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jüdischen Glaubenden als personales Subjekt und als Gegenüber erfahren.

      Jesus lebt und handelt aus diesem jüdischen Gottesverständnis und er verkündet durch sein Handeln und durch seine Gleichnisse, Wunder und Worte, dass die Herrschaft dieses Gottes nahe ist, ja, dass sie bereits jetzt anbricht, und zwar über die Grenzen des Judentums hinaus für alle Menschen. Der personal verstandene jüdische Monotheismus Jesu wird von der christlichen Theologie später zum trinitarischen Gottesverständnis ausgebaut, in das Jesus und der Geist einbezogen |28| sind. Der personale Monotheismus, der alle Völker umgreift, wird darin gegen viele Missdeutungen streng festgehalten.

      Der Islam fasst sein Gottesverständnis, das er dem Judentum und dem Christentum entnimmt, in dem Satz zusammen: »Es gibt keinen Gott außer Gott«. In Sure 112 wird der islamische Monotheismus gegenüber dem Polytheismus und gegenüber einem nicht verstandenen Trinitätsglauben abgegrenzt.

      Der Monotheismus sprengt alle regionalen und kulturellen Begrenzungen und bildet eine Basis für die Universalreligion. Das bedeutet freilich nicht, dass ein personales Gottesverständnis oder überhaupt eine Art von Gottesgedanke die Bedingung für eine Religion oder gar für eine Universalreligion wäre. So ist z. B. der Buddhismus eine nichttheistische Religion, die weder einen Gott noch eine Gottesverehrung kennt.

      1.4.1 Was ist unter »Kultur« zu verstehen?

      Seit die Römer das Wort »Kultur« (cultura) erfunden haben, wird darüber gestritten, was darunter zu verstehen ist. In den Streit der Spezialisten müssen wir uns hier nicht einmischen. Für unseren Zusammenhang reicht jene weite Umschreibung, die allgemein anerkannt ist. Danach gilt als Kultur all das, was nicht von Natur aus gegeben ist, sondern durch den Menschen, durch dessen geistige und handwerkliche Fähigkeiten an Welt- und Lebensgestaltung hervorgebracht wird.

      Darin sind vier Dinge hervorzuheben:

      1 Kultur ist keine Sache des Einzelnen, sondern stets die Gesamtleistung einer Gruppe von Menschen, die in der Lage sind, sich untereinander zu verständigen.

      2 |29| Von den frühesten Kulturen an war die Sprache die wesentliche Basis für das Entstehen und den Aufbau einer gemeinsamen Kultur.

      3 Kultur ist keine starre Größe. Sie verändert sich mit den Lebensbedingungen und mit den Antworten, die die kulturelle Gemeinschaft auf die jeweils aktuellen Lebensfragen gibt. Kulturen sind historisch sich verändernde Ganzheiten.

      4 Es gibt keine gewordene Gemeinschaft ohne Kultur, denn die Kultur macht gerade das Gemeinsame einer menschlichen Gemeinschaft aus.

      In der Frühzeit der Menschen und auch in den Naturreligionen bilden Kultur und Religion eine untrennbare Einheit. Wenn Religion die elementaren Sinnfragen des menschlichen Lebens stellt und darauf Antworten gibt, so repräsentiert sie das umgreifende Sinngefüge, von dem her die kulturelle Gemeinschaft ihr Sozialgefüge, ihr soziales Verhalten, ihr Verhältnis zur Natur ordnet und die Richtung ihrer kulturellen Entwicklung steuert.

      In den regionalen Hochreligionen ist die Dominanz der Religion zwar noch gegeben, aber Religion und politische Herrschaft beginnen sich bereits als eigenständige kulturelle Bereiche zu profilieren. Herrscher und Priester ergänzen einander und bilden gelegentlich eine Personalunion. Das Irdisch-Weltliche bleibt aber im Nichtirdisch-Göttlichen verankert und auch darauf ausgerichtet. In den meisten islamischen Ländern ist die enge Verbindung von staatlicher Macht und Religion bis heute das Normale.

      In den alten Kulturen äußert und präsentiert sich Religion öffentlich in der Gestalt von Kult. Das Wort »Kult« ist, wie auch »Kultur«, aus dem lateinischen colere hergeleitet und |30| bedeutet »hegen und pflegen«. Im Kult wird der Umgang mit dem Heiligen, den Göttern und dem Göttlichen in geordneter Weise gepflegt und in den Formen der Kultgemeinschaft vollzogen. Der Kult ist eine Art Begegnungs- und Vermittlungsstelle zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen. Im Kult verehrt die Gemeinschaft zum einen die göttlichen Mächte, und sie empfängt darin zum anderen auch deren Segen und Bestätigung für ihr irdisches Handeln. Der Kult veranschaulicht und dokumentiert in den alten Kulturen die enge Verbindung zwischen Religion und Kultur. Er ist eine öffentliche Angelegenheit.

      Die Nachklänge des Kultischen sind selbst in jenen Gesellschaften gegenwärtig, in denen Staat und Religion als streng getrennt gelten. Synagogen, christliche Kirchen und Moscheen prägen bis heute auch in säkularen Gesellschaften das Ortsbild. Jüdische, christliche und islamische Feste gliedern das säkulare Jahr und sind auch in jenen Ländern und Bevölkerungsschichten prägend gegenwärtig, in denen der Kontakt zu den religiösen Inhalten dieser Feste längst verlorengegangen ist. Weihnachten, Ostern und Pfingsten sind bei uns weithin von Inhalten überlagert worden, die mit ihren Ursprüngen nur noch wenig zu tun haben. Der säkulare Staat entwickelt für seine eigenen Anlässe der Repräsentation religionsartige Kultformen. Denken wir nur an die protokollarischen Riten beim Empfang von Staatsgästen und an die militärischen Zeremonien bei Paraden, Gedenkformen, Vereidigungen.

      1.5.1 Die Alte Welt

      Die Griechen hatten noch keine Bezeichnung für das, was wir »Religion« nennen. Sie trennten nicht zwischen einem sakralen und einem profanen Bereich, weil für sie noch alles Geschehen Anteil am Göttlichen hatte. Staatliches Handeln und |31| religiöser Kult bildeten eine Einheit, die im Kult zum Ausdruck kam. Im Alten Orient und auch im Alten Israel waren die Könige sakrale Gestalten. In Rom nahm Cäsar den sakralen Titel Pontifex Maximus für sich in Anspruch, das taten bis auf Gratian (375–383) auch die nachfolgenden römischen Kaiser. Im 5. Jahrhundert zog dann der römische Bischof in der Folge des Untergangs des römischen Reiches den Titel Pontifex Maximus an sich.

      Die ersten Christengenerationen haben keinen neuen Kult eröffnet, denn sie erwarteten das Reich Gottes. Mit der staatlichen Macht setzten sie sich kaum auseinander. Als Anhänger einer nicht erlaubten Religion verhielten sich die Christen möglichst unauffällig und gegenüber der Staatsmacht loyal. Für sie galt: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist« (Mk 12,17).

      Kaiser Konstantin I. erhob mit dem Toleranzedikt von 313 das Christentum zur anerkannten Religion im römischen Reich. Kaiser Theodosius I. machte das Christentum 380 zur Staatsreligion. Kaiser Justinian I. (um 485 bis 565) verband Kirche und Staat zu einer Theokratie, die vom Kaiser geleitet wurde. In den orthodoxen Kirchen, besonders in Russland, ist das bis heute die Idealvorstellung.

      Im Westen entwickelte sich seit Augustinus († 430) ein anderes Verhältnis der christlichen Kirche zum Staat, nämlich ein spannungsvolles Miteinander, Ineinander und Gegeneinander von kirchlicher und weltlicher Herrschaft. Papst Gelasius I. (492–496) postulierte die Zwei-Schwerter-Theorie. Danach ist die Kirche von der politischen Macht unabhängig. Zu Beginn des 2. Jahrtausends beanspruchte die Kirche den Vorrang vor der weltlichen Macht. Papst Gregor VII. erklärte im »Dictatus Papae« 1075 den Papst zum obersten Herrn der gesamten Erde. Papst Bonifatius VIII. geht noch weiter. In |32| der Bulle »Unam sanctam« von 1302 stellt er fest, dass die geistliche Macht jede irdische Macht überragt, und dass es für jedes menschliche Geschöpf heilsnotwendig sei, dem römischen Bischof unterworfen zu sein. Damit war der Bogen überspannt. Bereits 1309 gerieten die Päpste durch die französischen Könige in die »babylonische Gefangenschaft« von Avignon. Es gab jetzt zwei, später sogar drei Päpste nebeneinander,

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