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versäumen zu erwähnen, dass ich ein treuer Besucher und Förderer des Zoos bin und insbesondere zu dem Elefantenbullen ‚George‘ ein besonderes Verhältnis aufgebaut habe. Möglicherweise ist Ihnen letztens über einen eher ignoranten Tierpfleger zu Ohren gekommen, dass ich durch das Schreiben vertraulicher Briefe an den Adressaten George dessen Gemüt geschadet haben könne. Dieser Vorwurf ist natürlich völlig abwegig. Wahrscheinlich wird mir mein über die Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis zu George geneidet.

      Wie Ihnen bekannt sein dürfte, finden in Zoos vermehrt besondere Aktionen wie Nachtzoobegehungen oder Dinnerveranstaltungen in der Naturkulisse des Aquariums statt. Derartige Aktionen haben die Zoos immens aufgewertet und für neues Publikumsinteresse gesorgt.

      Ein Verbund von Verlegern und Wirtschaftsförderern hat unter meiner Leitung die Idee entwickelt, in Kooperation mit dem Zoo im nächsten Herbst ein Kunst- und Literaturfestival zu initiieren, das Fauna, Flora, Kunst und Kultur auf eine bisher einmalige Weise miteinander vernetzen soll. Ihr Zoo, werter Herr Dr. Wimmer, ist in der Planungsphase von allen potenziellen Veranstaltungsorten in die engere Wahl gekommen. Hochrangige Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur und Gesellschaft wirken bei dem Projekt mit. Wir rechnen mit Galeristen, Literaten und Künstlern aus aller Welt, die dem Ruf der Festivalleitung Folge leisten werden. Dies nicht zuletzt, weil der prestigeträchtige Scribendus vergeben wird, ein Preis, der die Anerkennung des Kunstbetriebes für eine außerordentliche Leistung darstellt. Professionelle Kreise sprechen schon jetzt von dem Scribendus als dem ‚Oscar der schönen Künste‘. Ob sie damit richtig liegen, mag die Nachwelt entscheiden.

      Wir treten derzeit mit allen Beteiligten in die engere Planungsphase ein und würden auch gerne kurzfristig mit Ihnen und dem Kuratorium des Zoos in direkten Kontakt treten. Bitte nennen Sie uns doch zwei oder drei mögliche Gesprächstermine in der nahen Zukunft. Wir freuen uns auf Ihre Mitwirkung bei diesem innovativen Projekt.

      Mit herzlichen Grüßen,

      Peter Korff

      Projektkoordinator

      PS: Wie kürzlich der Presse zu entnehmen war, sind unflätige Meinungsäußerungen in Briefform, die Haltung des Panda­bären Bao Bao betreffend, beim Zoo eingegangen. Ich lege Wert darauf zu bemerken, dass ich nicht der Urheber dieser Briefe war.

      Frau Ogonnek,

      ich hatte nicht so kurzfristig mit einer Reaktion auf mein Schreiben gerechnet. Vor allem hatte ich nicht mit dieser Reaktion gerechnet, aber vielleicht war ich zu blauäugig.

      Ich bin es schlechterdings nicht gewohnt, durch den Briefschlitz des eigenen Hauses von einer gehbehinderten Seniorin als ‚Nichtsnutz‘, ,Störenfried‘, ,Arschkriecher‘ und ,Belästiger‘ beschimpft zu werden. Das waren jedenfalls die Ausdrücke, die ich aufgrund Ihres Akzentes und Ihrer offenbar schlecht sitzenden Zahnprothese verstehen und später notieren konnte.

      Um wenigstens einige Ihrer wild in die Gegend gebrüllten Fragen zu beantworten – sofern sie nicht ohnehin rhetorischer Natur waren – bin ich

      a) überhaupt nicht der Meinung, dass bei Ihnen im Oberstübchen kein Licht mehr brennt (Zitat Ogonnek)

      oder

      b) Sie aufgrund Ihres hohen Alters in einen infantilen Geisteszustand zurückgefallen sind (sinngemäße Zusammenfassung Korff).

      c) Es liegt mir außerdem fern, Sie zu Straftaten aufzufordern oder Sie dazu zu erpressen.

      d) Auch den Vorwurf unschicklicher Annäherung weise ich entschieden zurück.

      Um es beiläufig zu erwähnen: Meine Hauseingangstür besteht aus gebeiztem Kirschholz, das keine unangemessene Behandlung verzeiht. Unangemessen ist es auf jeden Fall, wenn eine erstaunlich robuste Greisin mit ihrem Gehstock zur Bekräftigung ihres Gebrülls mit aller Kraft im Silbentakt gegen die Tür hämmert. Ich hatte für einen Augenblick daran gedacht, die Tür zu öffnen, sah aber davon ab, weil mein gesundheitlicher Zustand noch fragiler ist als der Zustand der Tür. Ein Schreiner hat bei einer Begutachtung der malträtierten Tür diese als ‚Totalschaden‘ bezeichnet. Außerdem ist der Messingbriefschlitz an der rechten oberen Seite aus der Verankerung gerissen und der Rest eingespeichelt. Ich werde die Angelegenheit meinen Anwälten übergeben.

      Den erlittenen seelischen Schaden vermag ich noch nicht zu beziffern, aber ich denke darüber nach. Der Betreiber des Zeitschriftenladens, der auch unser Periodicum Intelligentia im Angebot führt, fragte mich mit besorgter Miene, was in aller Welt ich getan habe, die ,nette, alte Frau Ogonnek‘ derart gegen mich aufzubringen. Meine ausführliche Antwort würdigte er mit skeptischen Blicken und kaum verhohlener Abscheu. Seine Reaktion ist wahrscheinlich stellvertretend für das Meinungsbild in der Siedlung.

      So kann es nicht weitergehen, Frau Ogonnek,

      P.K.

      Osterfeiertage

      Kreissparkasse

      Abt. Kundenbetreuung

      Herrn Bobe

      Sehr geehrter Herr Bobe,

      bitte verzeihen Sie meine verzögerte Reaktion und suchen Sie bitte in dem Umschlag nicht nach all den Unterlagen, die Sie von mir zu erhalten wünschen (Gehaltsnachweise, den letztjährigen Steuerbescheid, eine Vermögensaufstellung und die Trennungsvereinbarung zwischen mir und meiner Frau; außerdem die letzten drei Bilanzen des Verlagshauses Scientia). Ich verspreche, die erbetenen Unterlagen, so gut es geht, nachzuliefern. Meine Buchhaltung wird derzeit modernisiert, um Ihnen und mir die Arbeit zu erleichtern. Bis die Umstellung Früchte trägt, muss allerdings weiterhin mit Verzögerungen gerechnet werden. Bitte nehmen Sie in der Zwischenzeit mit dem zu mehr als einem Drittel wahrheitsgemäß ausgefüllten Selbstauskunftsbogen vorlieb.

      Sicher sind das Routinevorgänge und absolut berechtigte Forderungen, die jedoch in meinen Augen, der ich eines der weltweit am meisten beachteten internationalen Kunst- und Literaturfestivals initiiere und koordiniere, ein wenig überzogen sind. Wie Sie sich erinnern, bat ich lediglich um die Aufhebung der Sperre für mein Girokonto und die Einräumung weiterer Kreditlinien für den persönlichen und geschäftlichen Bedarf.

      Es ist mir bewusst geworden, dass wir, was meine wirtschaftliche Situation betrifft, diametral entgegengesetzte Ansichten vertreten. Während Sie mit vorsichtig gewählten Worten zu einer Privatinsolvenz rieten und über die Situation des Verlages keine Meinung vertraten, bin ich von optimistischem Gemüt und voller Pläne, die eine fast goldene Zukunft verheißen.

      Die vorübergehende Delle in meinen Einkommensverhältnissen ist der schwierigen Abwicklung meiner Ehe und der Tatsache geschuldet, dass meine Frau Marie ihr Gehalt als Sonderpädagogin nicht mehr auf unser gemeinsames Haushaltskonto einzahlt, obwohl ich sie darum gebeten habe. Dafür bleibt mir der Verlag, der – anders als Sie mutmaßen – nicht ‚in höchstem Maße defizitär ist‘, sondern lediglich in einer Phase der Umstrukturierung nicht die prognostizierten Umsätze abwirft. Und bevor Sie wieder in die Diskussion über den Unterschied von Umsätzen und Renditen eintreten, versichere ich, dass ich diese feinen Unterschiede und auch die zwischen ‚vor Steuern‘ und ‚nach Steuern‘ wohl verstanden habe, selbst wenn ich für derartige Erwägungen kein Verständnis aufbringen kann. Wenn profane wirtschaftliche Belange ein wegweisendes künstlerisches Konzept erdrosseln, verlieren betriebswirtschaftliche Sichtweisen ihre Legitimität.

      Ich sehe ein, dass ich mich in der jüngsten Vergangenheit zu wenig um die kaufmännischen Aspekte des Verlagshauses gekümmert habe, weil durch die plötzliche Vakanz, die meine Ehefrau Marie hinterlassen hat, die rein künstlerische Seite des Unternehmens durch meine Person eine überproportionale Aufmerksamkeit erfuhr. Daher danke ich Ihnen, dass Sie mir zur Deckung meines Lebensbedarfs eine weitere kleine Überziehungsmöglichkeit für mein Konto eingeräumt haben. Ich werde höchst verantwortungsbewusst davon Gebrauch machen.

      Darf ich Ihre Bank auch zu den Sponsoren des Literaturfestivals zählen oder wünschen Sie, das Sponsoring für den Scribendus Award zu übernehmen? Sie werden überrascht sein, welcher

      Imagegewinn für die Kreissparkasse dabei entsteht. Ich erlaube mir in dieser

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