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nun langsam überzeugt zu haben. Helfen konnte sie trotzdem nicht, die beiden bedankten sich und verließen den Laden.

      »Du hättest Schauspieler werden sollen«, lobte Siebels die überzeugende Vorstellung von Till.

      »Die Tetzloff wird sich wundern, wenn sie wieder zum Einkaufen herkommt. Auf Wiedersehen, Frau Tetzloff, schönen Tag noch und viel Glück beim Ausparken.«

      »Die verklagt uns dann wegen Rufmord. Hoffentlich kann sie hier bald wieder einkaufen, unversehrt.«

      »Ja, während wir hier rumalbern, geht es der vielleicht richtig schlecht. Wer weiß, ob sie überhaupt noch lebt.«

      »Darüber sollten wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Wir machen unseren Job, so gut wir können. Wenn es dann nicht gelangt hat, sind es Tetzloff und Jensen, die sich Vorwürfe machen sollten.«

      »Weit gekommen sind wir hier ja noch nicht. Da drüben ist der Obststand, da werden wir wohl auch nicht schlauer werden.«

      Der Obstverkäufer betrachtete sich das Foto. Achselzuckend entschuldigte er sich, weil er nicht weiterhelfen konnte. Resigniert zogen die beiden weiter.

      »Suchen wir noch den Laden auf, in dem sie die Dessous gekauft hat, danach essen wir hier was und fahren dann zu Tetzloff.«

      Das kleine Geschäft für Damen-Unterwäsche befand sich gegenüber einer Buchhandlung. Siebels übernahm wieder die Initiative.

      »Das ist doch die Simone«, sagte die Verkäuferin überrascht, als sie das Foto betrachtete.

      »Sie kennen Frau Tetzloff persönlich?«

      »Ja, wir sind Freundinnen. Was ist denn mit ihr?«

      Bevor Till wieder die Geschichte von der schlechten Einparkerin Simone Tetzloff erzählen konnte, erfand Siebels eine andere, glaubwürdigere Geschichte.

      »Wir ermitteln gegen einen aufdringlichen Fan von ihr. Frau Tetzloff fühlte sich verfolgt und am Samstag hatte sie einen Auffahrunfall, als sie das Zentrum verlassen wollte. Dabei wurde Frau Tetzloff leicht verletzt und liegt jetzt vorübergehend im Krankenhaus. Der andere Fahrer hat Fahrerflucht begangen. Jetzt versuchen wir zu klären, ob er ihr schon beim Einkaufen gefolgt ist. Können Sie sich an jemanden erinnern? Jemand, der Ihnen aufgefallen ist, als Frau Tetzloff hier im Laden war? Oder hat sie vielleicht eine Bemerkung gemacht?«

      »Nein, sie hat kein Wort darüber verloren. Mir ist auch niemand aufgefallen. Sie war allein im Laden, das weiß ich noch.«

      »Darf ich fragen, woher Sie Frau Tetzloff kennen?«

      »Na ja, wir haben uns vor etwa zehn Jahren kennen gelernt. Wir hatten damals beide von einer Karriere als Model geträumt, ich vielleicht noch mehr als Simone. Wir haben zusammen für Damen-Unterwäsche im Neckermann-Katalog Modell gestanden. Für Simone war das der große Durchbruch. Bei mir hat es leider nicht zu sehr viel mehr gelangt, das sehen Sie ja. Dann habe ich sie jahrelang nur noch in Zeitschriften gesehen. Bis sie den Tetzloff geheiratet hat. Kurze Zeit später stand sie plötzlich hier in meinem Laden. Sie wollte alte Freundschaften wieder auffrischen, sie hatte ihren Job ja nach der Hochzeit an den Nagel gehängt und war sesshaft geworden. Ihr Mann hat ja auch nicht viel Zeit, da ist sie sich wohl etwas einsam vorgekommen. Jedenfalls stand sie plötzlich hier und hat mich zum Essen eingeladen. Seitdem haben wir uns ein paarmal verabredet, auf ein Eis oder für das Kino.«

      »Und sie hat nie etwas von einem aufdringlichen Verehrer aus alten Zeiten erzählt? Oder dass sie das Gefühl hatte, verfolgt oder beobachtet zu werden?«

      »Nein, überhaupt nicht. Sie hat hauptsächlich über ihre Ehe mit Tetzloff gesprochen. Und natürlich über die Model-Karriere, da konnte ich ihr stundenlang zuhören. Diese ganzen Insider-Geschichten aus der Welt des Glamours, herrlich.«

      »Gibt es Probleme in der Ehe der Tetzloffs?«

      »Probleme? Sebastian Tetzloff ist doch das Beste, was einer Frau passieren kann. Nein, es gibt keine Probleme. Außer vielleicht, dass er zu wenig Zeit für sie hat. Sie würde gern mit ihm durch die Welt reisen. Geld haben sie ja genug. Aber nach den Flitterwochen stürzte er sich wieder in seine Geschäfte. Einmal Unternehmer, immer Unternehmer, sagt Simone immer.«

      »Den Polizisten geht es genauso. Nur haben die nicht so viel Geld. Falls wir noch Fragen haben, melden wir uns wieder.«

      »In welchem Krankenhaus liegt sie denn?«

      »Das dürfen wir Ihnen leider nicht sagen. Aber ich richte ihr aus, dass Sie sie gerne besuchen würden. Dann kann Frau Tetzloff Sie ja anrufen.«

      »Machen Sie das. Auf Wiedersehen.«

      »Auf Wiedersehen.«

      »Immerhin wissen wir jetzt, dass es keine größeren Probleme in ihrer Ehe gab. Jedenfalls keine, von denen sie einer Freundin erzählt hätte. Jetzt habe ich aber Kohldampf. Hast du Lust auf Chinesisch?«

      »Chinesisch hört sich gesund an.«

      Im Zentrum gab es ein China-Restaurant. Siebels entschied sich für panierte Ente mit süßsaurer Soße, dazu Reis. Till gönnte sich eine Portion Bami Goreng, geröstete Nudeln mit Schweinefleisch, Hühnerfleisch und Krabben. Sie hatten noch eine Stunde, bis sie um 14:00 Uhr mit Tetzloff verabredet waren.

      

      Sie starrte auf die Kamera, die in das Innere des kleinen Badezimmers gerichtet war. Es ekelte sie an, dass er ihr auch beim Pinkeln zusah. Sie wurde wütend, sprang mit einem Satz vom Klo auf, stellte sich auf den Rand der Badewanne und fing an, mit der flachen Hand auf die Kamera einzuschlagen. Sie schlug immer weiter auf die Kamera ein, hörte auch nicht auf, als sich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Hastig kam er in das Badezimmer und zerrte sie von der Wanne herunter. Sie schlug weiter um sich, jetzt nicht mehr auf die Kamera, sondern auf ihn. Sie schrie ihn an, sie würde sich auf dem Klo nicht zuschauen lassen, alles, aber das nicht. Er holte aus und gab ihr eine Ohrfeige. Er hätte ihr doch gesagt, dass sie sich benehmen solle, brüllte er sie keuchend an. Sie ließ von ihm ab, fasste sich an die Lippe, auf der sie einen kleinen Blutstropfen schmecken konnte. Langsam ging sie rückwärts aus dem Badezimmer. Dabei schaute sie ihm in die Augen, wie ein verwundetes Tier zog sie sich langsam zurück. Sie zeigte auf die Kamera, sagte ihm, dass das entwürdigend wäre. Dann ging sie zum Bett, setzte sich auf die Bettkante, eine Träne lief ihr über die Wange. Er kam zu ihr, hatte einen Wattebausch aus dem Badezimmer in der Hand. Er wollte ihr das Blut von der Lippe wischen, sie zuckte ängstlich zurück. Sie solle keine Angst haben, er würde ihr nichts tun, sagte er. Seine Stimme klang dabei fast zärtlich, fürsorglich. Sie ließ sich die aufgeplatzte Lippe von ihm abtupfen. Sie zitterte immer noch vor Aufregung. Ganz behutsam tupfte er ihr die weiche Watte auf die Lippe. Dabei betrachtete sie ihn. Seine Gesichtszüge waren markant, er hatte ein souveränes Auftreten, lächelte jetzt wieder. Kurz geschnittenes silbergraues Haar, sonnengebräunte Haut, eine Narbe über der linken Augenbraue, sie studierte seine Gesichtszüge, die vom Leben gezeichnet waren. Er war muskulös, hatte einen schlanken, aber durchtrainierten Körper. Er war einen Kopf größer als sie, sie konnte sein Parfum riechen, als er sich zu ihr beugte und ihre Lippe versorgte. Es war ein teures Parfum, auch seine Kleidung war maßgeschneidert, das erkannte sie jetzt, wo er so nah bei ihr war. Ihre Lippe hatte aufgehört zu bluten, er stand auf und ging in das Badezimmer. Als er wieder herauskam, hatte er die Kamera in der Hand. Sie wäre nur auf die Dusche ausgerichtet gewesen, nicht auf die Toilette, gab er ihr Auskunft.

      Sie sah ihn an, nickte, als wollte sie sich entschuldigen. Als er wieder fort war, fragte sie sich, warum sie sich so wohl gefühlt hatte, als er sich fast liebevoll um ihre Lippe gekümmert hatte. Er übte eine seltsame Anziehungskraft auf sie aus, sie war verwirrt. Verwirrt von ihren Gefühlen. Sie legte sich auf das Bett, starrte in die noch verbliebene Kamera. Wer bist du? Diese Frage ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und während sie angestrengt über ihren Entführer nachdachte, haftete ihr Blick starr an der Kamera.

      8

      

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