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wurden nicht die ‚gewichtigsten Stimmen der Literaturkritik‘ in die Jury geladen, sondern die Ehegatten bestimmter Honoratioren und das Gefolge von Sponsoren. Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, ja sogar der Üblichkeit entsprechend, wenn man sich von Veranstalterseite aus nicht das Mäntelchen literarischer Exzellenz wider besseres Wissen umgehängt hätte.

      Den verschleierten Amateurstatus des Festivals erkennen Sie allein an der Tatsche, dass der über die nationalen Grenzen hinaus renommierte Verlagsleiter, Herausgeber und Kritiker Peter Korff nicht eingeladen war. Er ist der Literat, der Irvine Bristlewaithe entdeckt und zur Reife gebracht hat, den Mann, der Wort und Installation in einen bisher nicht gekannten Zusammenhang setzte. Und das ist nur ein Beispiel. Wer einen solchen Kenner und Könner ignoriert und seine Veranstaltung dennoch ,Literaturfestival‘ nennt, ist hoffnungslos dekadent, um nicht zu sagen verlogen.

      Um mir weitere Worte zu ersparen, die meine Empörung ohnehin nicht ausreichend widerspiegeln würden, habe ich diesem Leserbrief eine Gegendarstellung zu Ihrem Redaktionsartikel beigefügt. Bitte machen Sie gerne Gebrauch davon.

      In gerechter Verärgerung,

      ein aufrechter Literaturfreund

      Anlage

      Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,

      in Erwiderung auf das auf eine anonyme Anzeige hin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Tierquälerei, Sachbeschädigung und Erregung öffentlichen Ärgernisses, gebe ich folgende Stellungnahme zur Kenntnis:

      1. Der anonyme Anzeigenerstatter hat die von ihm gemachten Beobachtungen, das zweite Stockwerk meines Einfamilienhauses betreffend, falsch wiedergegeben.

      2. An besagtem Donnerstag gegen 23.00 Uhr befand sich kein perverser Taucher in meinen Privaträumen, der bei geöffnetem Fenster und starkem Kunstlicht ein Kamel mit einem knüppelartigen Gegenstand vergewaltigte.

      3. Das Kamel war kein Kamel, sondern ein Dromedar.

      4. Das Dromedar war aus Plastik. Zum Beweis mag die Zeugenaussage des Umzugsunternehmens Mölle dienen, das an selbigem Donnerstag das Dromedar anlieferte und mit viel Mühe in das Atelier im zweiten Stock meines Hauses schaffte.

      5. Der Taucher war kein Taucher, sondern der allseits geschätzte und vom internationalen Kunstbetrieb hochgelobte Actionkünstler Frank Pesser, der es unternahm, in meinem Haus letzte Schweißarbeiten an besagtem Dromedar durchzuführen, um das Exponat für die große Werkschau ‚Tiere der Wüste verletzt‘ zu fertigen.

      6. Der kreative Prozess wurde durch lautes Rufen und eine durchaus drohende Haltung meiner Nachbarin, Frau Ogonnek, gestört, die auch die Anzeigenerstatterin sein mag.

      7. Der knüppelartige Gegenstand war ein Schweißbrenner, die Taucherbrille eine Schweißbrille und die Lichtblitze mitsamt schwefligem Geruch ein notwendiger Ausfluss des Arbeitsprozesses und kein Beweis für die Anwesenheit Satans. Frau Ogonneks Rufen war genau diese Besorgnis zu entnehmen.

      Zusammengefasst versichere ich, dass am vergangenen Donnerstag gegen 23.00 Uhr in der zweiten Etage meines Einfamilienhauses kein Kamel von einem perversen Satanstaucher mit einem knüppelartigen Gegenstand penetriert wurde, sondern vielmehr eine hoch seriöse künstlerische Performance zelebriert wurde, deren Bedeutung für die Stadt und den Kreis noch gar nicht abzusehen ist.

      Der Künstler selbst lehnt jeden Kontakt mit der Polizei ab, ist aber damit einverstanden, auf dem Schriftwege befragt zu werden. Derzeit verständigt sich der Künstler ausschließlich in arabischer Sprache, weil er es für unerlässlich hält, mit den Gesamtumständen seiner künstlerischen Projekte vollkommen zu verwachsen.

      Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften gedient zu haben und verbleibe respektvoll, Ihr

      Peter Korff

      Projektleiter Gegenwartskunst

      Sehr geehrte Damen und Herren des örtlichen Finanzamtes,

      Sie sehen mich verstört und verwirrt. Über Jahre hinweg war ich stets ein ebenso folgsamer wie unverständiger Steuerzahler, der das seinerseits Nötige tat, um seinen staatsbürgerlichen Pflichten auch ohne vertiefte Kenntnis des Steuerrechts nachzukommen.

      Als die junge Dame und ihr Begleiter – ein ansehnliches Pärchen übrigens – im letzten Sommer in mein Verlagshaus kamen und um Einsicht in unsere Buchhaltung baten, kooperierten wir bereitwillig. Die Begründung für den Eingriff, der uns als ‚Steuerprüfung‘ vorgestellt wurde, löste keine weitere Beunruhigung aus, nachdem die Herrschaften versicherten, es handele sich um eine oft geübte Routinemaßnahme. Nach drei Tagen intensiven Aktenstudiums war den Gesichtern nicht zu entnehmen, was nunmehr, mehrere Monate nach dem Besuch, auf den Verlag zukommen würde.

      Ich muss sagen, dass mich die Nachforderung, die Höhe derselben und der kompromisslose Ton, in dem das Anliegen seitens des Finanzamtes vorgetragen wird, zutiefst erschrecken und nicht minder verletzen.

      Hiermit weise ich die Anmutung des Finanzamtes in aller Form zurück und bitte um eine höflich formulierte Erklärung zu dieser leidigen Angelegenheit. Gerne verzeihen wir Ihnen, sollte es sich um einen Irrtum handeln, weil das australische Bruttoinlandsprodukt in das von Ihnen verwendete Zahlenmaterial geraten ist. Wir sollten uns demnächst wie Bildungsbürger über das Nötige und Mögliche unterhalten, statt Vollstreckung anzudrohen, ohne überhaupt zuvor in Verhandlungen eingetreten zu sein.

      Sie werden meinen Standpunkt sicher honorieren und der ­Verlag ist bereit zu vergessen.

      Mit freundlicher Hochachtung,

      Peter Korff

      Hauptgeschäftsführer

      Mein lieber, alter Freund George,

      lange habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Das ist nichts Neues für Dich und ich weiß, dass Deine sprichwörtliche Langmut beinahe unbegrenzt ist.

      Da ich unsere Korrespondenz archiviere, so wie ich das aus Tradition und Pflichtbewusstsein mit fast allen Dingen von Belang tue, konnte ich unsere letzten Gedankenaustausche noch einmal nachlesen und weiß daher, dass wir bei dem Moment stehen geblieben waren, als Marie mich verließ. Das war wirklich ein gravierender Einschnitt in meinem Leben.

      Ich erinnere mich genau, was Du mir in Deiner Lebensweisheit zu verstehen gegeben hast, alter Freund. Ich solle mich von dem Alten abwenden und Neuem zuwenden. Das war sicherlich richtig, aber ich vermochte die Weitsicht dieses Rates in meinem Kummer nicht zu erkennen. Ehrlich gesagt war ich sogar abgestoßen von Deiner Dickhäutigkeit und Deiner scheinbaren Gleichgültigkeit, mit der Du nach dem Anhören der für mich katastrophalen Entwicklung wieder Deinen Alltagsgeschäften nachgingst.

      Ich fühlte mich vernachlässigt und missverstanden, von Marie, meinen geschätzten Autoren, den Lesern, Abonnenten, den Menschen in unserer Stadt und nicht zuletzt von Dir. Dafür möchte ich mich jetzt, mehr als zehn Monate zu spät, von Herzen entschuldigen. Ich bin weit davon entfernt, als geheilt bezeichnet werden zu können, aber ich bin gereift, ich bin auf dem Sprung, ich bin lebendig und voller Ideen.

      Ja, ich gebe zu, dass ich entmutigt war und passiv entgegennahm, was an Realität auf mich einstürmte. Ich habe es sogar versäumt, die zweite Halbjahresausgabe von Intelligentia rechtzeitig herauszubringen, was mir berechtigte Schelte bei der Leserschaft einbrachte und dazu führte, dass die Abonnentenzahl um 28 Prozent zurückging. Eine Reihe von Büchern, darunter die vielversprechende feministische Streitschrift ‚Die Hyazinthe als Symbol des Phalluskultes‘, ist im Lektorat stecken geblieben und mein Staubsauger gab widerwärtige Geräusche von sich, als ich nach Wochen oder Monaten des Selbstmitleids wieder einmal mein Haus einem zaghaften Reinigungsversuch unterzog. Du weißt selbst, mit welch ungeheuerlicher Geschwindigkeit sich Schmutz ansammelt, wenn man ihn gewähren lässt.

      Es wird Dich freuen zu hören, dass ich als Nebenprodukt meiner Trauer zu einer Art unfreiwilligem Vegetarier wurde. Anscheinend hatte ich noch unvorstellbare Vorräte an Dosenobst und Kidneybohnen in der Vorratskammer im Keller. Jedenfalls fand ich mich am Ende meiner Trauer umgeben von ganz genau 741 geöffneten Dosen Obst und Gemüse, davon interessanterweise auch 5 Dosen, von denen ich mir sicher bin, dass ich sie niemals gekauft

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