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Nele, aber ich möchte darüber jetzt wirklich nicht reden«, wies Julia ihre Tochter streng zurecht.

      Frau Dorn schaute Julia verständnisvoll an. Sie schien sofort begriffen zu haben, daß es hier Spannungen gab und wechselte freundlicherweise das Thema, indem sie Nele fragte, ob sie einmal ihre Salamipizza probieren wolle.

      *

      Freitag. Julia hatte sich den halben Tag freigenommen, um Nele ihrem Vater selbst zu übergeben. Ihre Tochter war so aufgeregt, daß sie ganz blaß wirkte. Patrick dagegen richtete sich auf einen gemütlichen Abend bei seiner Großmutter ein. Er hatte schon seinen kleinen Rucksack mit den Übernachtungssachen gepackt, oben schaute sein Teddy heraus, ohne den er das Haus nie verließ. Nele versäumte es kein einziges Mal, ihn damit aufzuziehen, daß ein Junge, der schon groß sein wollte, immer seinen Teddy mitschleppte. Aber heute machte sie keine Bemerkung.

      Julia hatte Schwierigkeiten damit, ihre eigene Unruhe im Zaum zu halten. Sie würde heute bei Torsten übernachten, zum ersten Mal. Und sie ahnte, daß es so schnell auch keine Gelegenheit dazu geben würde, es zu wiederholen.

      Andererseits wollte sie ihrer Tochter gern klarmachen, daß diese nicht mitgehen mußte, falls ihr ihr Vater nun doch fremd erschiene.

      »Nele…, wenn du es dir anders überlegst, mußt du nicht bei Papa schlafen…«, begann sie vorsichtig.

      »Ich will aber!«

      »Schon gut, ich wollte ja nur sagen, daß du bei Oma anrufen kannst. Sie hat nichts dagegen, dich dann auch noch bei sich…«

      »Ich rufe nicht an. Ich will bei Papa sein.«

      Neles Augen blitzten vor Zorn. Dachte sie, Julia wolle ihr das ersehnte Zusammensein mit ihrem Vater noch verbieten?

      »Dann ist es ja gut. Ich freue mich für dich, daß es klappt.«

      Nele antwortete nichts, sondern ging in ihr Zimmer zurück, aber nur, um gleich darauf wieder ins Wohnzimmer zu kommen. Sie schaute aus dem Fenster auf die Straße und sah dann wieder auf die Uhr.

      Julia mußte mit ihren eigenen Vorbereitungen warten, bis Nele weg war. Sie wollte Nele nicht unbedingt auf die Nase binden, daß sie nicht zu Hause sitzen würde.

      Thomas erschien sogar pünktlich zur verabredeten Zeit, was Julia zusätzlich überraschte. Konnte es sein, daß er allmählich Vatergefühle entwickelte? So recht glaubte sie das nicht. Ihr Herz blieb ruhig, als sie ihm die Tür öffnete.

      »Guten Tag, Julia.«

      »Guten Tag, Thomas.«

      Wie lange hatten sie sich nicht gesehen? Julia stellte fest, daß Thomas ein paar graue Haare bekommen hatte und um die Augen herum ein wenig welk wirkte. Er schien noch immer sehr viel zu arbeiten.

      »Ist Nele fertig?«

      Nele beantwortete die Frage selbst, indem sie wie ein Torpedo aus dem Zimmer geschossen kam.

      »Papa!«

      »Hallo, Nele. Bist du fertig? Können wir los?«

      »Ja, ich hole nur meine Tasche!«

      »Willst du Patrick nicht kurz begrüßen?« erinnerte Julia ihn daran, daß er noch ein Kind hatte.

      »Ja, aber rasch. Ich parke ein wenig ungünstig.«

      Natürlich. Es gab immer irgend etwas, das ihn davon abhielt, das zu tun, was man erwarten könnte.

      Julia trat zur Seite und ließ ihn ein. Patrick mußte erst gerufen werden. Dann gab er seinem Vater so artig die Hand, als wäre er ein beliebiger Fremder. Es schien ihm nicht das geringste auszumachen, daß die Einladung nur seiner Schwester galt, wie Julia erleichtert feststellte. Sie hatte diesen Moment ein wenig gefürchtet.

      »Na, geht es dir gut, Sportsfreund?«

      »Ja. Ich schlafe heute bei Oma.«

      »Fein. Dann grüß sie mal schön.«

      Ende der Konversation. Julia war froh, daß Nele nach einer letzten zögernden Umarmung für sie mit ihrem Vater die Wohnung verließ. Es war ausgemacht, daß er sie am nächsten Nachmittag wiederbrachte.

      »So, mein Schatz, dann gehen wir jetzt zur Oma. Ich habe noch einiges zu erledigen.«

      »Okay…«

      Julias Mutter freute sich, daß ihr Enkel bei ihr schlief, wie sie ihm und Julia noch einmal versicherte. Dann schob sie Julia aus der Tür.

      »Nun geh schon. Wir kommen wunderbar klar. Und du genieß den Abend schön.«

      »Ich hole ihn morgen mittag ab.«

      »Ja, ja, nun mach schon. Wir wollen gleich zum Eisessen gehen.«

      Julia spulte, kaum daß sie zu Hause war, ihr Schönheitsprogramm ab. Es war minutiös festgelegt und so gut geplant, daß sie schon eine Stunde vor dem ausgemachten Treffen fertig war. Jetzt kroch die Zeit dahin…

      Ihre Zahnbürste schob sie nach kurzem Zögern doch noch in ein Seitenfach der Handtasche. Sonst nahm sie kein Übernachtungsgepäck mit, als könnte sie sich so vormachen, daß sie das auch gar nicht vorhatte. Aber der Gedanke, daß Torsten nur einen Blick auf ihre Tasche zu werfen brauchte und dann wüßte, wie sehr sie einverstanden war, bei ihm zu schlafen – nein, richtiger – mit ihm zu schlafen, ließ sie rot werden.

      Diesmal holte er sie ab. Julia ging sofort hinunter, als es klingelte.

      »Hallo, mein Schatz, schön, dich zu sehen. Du siehst wunderbar aus.«

      Das neue Kleid war auch teuer genug gewesen. Julia begann leichtsinnig mit dem Geld umzugehen, und doch hatte sie sich nicht bremsen können. Es war einfach perfekt. Cremefarbene Seide und doch nicht overdressed.

      »Danke«, erwiderte sie ein wenig kurzatmig. Diese Wirkung hatte er immer auf sie.

      Der geplante Theaterbesuch ließ ihnen gerade anderthalb Stunden Zeit zum Essen. Aber es reichte, denn der Italiener lag in der Nähe und in diesem Restaurant war man offensichtlich auf Gäste eingerichtet, die nicht so viel Muße zum Essen hatten.

      Torsten unterhielt sie mit kleinen Geschichten, die er während seiner Arbeit erlebte. Julia mußte immer wieder lachen. Wenn man ihm zuhörte, schien der Maklerberuf der lustigste der Welt zu sein.

      »Müssen wir nicht gehen?«

      »Julia, du scheinst mir ein wenig nervös. Darf ich hoffen, daß es mit uns zu tun hat? Du hast doch Zeit heute?«

      Warum mußte er das aussprechen? Julia fühlte sich an ihre Teenagerzeit erinnert. Immer, wenn sie mit einem Jungen verabredet gewesen war, hatte sie sich ganz genauso unsicher gefühlt. Aber jetzt war sie eine erwachsene Frau, die sogar schon eine Ehe hinter sich hatte. Torsten würde ihr nicht allzuviele Überraschungen bieten können.

      Sie holte Luft und lächelte dann etwas angestrengt.

      »Wir werden sehen…«

      Hoffentlich klang das selbstbewußt genug.

      Er lachte leise und nahm ihre Hand, um einen Kuß daraufzuhauchen. Eine Frau am Nebentisch sah ihn schwärmerisch an. Dann traf ein mißgünstiger Blick auf Julia.

      Plötzlich hatte Julia strahlende Laune. Sie nahm diese Dinge einfach zu ernst, statt zu genießen, was das Leben ihr bot. Die Kinder waren bestens versorgt. Sie mußte sich um nichts Gedanken machen, sondern konnte an der Seite dieses gutaussehenden, charmanten Mannes einen tollen Abend und eine hoffentlich auch tolle Nacht genießen. Also los…

      Ihr Lächeln wurde wesentlich entspannter. Torsten sah ihr fasziniert in die Augen. Julia hielt seinem Blick stand.

      Während der Theatervorstellung konzentrierte sich Julia ganz auf die Handlung und die guten Schauspieler. Sie lachte und klatschte an den richtigen Stellen und wirkte sicher mit sich und der Welt im reinen. Torstens Hand strich immer wieder wie zufällig über ihren nackten Unterarm. Dann nahm er ihre Finger und spielte damit ein wenig. Julia lächelte unbeirrt und schaute

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