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das Licht in seinem Zimmer und ging ins Wohnzimmer hinüber. Auf dem Tisch lag ein Roman, den sie seit Wochen lesen wollte. Immer wieder kam etwas dazwischen. Aber heute abend war es vielleicht gut, sich ein wenig abzulenken.

      Nein. Vorher würde sie ihr Versprechen halten und ihren Exmann anzurufen.

      Er war nicht zu Hause, wie sie es erwartet – und vielleicht gehofft? – hatte. Julia hinterließ eine kurze Nachricht auf seinem Anrufbeantworter.

      Nele möchte dich sehen. Ruf doch bitte an, sobald du Zeit hast.

      Das mußte genügen. Hoffentlich ließ er Nele nicht unnötig warten.

      Nachdem sie den Hörer nun schon einmal in der Hand hatte, überlegte sie, ob sie Torsten noch einmal anrufen sollte. Schließlich legte sie den Hörer jedoch auf, ohne seine Nummer zu wählen. Es vergrößerte nur ihre Sehnsucht, seine Stimme zu hören.

      Nele mußte erstaunlicherweise nicht lange warten. Schon am nächsten Abend kam der Anruf ihres Vaters. Als sie mit ihm gesprochen hatte, kam sie strahlend zu Julia in die Küche. Sie hatte Nele bewußt allein gelassen.

      »Ich kann am Freitag bis Sonnabend zu ihm kommen. Wir gehen ins Kino und essen.«

      »Das ist ja schön.«

      »Er wollte mal mit mir allein sein, sagt er. Deshalb findet er es auch gar nicht schlimm, daß Patrick nicht mit will.«

      »Das mußt du Patrick aber so nicht sagen, oder, Nele?«

      »Nein, klar, mache ich nicht.«

      Julia hoffte, daß Nele sich daran hielt.

      Ihre Mutter machte Julia den Vorschlag, Patrick zu sich zu bringen, wenn Nele bei ihrem Vater war.

      »Das ist doch eine schöne Gelegenheit für dich, dir auch etwas vorzunehmen. Ich merke, daß du ein bißchen unruhig bist.«

      Das war richtig. Julia dachte ständig an Torsten. Und wenn sie ehrlich war, hatte sie auf so einen Vorschlag gehofft, als sie ihrer Mutter von Thomas’ Einladung an Nele erzählt hatte.

      »Mal sehen. Ich weiß nicht, ob Torsten Zeit hat.«

      »Die wird er schon haben, wenn er hört, daß du nicht schon so bald wieder nach Hause mußt«, meinte ihre Mutter lächelnd.

      So war es. Torsten freute sich.

      »Dann machen wir uns einen wunderschönen Abend, Julia. Wie wäre es mit Theater? Oder lieber Kino?«

      »Theater wäre schön…«

      »Gut, dann das volle Programm. Vorher gehen wir schön essen, dann trinken wir bei mir eine Flasche Champagner.«

      Und dann bleibe ich da…, ergänzte Julia seine Worte in Gedanken.

      Patrick war begeistert, als er hörte, daß er allein bei seiner Großmutter schlafen durfte. Er konnte sie mühelos um den Finger wickeln, und das bedeutete Fernsehen, Cola und Chips, einschließlich spätes Schlafengehen natürlich.

      Am meisten war Nele aufgeregt. Sie bestand sogar darauf, ein neues T-Shirt zu bekommen.

      »Papa möchte sicher, daß ich toll aussehe, wenn wir essen gehen!«

      Julia versuchte gar nicht erst, es ihr auszureden. Wenn ihre Seligkeit von einem neuen T-Shirt abhing, dann sollte Nele es haben. Am Donnerstag gingen sie zusammen einkaufen. Patrick nutzte die Gunst der Stunde und wünschte sich ein neues kleines Auto. Und weil die Stimmung so gut war, besuchte Julia mit den Kindern hinterher noch eine Pizzeria.

      »Was wollt ihr haben?«

      Die Kinder wählten mit Bedacht ihren Belag. Julia hörte ihnen amüsiert zu, wie sie ihre Vorschläge gegeneinander abwogen.

      »Oh, guten Abend. So eine Überraschung… Das sind also Ihre Kinder?«

      Julia schaute hoch. Vor ihr stand die Mutter von Dr. Dorn, angetan mit einem lila Leinenkleid, das so weit wie ein Zelt war. Dazu trug sie lange silberfarbene Ohrringe.

      »Frau Dorn, ja, das sind meine Kinder Nele und Patrick. Kinder, Frau Dorn ist eine sehr nette Kundin von mir…«, stellte Julia die ältere Dame leicht verwirrt vor.

      Nele starrte die Frau fasziniert an. Sie war ungefähr so alt wie ihre Oma, aber da hörte auch schon jede Ähnlichkeit auf.

      »Guten Abend, Nele, guten Abend, Patrick. Ich will nicht stören, heute hatte ich einen unbezwingbaren Appetit auf Pizza, deshalb bin ich hier. Passiert mir nicht oft, aber manchmal muß es sein, oder? Sie ist hier sehr gut.«

      Frau Dorn lächelte Nele und Patrick zu. Julia hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.

      »Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?«

      Sie merkte an Neles Reaktion, daß sie genau dem Wunsch ihrer Tochter entsprach.

      »Aber ich möchte auf keinen Fall stören.«

      »Das tun Sie bestimmt nicht.«

      »Sie können hier neben mir sitzen«, bot Nele an.

      Auf ihrer Bank war noch Platz. Sie rückte sofort zur Seite und gab Patrick einen kleinen Schubs.

      »Danke, das ist sehr lieb von dir. Habt ihr euch denn schon etwas ausgesucht?«

      »Nein, wir können uns nicht entscheiden…«

      Sofort vertieften sich die drei in eine erneute Diskussion darüber, welches denn nun die besten Zutaten zu ihrer Pizza seien. Frau Dorn machte einen Vorschlag, der die Zustimmung der Kinder fand.

      »Wie wäre es, wenn wir alle etwas Verschiedenes nehmen und dann teilen? Das macht am meisten Spaß. Ich bin auch immer ganz unsicher, was mir wohl am besten schmecken wird.«

      »Das ist toll«, begeisterte sich Nele. Patrick nickte zustimmend, und die Bestellung konnte endlich aufgegeben werden.

      Als hätte Nele nur auf die Ankunft der fremden Frau gewartet, redete sie nun ohne Punkt und Komma. Sie schaute dabei immer wieder bewundernd auf die spektakulären Ohrringe Frau Dorns.

      »Gefallen sie dir?«

      »Sie sehen toll aus.«

      »Die hat mir deine Mama empfohlen. Sie hat einen wirklich guten Geschmack, findest du nicht?«

      »Kann sein. Sie trägt nie so etwas. Meine Oma auch nicht. Aber wenn ich mal groß bin, will ich auch solche Ohrringe haben.«

      »Ich bin sicher, daß du phantastisch aussehen wirst.«

      Julia folgte der Unterhaltung jetzt ganz entspannt. Es war deutlich zu merken, daß Nele keine größeren Probleme hatte. Sie war genauso munter wie immer. Ihre komische Art betraf also nur Julias neue Beziehung.

      Das Essen wurde serviert. Nele verstummte und widmete sich hingebungsvoll ihrer Pizza. Frau Dorn hatte mit Julia zusammen die vier Teigfladen sternförmig aufgeschnitten, so daß sich nun jeder nach Lust und Appetit bedienen konnte.

      »Ich hörte, daß Sie meinen Sohn neulich auf der Party Ihrer Freundin getroffen haben?«

      Julia verschluckte sich fast, als sie Neles Blick sah, der sofort alarmiert von der älteren Dame zu ihrer Mutter schweifte.

      »Ja. Meine Freundin Christine und ihr Mann sind meine besten Freunde.«

      »Marius kennt Paul schon lange, aber sie haben sich jetzt erst kürzlich wiedergesehen. Ich mochte Paul auch immer gern. Er war früher ein paarmal bei uns, als die beiden noch studierten.«

      »Er ist wirklich ein netter Mann und ein sehr guter Vater. Christine hat sehr viel Glück gehabt.«

      »Hat Ihr Sohn auch eine Familie?« unterbrach Nele.

      Vermutete sie, daß der Sohn dieser netten Frau ihr Feind, nämlich der neue Freund ihrer Mutter, war? Julia sah in ihren Augen schon die vorauseilende Ablehnung.

      »Nein, hat er nicht, mein Schatz. Leider, wie ich sagen muß. Ich hätte auch gern solche Enkelkinder wie ihr

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