Скачать книгу

dass ich mit einem Eberfell durch den Wald laufe!«

      Eigentlich ist das zuerst mal nichts Aufregendes oder Außergewöhnliches, vor allem nicht für Butzi. Interessanter wird das schon, wenn man weiß, dass es nachts sein sollte und zu einem Zeitpunkt, wo Wildsauen mal wieder ganze Landstriche nächtens umgepflügt hatten und die ortsansässige Jägerschaft beschlossen hatte, die Sau zu jagen. Man muss zu unserer Ehrenrettung aber auch sagen, dass wir zum Zeitpunkt der Wette nicht mehr ganz nüchtern waren und somit der Spaß größer schien als das Risiko.

      Die Wildschweindecke holten wir aus Friedas Asservatenkammer – und dann ging’s los:

      In den Wald!

      Zu den Jägern!

      Butzi klasse!

      Auf allen vieren!

      Geschmeidig!

      Grunzend!

      Der Schuss!!

      Kein Grunzen!

      Fassungslosigkeit!

      Vor allem bei seinem Vater. Ein guter Schütze. Ein Blattschuss.

      In der »Schwäbischen« tags darauf: »Tragischer Jagdunfall. Vater erschießt als Wildschwein verkleideten Sohn.« Der »Südkurier« ganz ähnlich: »Wildschwein entpuppt sich als Sohn. Jäger war der Vater.« Die »BILD«-Zeitung: »Blattschuss – Sau ist Sohn.«

      Wenn ich meinen Blick vom ›Goldenen Ochsen‹ weg ein bisschen, aber nur ein kleines bisschen nach rechts und dann Richtung Ortsmitte und dann nach oben bewegte, konnte ich den schönen Zwiebelturm der Riedhagener Kirche erkennen. Dort ist auch der Friedhof, wo wir unseren Butzi zu Grabe getragen haben.

      4. Viererbande

      Die vier schauten von der Bank aus auf den glitzernden See. Immer wieder kommentierten sie kunstvolle Figuren oder Stürze der Wakeboarder, die neben dem Restaurant starteten und dann über einen Parcours gezogen wurden. Vor allem an der Rampe wurde es spannend.

      Schaki stand langsam auf, drehte sich, sodass sie den dreien ins Gesicht blicken konnte, den See nun im Rücken, steckte die Hände in die viel zu enge Hose, wippte breitbeinig, das Haar rotsonnenblond.

      »Wir müssen eine Strategie gegen die Jungs entwickeln. Gefährlich werden können uns nur die Junge Union und die Harley-Deppen! Die Freaks haben letztes Jahr den Pokal und das Preisgeld mitgenommen. Von denen braucht bestimmt keiner die Kohle. Habt ihr gesehen, was der Bönle, der arrogante Sack, sich für eine Hütte ins Ried gestellt hat?«

      Flora blickte unterwürfig zur Präsidentin der Busty Biker Brides hoch und nickte eifrig:

      »Die haben Kohle ohne Ende, er hat doch von seinen Eltern wahnsinnig viel geerbt, und Cäcilias Mutter gehört doch halb Riedhagen. Ich weiß von Cäcilia, dass sie das Grundstück von ihrer Mutter geschenkt bekommen haben. Stell dir mal vor, so ein Riesengrundstück in der Lage, einfach geschenkt.«

      Um ihrer Fassungslosigkeit und ihrer Unterwürfigkeit gegenüber Schaki noch mehr Ausdruck zu verleihen, zog Flora das Genick ein, schob ihre Schulterblätter zusammen, sodass sie noch schmaler erschien, und hob die Hände, drehte die Handfläche gen Himmel, als ob sie Segen empfangen wollte.

      »Du arbeitest doch stundenweise bei der Bönle, kannst du aus der Psychotante herausbekommen, ob die Harley-Deppen eine Strategie für den Samstag haben?«

      Flora nickte eifrig:

      »Kann ich nächstes Mal versuchen, aber was meinst du mit Strategie?«

      »Na zuerst mal, wer alles mitisst, wer die neue fünfte Person ist. Dieser Butzi kann ja wohl nicht mehr mitessen, der liegt einsachtzig tief. Der Ersatz für den wäre interessant. Der Butzi hat für die ja eigentlich den Sieg erfressen. Wenn da ein schwacher Ersatz kommt, haben wir die besten Siegchancen!«

      »Brutal, die Sache mit Butzi: der eigene Vater!«

      »Wer sich zur Jagdzeit als Wildsau verkleidet und vor den Jägern herumhüpft, muss damit rechnen, abgeknallt zu werden!«

      Die sitzenden drei schwiegen. Flora nickte unsicher.

      Aische meldete sich zu Wort, mit beiden Händen fuhr sie durch ihr dunkles Haar, ihre Kajal umrandeten, dunklen Augen schauten an Schaki vorbei auf den See, wo eine glitzernde Fontaine vom Sturz eines Wakeboarders berichtete:

      »Das ist gut, wenn Flora Bönles Frau ein bisschen befragt, aber wichtiger ist doch, wer bei uns als fünfte Frau antritt!«

      Schaki drehte ihrer Gang langsam den Rücken zu und studierte ausgiebig den Versuch des gestürzten Jungen, das Ufer zu erreichen und redete leise mit dem See:

      »Ich habe da eine Idee, meine Schwester, die hat …«

      »Waas, deine Schwester?«

      Drei ratlose Augenpaare blickten in Schakis Rückseite.

      »Lasst mich doch zuerst mal ausreden, meine Schwester kann …«

      »Die hat doch eine Essstörung, die kann doch uns nicht bei einem Wettessen unterstützen, jemand mit einer Essstörung, Schwachsinn!«

      Monscheri schüttelte ihre Lockenpracht und tippte sich mit ihrem langen, schwarzen Zeigefinger gegen die dunkle Stirn.

      »Verdammt noch mal, ich habe gesagt, ihr sollt mich ausreden lassen!«

      Ärgerlich drehte sich Schaki zur Dreiergruppe.

      »Genau das ist ja unsere Chance, ich kenne die Essgewohnheiten von meiner Schwester. Schanti kann Unmengen in kürzester Zeit in sich hineinstopfen und genau so schnell kann sie alles wieder hinauskotzen. Genau das ist unsere Chance! Die bekomme ich schon rum, die wird uns zum Sieg fressen. Die 500 Euro gehören uns!«

      Die Chefin hob die Faust zum Brides-Gruß. Die drei staunten.

      5. Vierer- bis Fünferbande

      Im ›Goldenen Ochsen‹ unter der Sau. Hämisch grinsend, wohlwissend, dass sie an allem schuld war, stierte sie auf uns herunter. Frieda, seit Butzis Ableben sehr besorgt um ihre Buben, stürmte mit einem weiteren Tablett zapf­frischschäumenden Gerstensaftes in das Jägerstüblein. Hier waren wir unter uns. Eine Butzenglasscheibe trennte uns vom niederen Volke, das Schnitzel mit Pommes und Soße essend, bierschorlesauertrinkend, hefealkoholfreischlürfend nebenan vor sich hin schwieg. Die Zeit des rauen Gelächters würde erst später sein.

      Vier WalderBräu Hell, eins davon in der Flasche, lachten trotz unserer verständlicherweise nicht allerbesten Laune versöhnlich schäumend und bernsteinfarben aus schlanken Gläsern und einer grünen Flasche.

      »Vier Helle. Buben, Kopf hoch! Das Leben geht weiter! Was schaut ihr denn so?«

      »Sorry, Frieda, wir haben Naturtrüb Hell bestellt, kein Helles!«

      Joe, Hausmann mit überkandidelter Lehrergattin und drei unerzogenen Kindern, zeigte auf das tabletttrohnende Arrangement.

      Frieda, meine kugelrunde und in der Brustregion überdimensional ausgestattete Schwiegermutter, lachte so herzhaft auf, dass der oberste Knopf ihrer antiken, blaugemusterten Kittelschürze frech aufsprang und schamlos den oberen, doppeltvernähten Rand einer nicht minder attraktiven, fleischfarbenen Büstenstützapparatur freigab.

      »Das heißt jetzt neu!«

      »Aah, nicht mehr WalderBräu naturtrüb hell?«

      »Nein, nur noch Walder Hell.«

      Flaschen-Gordon, der sein Bier nur aus der Flasche trank, war begeistert:

      »Wow, nur noch Hell, wie ›Bat out of hell‹!«

      »Oder ›Highway to hell‹!«

      »Oder ›Hells bells‹.«

      Wir kriegten uns kaum mehr ein vor Lachen, als es vom Eingang her dunkel dröhnte:

      »Oda auch ›Hell-o again‹!«

Скачать книгу