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Gesichter gesehen?“

      „Ja. So bemalen sie sich. Die Taino taten das auch!“, fügte ich hinzu.

      „Die Taino?“, fragte Richard noch erregt vor Schreck.

      „Eine lange Geschichte, Bruder, und du warst nicht dabei!“

      Richard und manch anderer bekreuzigten sich. Mir wurde klar, dass diese Welt doch nicht groß genug war, um allein und unentdeckt sein Leben in Frieden fristen zu können. Die Frage war: Waren diese Menschen friedlich oder kriegerisch? Dies zu erfahren galt es in der kommenden Zeit. Doch zunächst hieß es, dieses Gold am nächsten Morgen wegzuschaffen und sofort mit dem Bau der Basis zu beginnen. Koste es, was es wolle.

      Nach einer schlaflosen Nacht brachen wir auf und entdeckten tatsächlich einen Pfad, der es uns leicht machte, den Weg zur Magdalena wieder zu finden. Wieso wir den nicht gleich fanden, als wir uns zum Wasserfall begaben, ist mir heute noch ein Rätsel. Trotz der Last, die wir nun zusätzlich trugen, erreichten wir die Bucht am späten Nachmittag, und hocherfreut begrüßten uns die Zurückgebliebenen, denn auch sie hatten eine unruhige Nacht durchgemacht. Wilde hätten sich schreiend und mit eigenartigen Waffen der Truppe genähert, und nur durch die Angriffslust meines tapferen Hundes, den ich von Island mitgenommen hatte und der Papus hieß, wurden sie vertrieben. Ich war froh, dass keiner zu Schaden gekommen war, denn mein Hauptanliegen war, eine friedliche Lösung mit den Einheimischen zu finden. Ob es klappen würde, sei dahingestellt.

      Papus bekam von mir eine große Portion Salzheringe als Belohnung. Und falls die anstehende Jagd uns Wild bescheren sollte, versprach ich ihm einen Knochen so groß wie die Magdalena selbst. Ascanio und die anderen waren überwältigt von dem Gold und wir besprachen den Bau der Basis, mit dem wir sofort nach der Besprechung begannen. Bäume wurden gefällt und Felsen weggeschafft, um das Fundament zu bilden. Die Felsen wurden von den mitgebrachten Maurern zu baufähigem Gestein verarbeitet, und das Ganze ging Tag und Nacht. Die Nordmänner wurden zur Jagd eingeteilt und waren auch am Bau der Basis beteiligt. Ja, sie wurden in den Orden initiiert und wurden somit zu Sergeanten ernannt.

      Wir spürten die Wilden und fühlten sie hautnah, doch sie ließen sich nicht blicken. Tag und Nacht ging das so. Wir schufteten und schufteten und bauten einen Aquädukt nach dem Vorbild der Römer, jedoch aus Holz. Wasser war reichlich vorhanden und die Leitung des Baus übernahmen, wie sollte es anders sein, Gernot und François. Ebenso benötigten wir eine Schatzkammer, da wir jetzt förmlich in Gold schwammen.

      Zwei Maurer aus der Heimat wurden dazu eingeteilt. Meister Burkhardt Weber und Ronald der Augsburger, so genannt, weil er seine Eltern nie gekannt hatte und in einem Kloster in Augsburg aufgewachsen war. Ein ausgeklügeltes System verlangte ich von ihnen, das jeden Einbruch zu einer tödlichen Falle werden ließ, und nur ich und Eduardo Cortez durften davon wissen. Sollten sie es je wagen, davon zu erzählen, würden sie der Höchststrafe ausgesetzt. Stricke und Bäume waren ja reichlich vorhanden. Mit einer leichten Verbeugung versicherten sie mir, dass sie das verstanden hatten.

      Die Monate vergingen, und der Bau nahm Formen an. Es war der 13. August, als mir Eduardo plötzlich auf die Schulter klopfte und ich mich von den Zeichnungen abwendete, damit ich in die Richtung sehen konnte, in die er zeigte. Es war nun soweit. Die Einheimischen ließen sich blicken. Ein Pulk von geschmückten und gefärbten Kriegern dieser Horde, wahrscheinlich die Ältesten, wagte sich sicheren Schrittes zur Baustelle, und sie brachten Gastgeschenke mit. Ich befahl, Ruhe zu bewahren, und legte mir den Mantel so um, dass das Kreuz klar und deutlich zu sehen war. Dies war unser Symbol, wie die Gesichts- und Körperbemalung die ihrige war.

      Rauk und de Saddeleye schritten an meiner Seite, und als wir uns Nasenspitze an Nasenspitze gegenüberstanden, sprach der Älteste in seiner Sprache. Doch Rauk verstand diese Sprache nicht. So weit ins Landesinnere hat sich noch kein Nordmann gewagt. Die Körpersprache des Mannes jedoch verriet mir, dass er den Frieden wollte und dass er uns willkommen hieß.

      „Richard … bring mir ein Schwert … Du weißt schon … und wickle es schön ein!“

      „Zu Befehl!“

      In der Zwischenzeit brachten sechs seiner Krieger fünf erlegte Hirsche und legten sie mir zu Füßen. Richard kam außer Atem an und reichte mir unser Gastgeschenk, das ich dem Stammesführer mit ausgestreckten Armen überreichte. Es dauerte einige Zeit, bis er es annahm, und so machte ich eine kurze Bewegung, um ihn davon zu überzeugen, dass es ein Geschenk war. Endlich nahm er es an und bestaunte das Schwert mit glänzenden Augen. Schreiend hielt er es in die Luft, und seine Männer schrien begeistert mit. Gott sei‘s gedankt.

      Nach einer langen Umarmung hatten wir einen friedlichen Nachbarn gewonnen, und die Hirsche wurden in dieser Nacht über einem großen Feuer gebraten. Es waren Hunderte von ihnen und mehr, Hirsche, Hasen, Truthähne wurden gebracht, gebraten und verzehrt. Wein gab ich nicht heraus, denn ich konnte die Folgen eines Massenbesäufnisses zu diesem Zeitpunkt nicht einschätzen. Wasser musste genügen. Eine Führung auf der Magdalena baute das Vertrauensverhältnis weiter aus, und wir wurden mit der Zeit die besten Freunde.

      Allmählich nahm die Basis mehr und mehr Gestalt an, und das dank der Hilfe unserer neuen Freunde, die sich Chinooks nannten, und auch dank des unermüdlichen Einsatzes meiner Männer, die nie über Sehnsucht nach der alten Heimat klagten. Ja, wir waren offiziell die Krieger Christi und somit Mönche, die zu einem Zölibat einen Eid abgelegt hatten.

      Dogmen und Pflichten durften wir hier nicht verletzen, auch wenn Cortez und ich anders dachten. Die anderen taten es nicht, und dabei wollte ich es belassen. Den Einheimischen war es gleich, und manch Frauenzimmer nutzte die verführerischen Waffen ihrer Rundungen, um den Männern den Kopf zu verdrehen. Doch die harte Arbeit lenkte sie ab, und unser Chaplain Bruder Rutherford gab alles, um den Männern das Sündigen zu verbittern.

      Am 3. Oktober, genau zu meinem 35. Geburtstag, war die Basis fertiggestellt, und ein schöneres Geschenk konnte ich mir nicht wünschen. Aber Moment. War auch nicht Ashkelon damals an meinen Geburtstag fertiggestellt worden? Zufall oder ein Wink von oben, dass alles seine Richtigkeit hatte? Wer weiß.

      Eines Tages, es war der 24. Oktober 1137, kam Kimey, das Oberhaupt, zu mir und versuchte, mir zu erklären, dass der Winter käme. Er zeigte gen Himmel und ich begriff, dass es als Warnung galt, uns gut auf den Winter vorzubereiten. War es wirklich schon so weit? Wie schnell die Zeit doch verging. Doch was er mir eigentlich vermitteln wollte, war, dass ich ihn zu seinem Volk begleiten sollte. Zu seinem Dorf, wenn man so will. Ich stimmte zu und beauftragte Rauk, Ralf, Gernot, Eduardo und diesmal auch Ascanio, mich zu begleiten.

      Der Marsch war lang und anstrengend und wir kamen nach geschätzten drei Glasen an seinem Sitz an. Der Rauch mehrerer Feuer stieg aus Hütten, die mehr schlecht als recht aus Ästen und Fellen zusammengezimmert waren. Kinder und Frauen umgaben uns kichernd und begrüßten uns mit lauten Rufen. Dann sah ich, was Kimey mir zeigen wollte: große ausgelegte Büffelfelle. Noch größere als die, die ich bei Anukai zu sehen bekommen hatte. Das mussten riesige Tiere gewesen sein, die solche Mengen hervorbringen konnten, und dann fiel das Wort Bison. Kimey zeigte auf eines der Felle und wiederholte dieses Wort immer wieder: „Bison, Bison“.

      So hieß also dieses Ungetüm von einem Tier: Bison. Dann zeigte er mir Fleisch, das an Gestellen zum Trocknen hing und einen Gestank von sich gab, sodass ich nur mit Mühe das Kotzen unterdrücken konnte. Was er aber damit sagen wollte, war: Wir müssen uns auf den Winter vorbereiten. Felle und Fleisch sollten wir lagern, sonst würden wir nicht überleben, denn Gold könne man nicht essen. Ich nickte und reichte ihm die Hand. Ich sollte also mit ihm auf die Jagd gehen. Welch selbstlose Menschlichkeit diese Einwohner eines wilden Landes doch besaßen. Es gab sie hier ebenso, wie es sie auf der Welt immer gab: Liebe.

      Die Liebe, die Jesus Christus uns vermitteln wollte, gab es hier in bedingungsloser und unermesslicher Weise. Mich überkam ein Gefühl der Rührung und des Glücks. Konnte es denn sein, dass Gott hier wieder mit mir sprach? Mir zeigen wollte, dass es, wie groß die Welt auch immer war, keinen größeren Schatz, keinen größeren Reichtum gibt als die Nächstenliebe? War es das, warum ich hierher gesegelt war, um zu erfahren, dass, egal wohin der Wind uns weht, Gott in der Liebe zu finden ist, die uns durch andere gegeben wird, egal, für wie wild und schrecklich wir sie halten?

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