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Wo ist Schaki? Hat sie gesimst?«

      »Die soll nur kommen, der kratz ich die blauen Augen aus! Nur weil sie die Chefin ist, schmeißt sie sich an jeden ran!«

      »Oh, oh, du bist doch sonst unsere Aufreißerin, Flora. Immer noch sauer wegen deinem Bauernbuben Berthold? Der passt doch zu Schaki, der kann doch dann den He­berle-Hof übernehmen – bevor er ganz zusammenfällt.«

      Die drei Biker Brides lachten. Sie umarmten sich, die drei winzigen Hondas standen nun einträchtig in einer Reihe. Die roten Punkte auf dem Tank von Aisches Maschine leuchteten blutrot.

      Vom Litzelbacher Weg her dröhnte Schakis Maschine mit der defekten Auspuffanlage. Die drei Brides grinsten:

      »Achtung, die Chefin.«

      »Ich kratz ihr die Augen aus, ich geb ihr eins aufs Maul.«

      Monscheri und Aische zwinkerten sich zu.

      Nachdem Schaki die Monkey-Parkreihe perfektioniert hatte, ging sie selbstbewusst breitbeinig auf ihre drei Mit-Brides zu. Das blonde Haar warf sie mit einer streichenden Handbewegung von der Stirn über den Kopf in den Nacken. Dann der obligate Gruß.

      Ihre blauen Augen blitzten, als sie mit einem strahlenden Lachen zuerst auf Flora zuging und die Arme weit öffnete.

      »Tag, Flora, altes Flittchen. Alles im grünen Bereich?«

      Flora öffnete ebenfalls ihre Arme, versuchte ihr heiterstes Lachen. Die Rivalinnen umarmten sich. Rot und goldblond. Rot einen halben Kopf kleiner. Schwarz gesellte sich dazu. Die Farben Deutschlands. Ein enger Multikulti-Zirkel.

      Schaki, Präsidentin der Busty Biker Brides, deutete nur leicht mit dem Kopf Richtung See. Die Vier wussten, wohin es ging. Dort, direkt am Wasser konnten sie sich ungestört unterhalten und gleichzeitig den Wakeboardern zuschauen, die sich über den See der Pfullendorfer Seepark-Anlage ziehen ließen.

      3. Blattschuss

      Ich lag auf dem Balkon unseres neuen kleinen Reiches mit der Zweifachdoppelgarage und dem riesigen Stellplatz. Blickte ich zum fernen Hang, den Kopf leicht nach rechts drehend über die wenigen Häuser Riedhagens hinweg, sah ich den Giebel mit den dunklen Fenstern meines Erbreiches, meiner vorherigen Behausung. Schaute ich geradeaus, aber ganz leicht nach links, dann konnte ich in circa 200 Metern Entfernung die Rückseite des ›Goldenen Ochsen‹ mit seinem kastanienbaumgeschwängerten Biergarten sehen. Ein angenehmer Anblick, vor allem in dieser Hitze. Hätte ich nach hinten durch den Neubau blicken können, sähe ich direkt auf die Weide mit den Lamas, dahinter öffnete sich das naturbelassene Ried.

      Mit dem Fernglas konnte ich sogar von dem Balkon aus auf Korbi aufpassen, den ich heute Morgen schon mit dem Chevrolet Impala, den liebte er ganz besonders, zu Frieda in den ›Goldenen Ochsen‹ gebracht hatte. Eine der russischen Bedienungen hatte ihn gerade auf dem Schoß, und er nuckelte an irgendetwas Gelbem herum. Ich wusste nicht was, ich legte das Fernglas auf die hölzerne Balkonbrüstung, um das Bild nicht zu verwackeln. Nicht, dass die Russin ihm zu viel Süßes gab. Bei den Russinnen weiß man ja nie, die verwöhnen ein Kind schnell. Ich musste mir unbedingt ein Fernrohr mit Stativ kaufen, um besser auf Korbi aufpassen zu können. Er war jetzt fast drei, in dem Alter ist man recht mobil.

      Aber was tut man nicht alles als Vater. Nicht nur, dass ich für die Erziehung meines Sohnes den Beruf temporär aufgegeben hatte, nein, ich hatte mir sogar ein Smartphone geleistet, um den vielfältigen Erziehungsaufgaben noch gewissenhafter nachgehen zu können. Friedas Nummer und die Nummern aller Bedienungen waren auf dem handlichen technischen Wunderwerk gespeichert. Ich zog das schwarze Phone, das ich mit dem MIKEBOSS-Logo, einem Totenkopf mit Augenklappe und dem Schriftzug unseres harleyvergötternden Vereins, verschönert hatte, aus meiner Hosentasche und whatsappte zu Oxana. Ich hatte mich durch das Fernglas versichert, dass es tatsächlich Oxana war und das Gelbliche, an dem Korbi nuckelte, mir nicht bekannt.

      Entwarnung, ein Apfel. Vermutlich ein Delicious.

      »Alles okay, Dani?«

      »Ja, nur ein Apfel.«

      »Willst du wirklich nicht rüberkommen? Nur auf einen Kaffee?«

      »Mal sehen, ich muss doch auf Korbi aufpassen.«

      »Das geht genauso von meinem Balkon aus, da wärst du sogar ein paar Meter näher dran.«

      Wenn ich meinen Kopf um ungefähr 30 Grad, geschätzt, nach links drehte, sah ich zu meiner Nachbarin. Ein schönes, kleines Fertighaus. Zoomte ich mit meinen Augen ein bisschen, sah ich den Balkon mit dem Glasscheibengeländer. Zoomte ich noch mehr, sah ich auch einen Balkon, Hildes. Wie immer, wenn Cäci nicht hier war, sonnte sie sich meist oben ohne auf ihrem Balkon. Hilde legte Wert auf nahtlose Bräune. Vielleicht litt sie sogar unter einer Textilallergie, das weiß man ja nie.

      Hilde, die Lama züchtende, sportive Grundschullehrerin, die zurzeit in Sigmaringen an der Berufsschule unterrichtete, versuchte es noch einmal. Diesmal mit Psychologie.

      Sie stand auf, räkelte sich, streckte die Arme weit nach oben, knetete mit beiden Händen unsichtbaren Hefeteig, den Kopf weit in den Nacken, ein erzwungenes Gähnen, gemütliche Müdigkeit suggerierend, und gurrte:

      »Ach, komm doch kurz rüber, grübel nicht nur auf deinem Balkon rum, du hast doch ganz schön viel mitgemacht in letzter Zeit: Hochzeit, Hausbau, Kind und ähh … du weißt schon, das war ja nicht ganz einfach für dich. Komm doch rüber, dann kannst du das ähh … vielleicht besser verarbeiten, wenn wir darüber reden. Vielleicht machst du dir Vorwürfe. Komm, ich mach dir einen Kaffee!«

      Sie verschränkte beide Hände im Nacken und streckte sich ins Hohlkreuz, drehte den Oberkörper mit starrem Becken energisch von links nach rechts, Knackgeräusche begleiteten die im oberen Körperbereich nicht unansehnliche Übung zur gymnastischen Ertüchtigung.

      »Mit Milch?«

      »Äh, zwei, äh ja, äh, nein. Ich glaube, ich komme später noch mit Cäci rüber.«

      »Cäci kommt normalerweise erst gegen 18 Uhr, es ist noch nicht einmal 16 Uhr. Und wie gesagt, das weiß heute jedes Kind, wenn man nicht verarbeitet, ähh, solche Ereignisse, dann kann das unter Umständen sogar zu Psychosen führen. Das weiß man heute.«

      Eine neue, nicht weniger attraktive, eurythmische Körperübung begleitete diese Aussage keuchend. Sie beugte nun den Oberkörper, die Hände immer noch im Nacken verschränkt, langsam rhythmisch von oben nach unten, wobei ein schlankes Bein über die Ferse am Balkongeländer abgestützt wurde. Gott sei Dank hatte mein neues Smartphone eine Kamerafunktion.

      »Aber nur für den Eigengebrauch!«, mahnte die gymnastikbegeisterte Nachbarin von Balkon zu Balkon.

      »Und jetzt komm schon, ich mach dir einen Lattematschiatto! Bei einem Latte kann man besser reden, verarbeiten, ich denke, wenn du das nicht machst, kommen irgendwann Schuldgefühle, obwohl ich mir bei dir da nicht so sicher bin! Also, wie wär’s mit einem Lattematschiato?«

      »Macchiato, das heißt ja auch nicht Lambortschini, sondern Lamborghini, auch nicht Butschatti, sondern Bugatti. Es heißt eigentlich auch nicht Tschirokonto oder Tschournalist, aber das wissen heute nicht einmal mehr Fernsehjournalisten, geschweige denn Lehrerinnen.«

      Hilde löste den Körperspannungsbogen und lümmelte beleidigt zurück in ihren Deckchair.

      Ja, verarbeiten, da hatte Hilde, die flexible Nachbarin nicht ganz unrecht, obwohl die Frage nach der Schuld in diesem speziellen Falle nicht ganz einfach zu klären war. Ja, auch der Umgang mit Susi, so sagen meine Kritiker in dieser heiklen Angelegenheit, sei nicht gerade ein Lehrstück an Sensibilität gewesen. Ja, die Susi, die hat das natürlich mitgenommen, das Ganze, zweifelsohne. Aber uns erst, die MIKEBOSSler und vor allem mich als Präsident.

      Natürlich war da der kleine unschöne Streit, den auch Susi mit aller Härte geführt hat, wem Butzi mehr gehört, seiner Familie, quasi seiner Frau und seinen minderjährigen, kleinen Kindern oder den MIKEBOSSlern, quasi uns, also quasi mir. Gott sei Dank konnten wir uns durchsetzen, wegen Eiche rustikal. Nicht vorstellbar – Eiche rustikal und Butzi. Aber

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