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Es ist besser, wir legen uns hin. Wer weiß schon, was der Morgen uns bringt.“

      Der Morgen kam und versetzte uns in unendliches Staunen. Wie viel Glück wir hatten, hier angelegt zu haben, bewies der Anblick, der uns an diesem Tag des 10. Juni 1137 beschert wurde. Wären wir nur etwas weiter gesegelt, so hätten mächtige Eisbrocken, die da vom hohen Felsen fielen, uns und die Magdalena zermalmt wie eine Mühle das Korn. Schmelzwasser und Eisschollen brachen den Hang hinab und rissen Felsbrocken dieses Berges mit sich in die Tiefe. Es war der Rat eines Schutzengels gewesen, der mir den rettenden Hinweis übermittelt hatte, mich weiter entfernt von der Küste zu bewegen und dort anzulegen, wo wir uns jetzt befanden. Kein Wunder, dass dieser Lärm so ohrenbetäubend und furchterregend war.

      Noch furchterregender war Rauks Hinweis, als er mich zur anderen Seite dieses Meeres wandte und ich noch eine Küste vor mir sah. Mir war nun klar, dass wir uns nicht mehr auf offenem Meer befanden, sondern an einem übergroßen Fluss. Es war mehr ein Strom, der sich vom Meer aus entwickelte. Dies war also der Fluss, von dem Anukai gesprochen hatte, und dies musste der Wasserfall sein, an dem Gold gefunden wurde.

      „Anker lichten und den Kahn zur Mitte des Stroms treiben lassen!“, befahl ich.

      „Aber Admiral, die Rahsegel sollten wir ebenfalls setzen, sonst könnten wir sonst wohin getrieben werden!“, beschwerte sich Ascanio. Er hatte recht, doch ich wollte nichts riskieren und bestand darauf, die Rahsegel erst zu setzen, wenn wir reichlich Abstand von dieser teuflischen Küste hinter uns gebracht hatten. Mein Befehl wurde ausgeführt, und als die Magdalena, dem Himmel sei Dank, genügend Abstand hinter sich gebracht hatte, wurden die Rahsegel hochgezogen und wir segelten diesen Strom hinunter, bis wir eine sichere Bucht fanden, um wieder anlegen zu können. Ein Gefühl sagte mir, dass da, wo der Wasserfall sein stürzendes Ende fand, auch viel edles Gestein hinuntergespült wurde. Den Weg dorthin würden wir zu Fuß beschreiten. Wir fanden eine Bucht und ein flaches Landstück, wo wir bequem die Beiboote absetzen konnten. Die Bucht war wie für unseren Plan gemacht. Sollten wir dort Gold oder Silber oder am besten beides finden, so würde hier eine Basis gegründet.

      Die Zelte wurden aufgestellt und die Männer für einen langen Marsch zum Appell gerufen. Vierzehn Mann blieben an der Bucht zurück, darunter Ascanio, dem nun die Sicherheit der Magdalena verantwortlich anbefohlen wurde. Einundzwanzig Mann marschierten dann unter meinem Kommando landeinwärts nach Osten in Richtung Wasserfall.

      Uns lief der Schweiß den Rücken hinunter, und die Stechmücken erschwerten verstärkt unser Vorhaben und unsere Fortbewegung, sodass wir die Kapuzen über unsere Köpfe zogen, was uns aber noch mehr zum Schwitzen brachte. Es ging bergauf und bergab, und der Boden unter unseren Stiefeln war rutschig und matschig. Ein strapaziöser Akt, der mehr einer Eliteübung glich. Doch dies hier war keine Übung, und wir hatten für eine solche Situation nicht die geringste Erfahrung. Wir kamen sehr langsam voran, und der Wald sang sein eigenes Lied. Kuckucke schrien ihren Ruf, und hier und dort klopfte ein Specht. Zweige und Äste bogen sich im Wind und des Öfteren hoppelte ein hasenähnliches Tier vor uns davon. Die Magdalena war schon lange nicht mehr zu sehen, und je weiter wir gingen, desto dichter und dunkler wurde der Wald.

      Am Abend endlich hörten wir das Donnern. Ohne Zweifel hatten wir den Wasserfall erreicht, doch die Bäume behinderten unsere Sicht, bis plötzlich einer laut „Vorsicht!“ schrie. Ein steiler Abhang lag mit einem Mal vor unseren Füßen, der uns alle hätte zum Verhängnis werden können. Gernot und François wussten, was zu tun war, und banden dicke Seile um Baumstämme, damit wir den Abhang hinunterklettern konnten. Geraume Zeit später befanden wir uns dort, wo wir sein wollten. Bevor wir etwas suchten oder unternahmen, legten wir eine Rast ein. Das Atmen fiel uns schwer, und wir zogen uns nackt aus, damit wir in das eiskalte Wasser springen konnten, um uns vom Schweiß und von den Mücken zu befreien. Durchgestochen hatten uns die Biester.

      Renaldo, der Medicus, rieb uns mit stinkendem Robbenfett ein, das wenigsten die Mücken fernhielt und den Juckreiz der Stiche erheblich linderte, das Feuer tat ein Übriges. Es war herrlich, wieder ein Bad genommen zu haben, und man fühlte sich gleich wohler und entspannter. Nichtsdestotrotz wurde es kühl und wir froren leicht an diesem Junitag, der eigenartiger sich nicht hätte entwickeln können.

      Wir erlebten wahrlich jeden Tag etwas Neues und Unbekanntes. Etwas, das wir nie hätten erfahren können, wären wir in Jerusalem, Ashkelon oder in Frankreich geblieben. Rauk schnitzte sich aus einem Ast eine Art Harpune, begab sich an den Rand des Wassers und kurze Zeit später hob er stolz einen Lachs in die Höhe. Dann wieder einen und wieder einen. Unsere Mahlzeit war somit gesichert, und die Salzheringe blieben im Fass. Doch plötzlich blieb er wie vom Blitz getroffen stehen und kniete sich nieder. Er fing an, im Wasser zu wühlen, als ob er sich die Hände waschen wollte. Doch dies war nicht der Fall, denn er holte etwas heraus, das ein Lächeln in seinem Gesicht erscheinen ließ: Gold. Er hatte einen Goldklumpen gefunden. Cortez und ich sahen uns an, liefen zu Rauk hinüber und knieten uns hin, um dasselbe zu tun. Und siehe da, Anukai hatte recht.

      Der ganze Fluss offenbarte uns den unentdeckten Reichtum der Natur dieses Landes. Gold, so weit das Auge reichte. Wir lachten und umarmten uns, ohne zu ahnen, dass wir aus der Ferne beobachtet wurden. So unbewohnt und verlassen dieses Fleckchen Erde erschien, so sehr sollten wir uns da getäuscht haben. Wir bemerkten unsere Beobachter nicht.

      „Eduardo. Ich denke, wir haben eine neue Heimat und du hast ein neues Ashkelon entdeckt. Was meinst du?“

      „In der Tat, das haben wir, Bruder. Mit diesem Gold werden wir die Heuchler Roms in die Knie zwingen können und ein neues Reich der Wahrheit gründen, Tempel und Schulen für die Wissbegierigen und die Türen zum Garten Eden für die Menschheit öffnen. Nie mehr hungern. Nie mehr Kriege. Nie mehr Unterjochung …!“ Cortez hielt sich einen dieser Klumpen nah vor das Gesicht und lächelte glücklich wie ein Kind.

      Ich gratulierte Rauk zu diesem Fund, und er war mehr als erfreut zu erfahren, dass wir hier eine neue Basis gründen würden. Ja, ich hatte ihn definitiv wieder. Er ging so weit, mir zu erklären, dass er, Sven, Thiere, Enar und Lars sich dem Orden anschließen wollten. Ich sah Ralf de Saddeleye an, als er mir das übersetzte, und ich nickte. Ich würde die fünf initiieren, sobald wir zum Hauptlager zurückgekehrt waren.

      Ein Eid würde über jeden Zweifel erhaben sein und Meuterei wäre dann für immer aus der Welt geschafft. Rauk und die fünf schlugen sich auf die Schulter und sichtbar stolz unterhielten sie sich in ihrer Sprache, sodass wir uns mit ihnen freuten. Wir beschlossen, hier zu übernachten und erst am nächsten Morgen zur Magdalena zurückzukehren.

      Die Nacht brach ein und wieder sang der Wald sein Lied, doch diesmal klangen die Rufe verdächtig. Ja, es hätten Eulen sein können, aber so viele Eulen auf einmal waren mir unheimlich. Auch den anderen erschien das ungewöhnlich. Die Schwerter und die Armbrüste wurden präpariert und wir postierten uns weg vom Feuer, damit die Dunkelheit unsere Position nicht verriet. Das Knacken brechender Zweige verriet, dass sich Schritte näherten. Wölfe? Vielleicht. Hirsche? Wer weiß. Bären? Dafür waren die Schritte zu leicht und zu vorsichtig.

      Ein Schatten verriet mir, dass es sich um einen Menschen handelte. Man sah ihn kaum. Die Tarnung war gut, aber nicht gut genug für eine Truppe gut ausgebildeter Templer, die ihr Kriegshandwerk im Heiligen Land erlernt und bewiesen hatten. Und hier an diesem Tag war ich den Haschaschinen dankbar, denn dank ihnen hatte ich mich damals zu einer perfekten menschlichen Waffe entwickelt. Eine Zeit lang geschah nichts, und auch wir rührten uns nicht. Dann wagte einer tatsächlich, sich dem Feuer zu nähern und eine der Tuniken, die dort zum Trocknen lagen, anzufassen und sich umzulegen.

      Das ging nun auch mir zu weit: Ich stand von meinem Versteck auf und rannte ihm schreiend entgegen. Starr vor Schreck blieb der Mann stehen, und als er mich sah, glaubte er, einen Geist zu sehen, der seine Welt nie betreten hatte. Ein Schrei durchfuhr ihn und er rannte weg. Als ich ihn fangen wollte, hörte ich plötzlich mehrere Schritte gleichzeitig. Er war nicht allein. Er hatte Begleitung.

      Sie waren schneller, und wir konnten nichts sehen in dieser Dunkelheit. Dann war da der Heimvorteil dieser Eingeborenen nicht zu vergessen.

      Dies war ihr Gebiet, doch von nun an auch meines, und davon würde mich keiner abbringen.

      „Was waren

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