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      »Woher weißt du das?«

      »So was weiß man halt, außerdem waren die schon letztes Jahr unsere Gegnerinnen. Aber du wolltest ja aus ethischen Gründen nicht auf ein Wettessen. Im Angesicht des Welthungers konntest du das mit deinem Gewissen nicht vereinbaren. Sogar Deo, ein Pfarrer, isst mit.«

      »Das wundert mich allerdings. Außerdem musste ich letztes Jahr vor allem bei Korbi bleiben, der hatte doch die Sommergrippe. Da musste natürlich ich zu Hause bleiben.«

      Bevor ein Streit die herrliche Stimmung trübte, das erlösende Plopp!

      »Ach, das ist ja originell!«

      Cäci schien wieder versöhnt, der Magnumbierflaschenstartschuss verwandelte sie wieder in meine sonnige Cäci. Sie hüpfte in die Höhe, wirbelte ihre rechte Faust und grölte mit ihrer tiefsten Stimme:

      »MIKE … BOSS, MIKE … BOSS!«

      Meine ganze Strategie, alles, was wir bei Frieda mühsam erarbeitet hatten für diesen Samstag, schien vergessen, auf dem Friedhof der Erinnerungen zu ruhen. Wie die Scheunendrescher machten sich die Jungs über die Schüssel mit der rot aufgemalten Drei her und fraßen drauflos, Deo verschluckte sich schon bei der ersten Gabel. Der abgesprochene Augenkontakt mit dem Trainer, quasi mir, funktionierte nicht eine Millisekunde. Flaschen-Gordon hatte das Wasserglas, direkt nach dem Startschuss, nachdem ich laut Regelwerk nicht mehr eingreifen durfte, gegen ein Walder Hell eingetauscht. Bei Joe war auf wundersame Weise sein Flachmann, der immer mit einem Lochnagar befüllt war, aufgetaucht. Gesicht hatte sich mit Zustimmung des Vorstandes aus der Tenne einen antiken Einliterkrug, der garantiert nicht mit dem von mir verordneten Leitungswasser gefüllt war, besorgt.

      »Warum hält Deo seine linke Hand so komisch?«

      »Was weiß ich?«

      »Der hat da drei Schnapsgläschen dahinter! Deine Jungs hast du ja voll unter Kontrolle, genauso wie die Kindeserziehung!«

      Ich sah die Siegchancen der MIKEBOSSler sinken. Um das Missachten meiner im Vorfeld ausgesprochenen Anweisungen zum Sieg zu dokumentieren, nutzte ich die Zoom-Funktion meines Smartphones.

      »Und für so eine Strategie hockt ihr stundenlang im ›Goldenen Ochsen‹! Und was war da noch vorgefallen? Oxana hat da so eine Andeutung gemacht. Aus Mama krieg ich ja nichts raus. Du hättest meine Mutter heiraten sollen. Und steck endlich mal dein blödes Handy weg, ich seh dich nur noch mit dem Dingsda vor dem Gesicht!«

      »Ähh, nichts ist im ›Goldenen Ochsen‹ vorgefallen, wir haben eigentlich nur die Strategie für heute besprochen, eigentlich.«

      »Und warum seid ihr heute bloß vier?«

      »Äh, was? Waaas?«

      »Vier, ihr seid nur vier, alle anderen sind füüünf!«

      Ich sah die Hoffnung auf einen glorreichen Sieg beim Zweiten Traditionellen Kässpätzleswettessen in Königseggwald noch weiter sinken.

      Das war mir irgendwie durchgegangen. Das ging tatsächlich auf mein Konto, von den anderen konnte ich nicht erwarten, dass sie bis fünf zählen konnten. Ich hatte immer noch Butzi irgendwie im Kopf, so einen wie Butzi kriegt man einfach nicht so leicht aus dem Kopf. Und Rechnen war noch nie meine Stärke. Ein Präsident sollte einfach nicht alles machen müssen.

      »Was ist denn da los?«

      Cäci zeigte zum Tisch sechs. Aufregung an Tisch sechs. Schanti hatte sich verschluckt und lag auf dem Boden, rang rot angelaufen um Luft. Ich nahm Korbi, der mit dem Eis meine Frisur ruiniert hatte, von den Schultern, übergab ihn Cäci und eilte zu Tisch sechs.

      9. Postludium

      Kaum war das Signalhorn verklungen, wurde der unterbrochene Wettbewerb trotz des Protestes, den Jacqueline Heberle einlegte, fortgesetzt. Die Botschaft des Ersthelfers war eindeutig: Verschluckt, kein Problem, prophylaktisch nach Ravensburg, bevor wir dort sind, ist das wieder rausgehustet, heute Abend isst die wieder Schnitzel mit Soße.

      Die Busty Biker Brides verließen ziemlich angebrannt und vorzeitig den Wettbewerb. Nur Flora blieb.

      Der guten Stimmung tat dies keinen Abbruch, denn mit dem Abreisen der Brides tauchte der vermisste Damen-Kegelverein GutHolzvorderHütte auf. Die Veringen­städterinnen waren bei bester Laune, was vermutlich auch dem versehentlichen Ausflug in die Bussenregion zuzuschreiben war. Außer Konkurrenz, da sie schon wieder Hunger hatten, durften sie den kurz verwaisten Tisch sechs belegen. Berta Löffler brachte höchstpersönlich unter höflichem Applaus die mit der schwäbischen Spezialität gefüllte Tonschüssel.

      Über das Mikrofon begrüßte der Vorstand die weiblichen Neuankömmlinge, bedauerte den Zwischenfall und verkündete, dass die Bodensee-Swingers es doch nicht mehr schaffen würden. Sie würden sich aber schon auf das nächste Jahr freuen.

      Wenig später kamen mit dem Schlingmann MLF im üblichen Rot die nach Rauch stinkenden Kässpätzles-Freunde-Friedberg mit ihrem Chef Schnauzi an. Da die tüchtigen Männer der Hoßkircher Freiwilligen Feuerwehr den Fahrzeugbrand schnell unter Kontrolle hatten, beschlossen sie, mit Einsatzgefährt Schlingmann und privaten Fahrzeugen die Havarierten und sich selbst zum Festereignis zu transportieren, um die aufregende Löschaktion abschließend zu einem freundschaftlichen Ereignis werden zu lassen.

      Wir saßen noch lange mit den Siegern des Wettbewerbs zusammen, der Jungen Union. Sie wollten partout nicht, dass das Preisgeld gleich in ein Fässchen umgesetzt wurde, um gemeinsam den Sieg der Jung-Politiker zu begießen. Erst als Cäci und Deo ein Mitgliederformular für die JU ausfüllten, wurden die jungen, politischen Christen spendabler. Das Fässchen, auf einem Hocker platziert, wurde stolzes Symbol der Verbrüderung zwischen harten Männern, Outlaws quasi, und smarten Politikern, das Gesetz sind wir, quasi.

      Die K’walder Musikanten spielten zum Ausklang einen bunten Nachtgruß. Ein herrliches Medley der schönsten Abendlieder. Von wegen Ausklang, Zugabe, Zugabe, Kässpätzlespolka, Kässpätzlespolka. Und schon grölte es vor der Tenne:

      »… Ja, ja, ja, Kässpätzle mag nicht nur der Vater,

      nein auch jeder, ob Nonne, oder Pater,

      ob mit Zwiebel, mit Speck oder G’müs,

      mit Kässpätzle bin ich im Paradüs.

      Ja, ja, ja, Kässpätzle soll’s regnen vom Himmel,

      ja, ja, ja, Kässpätzle am Abend und am Morgen,

      dann hat der Schwab keine Sorgen.

      Ja, ja, ja, Kässpätzle die ganze Zeit, mein Spatz,

      so bleibst du für immer mein Schatz!«

      Während wir versuchten, dem Fässchen auf den Grund zu kommen:

      »Sucht ihr nicht auch Mitglieder?«

      Der fragende JUler Ralf Rädle hob das Kinn in meine Richtung.

      »Äh, nein, warum?«

      »Bei euch ist doch einer … ausgeschieden, ich meine … ähm, ihr seid doch jetzt einer weniger. Das war ja in allen Zeitungen zu lesen. Und ich wollte schon immer mal in einem Motorradverein mitfahren.«

      Ralf griff fürsorglich nach meinem Bierkrug und füllte nach. Auch die restlichen MIKEBOSSler inklusive Deo wurden mit neuen Schaumkronen bedacht.

      Der Kerl schien ganz nett, auch seine Frisur war jetzt nicht als typische JU-Männerfrisur zu bezeichnen. Er trug das blonde, lockige Haar bis zur Schulter. Ich stach meine grauen Augen in seine grünen. Er senkte sofort die Lider. So war’s recht:

      »Was machst du?«

      »Jurist in Ravensburg.«

      »Spezialisiert?«

      »In einer Kanzlei, mein Ressort ist Verkehrsrecht.«

      »Hört sich gut an, könnten wir gebrauchen. Hobbys?«

      »An erster Stelle Motorrad, dann meine Hütte im Ried mit

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