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Krankenwagen und wurde beatmet. Diagnose: Verschluckt.

      »Das wird schon wieder, wir bringen sie nach Ravensburg«, beruhigte der Herr vom DRK.

      *

      Die MIKEBOSSler

      Tisch 3, besser hätte es nicht laufen können, ein gutes Omen. Eine Glückszahl, es waren ja auch drei Heilige Könige, die Dreifaltigkeit. Deo, unser geistlicher Wettkampf-Joker, war aufgeregt und begeistert zugleich. Immer wieder brachte er Beispiele aus der Theologie und der Zahlenmystik für die heilige und geheimnisvolle Zahl drei. Als Gesicht ihm zustimmte und die Drei Musketiere ins Spiel brachte, war Deodonatus, der von Gott Geschenkte, außer sich:

      »Ach, du dumma Keal, die sind doch nicht von da Bibal!«

      »Wo waren die dann? Haben die nicht Gold, Weihrauch und Minze gebracht?«

      Für mich kam der Wettkampf nicht in Frage. Ich musste nicht nur auf meine gute Figur achten, nein, als Präsident der Gruppe hatte ich als Motivator und Stratege die gleiche Aufgabe wie ein verantwortungsbewusster Fußballtrainer, der vom Spielfeldrand aus die Fäden zieht. Jogi Löw spielt ja auch nicht mit. Außerdem wollte ich für die MIKEBOSS-Chronik fotografieren. Das neue Smartphone machte verdammt gute Bilder, sogar die Video-Aufnahmen waren in HD-Qualität.

      Meiner dokumentarischen Pflicht bewusst war ich noch vor dem eigentlichen Event um den riesigen Gebäudekomplex der WalderBräu AG gestreift. Vom Parkplatz aus, der zur Zeit der Altvorderen noch ein Kräutergärtlein war, ging ich zuerst einmal zum angrenzenden Friedhof, über dem im blauen Sommerhimmel ein prächtiger Rotmilan kreiste.

      Über einen engen, rechtsseitig tannenbewachsenen Pfad zwängte ich mich an einer rückseitigen, weißen Backsteinmauer neueren Datums wieder Richtung Tenne zurück zum Kässpätzlesevent. Ich musste mich vermutlich hinter der Vollguthalle befinden. Eine halb geöffnete Tür auf dieser nicht einsehbaren Seite des nun wieder alten Gebäudeteils erregte meine Aufmerksamkeit. Ich stieß die Holztür auf, Dunkelheit, die Augen noch nicht adaptiert, stolperte ich und wäre beinahe in ein tiefes Loch gefallen. Jetzt erkannte ich es, ein rechteckig gemauertes Loch führte mit einer rostigen Metallleiter in die Tiefe. Die Taschenlampenfunktion meines Smartphones. Ich schätzte acht Meter Tiefe. Vielleicht der Zugang zu einem Brunnen. Interessant, da musste ich mit den Jungs mal her.

      Der Hof wurde wieder weiter, die Geräusche lauter, die Tenne lag links vor mir.

      Meine Dokumentationspflicht kam im Küchenzelt nicht sonderlich gut an. Berta Löffler neigte zu Jähzorn:

      »Hier haben Sie gar nichts zu suchen, und tun Sie Ihr blödes Handy weg, sonst setzt’s was! Wenn hier jemand fotografiert, dann bin ich das!«

      Sie hob drohend eine Billig-Digitalkamera. Berta hatte die Angewohnheit, all ihre Kochaktivitäten mit Bildern in ausladenden Alben zu archivieren. Überall, wo sie erschien, knipste und blitzte es. In ihrem Heimatort war sie daher auch die Blitzer-Berta. Ich senkte mein Smartphone auf Hüfthöhe, schoss trotzdem unentwegt Bilder und speicherte kurze Filmchen.

      Jacqueline Heberle, die Chefin der Busty Biker Brides, war mit anderen Teilnehmern und Helfern ebenfalls im Küchenzelt, nickte mir kurz zu, als sie noch an der Schüssel mit der rot aufgemalten Nummer sechs herumfummelte, zog den Cowboyhut keck ins Gesicht, zupfte kurz am Ausschnitt ihres weißen Blüschens, als ich sie foto- und videografierte. Ja, die Schaki war schon eine, die Männerherzen zum Galoppieren brachte.

      Ich bewegte mich gegen den Hauptstrom hinaus aus dem Tennengewölbe zum sonnenbeschienenen Vorplatz und stieß mit dem beträchtlich schwankenden Sepp He­berle im Torbogen zusammen. Kurzer oberschwäbischer Smalltalk:

      »So, Herr Bönle, auch hier?«

      »Ja, unterstützen Sie Ihre Tochter?«

      »Beide!«

      »Ist die Schanti auch hier?«

      »Ja, die isst mit! Gute Zeit, Herr Bönle.«

      »Übrigens, Herr Heberle, falsche Richtung, es geht gleich los.«

      »Ich weiß!«

      Der Landwirt hinterließ eine beträchtliche Schnapsfahne.

      Gleich würde der Startschuss fallen. Ich musste meine Jungs als Coach betreuen und unseren Sieg dokumentieren. Vor allem Deo schien sehr nervös. Es war sein erstes Wettessen.

      Am Tisch drei wartete schon Cäci mit Korbi. Korbi hatte eine blaue Schildmütze auf, die ihn vor der Sonne schützte, auch ein langärmeliges weißes T-Shirt und lange, weite Hosen sollten den Rest des Körpers vor schädlichen Strahlen bewahren. Cäcis Sonnenschutz bestand aus einem blütenweißen Top mit Spaghettiträgerchen, einem Fünf-Zoll-Minirock in Quietschgelb und beigen Cowboystiefeln. Tisch sechs scannte kumulativ versteinert die Silhouette meiner Frau. Als Korbi mich entdeckte, hüpfte er vor Freude kurz auf der Stelle und sauste dann frontal auf mich zu. Noch im Laufen fing ich ihn unter den Achseln und hob ihn, so hoch ich konnte. Dann schmiegte er sich an mich und flüsterte mit seiner immer leicht heiseren Stimme:

      »Papa, krieg ich ein Eis?«

      Natürlich bekam er ein Eis, das größte.

      Cäci gab mir einen flüchtigen Kuss, um mich sofort zu rügen:

      »Der hat heute schon genug Eis gehabt, von meiner Mama, von Oxana und jetzt noch eins von dir. Das ist zu viel Süßes! Wann geht’s denn hier los?«

      »Jetzt. Gleich.«

      Wir hatten uns so gestellt, dass es möglich war, gleichzeitig alle Tische im Blickfeld zu haben. Mit dem Argument, wir hätten ein kleines Kind, gelangte unsere Kleinfamilie in die vorderste Reihe. Ich nahm Korbi auf die Schultern. Kurz vor dem Startsignal war die Anspannung an den Tischen fast physisch greifbar.

      »Guck mal, wie die Mädchen an Tisch sechs hergerichtet sind, ist das nicht ein bisschen obszön?«, fragte die Frau neben mir, die einen Minirock trug, den man in einem Standardbrief verschicken könnte und deren weißes Top eindeutig signalisierte, dass sie kein figurformendes Hilfsmaterial nötig hatte. Missbilligend nickte die Frau neben mir zu Tisch sechs.

      »Die Ausschnitte, das geht doch gar nicht. Sind die nur zu viert?«

      »Äh, nein, ich glaube nicht, wer die volle Teilnehmerzahl nicht ausnutzt, ist doch doof.«

      In dem Augenblick, kurz vor dem Startschuss, zwängte sich Schanti durch die Menge und blieb am Tisch stehen. Mit dem Löffel in der Hand wartete sie auf das Zeichen.

      Cäci, die strenge Frau neben mir, schaute mich fragend an:

      »Was, die Schanti macht auch mit, gehört die etwa auch zu dem Mopedfrauenverein? Warum hat die nicht die gleichen Klamotten wie die anderen an?«

      »Der Heberle-Sepp hat gesagt, dass sie auch mitmacht. Der war schon wieder voll bis zum Rand.«

      »Kennst du die anderen Frauen auch?«

      »Ja, und du auch … äh, eine halt …«

      »Nein, das gibt’s ja nicht, ist das Flora? Mit dem Hut und den hochgesteckten Haaren hätte ich sie beinahe nicht erkannt. Nein, meine Flora, das hätte ich nicht gedacht.«

      »Ich habe dir doch gesagt, dass dein Schwarzarbeitmädchenfüralles eine wilde Bikerin ist. Aber du hast mir mal wieder nicht zugehört. Du hast ja nur noch deine Praxis im Kopf.«

      »Aber dass die ausgerechnet bei den Biker Brides ist, das wusste ich nicht! Da hat mir Flora auch nichts gesagt, als ich sie eingestellt habe. Die haben ja nicht den besten Ruf, die Brides.«

      »Aber die besten Figuren!«

      Ein frostiger Blick von der Seite vereiste mir die linke Schläfe. Cäci schien heute für Späße nicht sonderlich zugänglich.

      »Und die Schwarze, wer ist die? Die hat ja Beine! Viel zu lang, als dass es noch gut aussieht!«

      »Die hat nicht nur Beine ohne Ende, auch der Rest ist unlimited! Schülerin, 1BKFH, Saulgau.«

      »Woher weißt du das?«

      »So

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