachten, wenn die Kerle aus purer Wut oder aus verfrühtem Triumph ihre Pistolen in die Luft abfeuerten. Hafendirnen, die die marodierenden Meuten stets begleiteten, schleuderten ihre schrillen Verwünschungen gegen das wuchtige Bürgerhaus.

      Längst waren die Fensterscheiben im oberen Stockwerk von Pistolenkugeln und Steinen zertrümmert worden.

      Felipe Herrera wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Das Gesicht des stattlich gebauten Mannes war von Schweiß und Schwarzpulver verschmiert. Die rußigen Striemen ließen nicht mehr unterscheiden, was Vollbart und was Haut war. Der schwache, züngelnde Lichtschein, der in das Zimmer im Obergeschoß fiel, stammte von den Fackeln, die die Galgenstricke unten auf der Straße angezündet hatten.

      Wieder und wieder donnerten die Rammstöße durch das Haus.

      Herrera richtete sich blitzschnell am Fenster auf. Im selben Moment hatte er die soeben nachgeladene Muskete im Anschlag. Der Schuß krachte ohrenbetäubend. Pulverrauch wölkte fett und schwarz in den Raum und legte sich beißend auf die Atemwege der fünf Menschen, die hier ausharrten.

      Ein gellender Schrei auf der Straße war der Beweis für Herreras Zielsicherheit. Er wich vom Fenster zurück. Wütendes Gebrüll ertönte. Pistolenschüsse krachten in rascher Folge, die Kugeln prasselten in das Mauerwerk rings um das Fenster, an dem der Handelsmann eben noch gestanden

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