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Das würde doch bedeuten, dass er meine Frau sexuell missbraucht. Wahrscheinlich mit Gewalt. Oh Gott, bei dem Gedanken wird mir schlecht.«

      Es blieb still zwischen den Männern. Weder Siebels noch Till hatten irgendwelche Zweifel, dass die Vermutungen von Tetzloff genau ins Schwarze treffen könnten. Siebels zündete sich eine Zigarette an, er verspürte ein flaues Gefühl in der Magengegend, weil der Fall jetzt sehr in das Intimleben des Ehepaares Tetzloff einzugreifen drohte.

      »Ich muss das jetzt fragen, Herr Tetzloff. Könnte es sein, dass Ihre Frau an einem Verhältnis zu diesem Graf F. Gefallen finden könnte?«

      Auch Tetzloff zündete sich eine Zigarette an, bevor er antwortete.

      »Nein. Ganz sicher nein. Meine Frau würde vielleicht an einem Rollenspiel Gefallen finden, bei dem sie die Rolle einer unterwürfigen Frau spielt. Aber dann mit mir und nicht mit einem fremden Mann, der solche Briefe schreibt. Wenn Sie glauben, dass Simone freiwillig verschwunden ist, um sich von einem selbst ernannten Grafen peinigen zu lassen, dann vergessen Sie das bitte ganz schnell wieder. Das ist absurd. Aber vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich auf keinen Fall will, dass die Presse von dieser Entführung etwas mitbekommt. Unser Ruf wäre von heute auf morgen ruiniert. Ich denke, ich kann mich auf Ihre Verschwiegenheit in dieser Angelegenheit verlassen.«

      Prüfend blickte er erst zu Siebels, dann zu Till. Siebels glaubte, einen Funken Angst in seinen Augen erkannt zu haben. Angst vor der Presse oder Angst davor, dass seine Frau sich vielleicht doch mit diesem Graf F. vergnügt.

      »Wir haben auch kein Interesse daran, diesen Fall publik zu machen. Das würde unsere Arbeit nur erschweren. Gibt es in den anderen Briefen irgendeinen Hinweis auf die Identität des Absenders? Oder darauf, dass Ihre Frau auf seine Briefe geantwortet hat?«

      »Nein, aber ich habe auch nicht alle Briefe gelesen. Die meisten habe ich nur überflogen, einige habe ich noch gar nicht gelesen. Es sind mindestens fünfzig Briefe.«

      »Die würden wir dann gerne mitnehmen und uns im Präsidium näher damit beschäftigen. Vielleicht finden wir ja einen Hinweis auf den Absender.«

      »Aber denken Sie daran, dass diese Briefe streng vertraulich sind. Das gilt auch für Ihre Kollegen auf dem Präsidium.« Tetzloff sprach langsam und sehr betont, es klang fast wie eine Drohung. Bevor Siebels darauf eingehen konnte, nahm Till den Karton mit den Briefen vom Tisch.

      »Wir werden darauf aufpassen, als würde unser Leben davon abhängen.«

      »Das will ich hoffen. Ich bin auf Sie beide angewiesen und ich vertraue Ihnen. Aber wenn Sie mein Vertrauen missbrauchen, werde ich alles tun, um Ihnen Ihr Leben zur Hölle zu machen. Also passen Sie auch wirklich gut darauf auf.«

      Siebels drückte seine Zigarette im Ascher aus. »Wir werden uns noch heute intensiv damit beschäftigen, spätestens morgen haben Sie die Briefe wieder zurück. Haben Sie denn noch Informationen über Ihre rumänischen Freunde auftreiben können?«

      »Ich habe einen Mitarbeiter damit beauftragt. Bis morgen Mittag haben Sie einen ausführlichen Bericht mit allen verfügbaren Informationen über diese Bande auf Ihrem Schreibtisch. Ich hoffe, Sie werden dann das Nötige veranlassen.«

      »Jetzt kümmern wir uns erst mal um die Briefe und wenn uns Ihre Informationen vorliegen, werden wir sehen, wie wir weitermachen. Bevor sich der Entführer nicht wieder mit Ihnen in Verbindung gesetzt hat, sollten wir nicht vorschnell in eine Richtung ermitteln. Er will Geld und er muss sich Gedanken machen, wie die Geldübergabe stattfinden soll. Auf diesen Punkt müssen wir uns dann konzentrieren.«

      »Ich will meine Frau lebend zurück. Und ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt im Sinne des Entführers ist. Abwarten ist keine gute Taktik, ich will Ergebnisse. Ich will diesen Mistkerl haben, so schnell wie möglich. Ist das klar?«

      »Wir tun, was wir können. Und vergessen Sie nicht, ein Lebenszeichen von Ihrer Frau einzufordern, wenn er sich wieder meldet.«

      »Ich werde daran denken«, antwortete Tetzloff. Er reichte den Beamten die Hand und beendete damit das Gespräch. Wie von Geisterhand gerufen, erschien Bogner in der Bibliothek, um die Beamten zum Ausgang zu begleiten. Tetzloff blieb sitzen. Als Siebels über die Türschwelle der Bibliothek schritt, drehte er sich noch einmal um.

      »Ach, Herr Tetzloff, da fällt mir noch etwas ein. Heute Vormittag waren wir im Main-Taunus-Zentrum in einem kleinen Geschäft für Dessous. Der Laden gehört einer Freundin Ihrer Frau, wie sich herausstellte. Hatte Ihre Frau eigentlich so etwas wie eine beste Freundin?«

      »Sie meinen eine Freundin, der sie Sachen anvertrauen würde, die sie mir nicht erzählen würde? Wollen Sie hören, dass es Simone mit mir zu langweilig war und sie die Nähe eines herrschaftlichen Grafen gesucht hat?«

      »Wir sind nur auf der Suche nach Fakten, die uns helfen, Ihre Frau aufzuspüren. Alles andere interessiert uns wirklich nicht, Herr Tetzloff.«

      »Entschuldigen Sie bitte. Ich bin etwas gereizt. Diese Briefe haben die Sorgen, die ich mir mache, nicht gerade geschmälert. Wenn Simone so etwas wie eine beste Freundin hat, dann ist es Nadja. Nadja Asmussen, ihr gehört die Agentur, die sich um die Aufträge von Simone gekümmert hat. Die Agentur ist in Frankfurt, in Sachsenhausen. Ich schreibe Ihnen die Adresse und die Telefonnummer auf.«

      Bogner wartete geduldig und unscheinbar, bis Tetzloff den Zettel geschrieben hatte und führte die beiden dann zum Ausgang der Villa.

      Till saß auf dem Beifahrersitz, er hatte den Karton auf dem Schoß und schmökerte in den Briefen. Der Inhalt der Briefe erinnerte ihn an den letzten großen Fall im vergangenen Sommer. Ein Tagebuch hatte Siebels und ihn damals auf die Spur eines zweifachen Frauenmörders geführt. Die auf rotem Briefpapier geschriebenen Briefe erinnerten ihn an dieses Tagebuch. Während der Briefeschreiber aber die absolute männliche Dominanz verherrlichte, war der Tagebuchschreiber der absoluten Dominanz von Frauen verfallen. Dabei fiel ihm auch sein Streit mit Johanna wieder ein. Johanna spielte damals eine wichtige Rolle und wäre fast das dritte Opfer geworden. Wenn sich der Täter nicht vorher in sie verliebt hätte. Jetzt fühlte sie sich schuldig und besuchte diesen Kerl ständig im Gefängnis. Till hatte keine Ahnung, wie er die Beziehung mit Johanna noch retten konnte. Er wusste nur, dass ihm das alles gewaltig gegen den Strich ging. Siebels riss ihn aus seinen Gedanken.

      »Gefallen dir die Briefe vom Grafen?«

      »Die sind echt spannend. Erinnern mich an die Tagebuchaufzeichnungen vom Robert Kiesbach. Nur mit vertauschten Rollen, der hier will nicht gezüchtigt werden, der will selber züchtigen. Das Leben wäre doch viel einfacher, wenn es nicht so viele Verrückte gäbe.«

      »Würdest du lieber Wohnungseinbrüche aufklären? Oder den Fall mit dem Obdachlosen, der im Park erschlagen wurde?«

      »Nee, dann lieber die Sexbesessenen. Die sind spannender.«

      »Na also. Ich schmeiße dich am Präsidium raus, du kannst dich den ganzen restlichen Tag mit diesen Briefen beschäftigen. Am besten machst du Kopien. Aber lass bloß nix auf dem Schreibtisch rumliegen. Der Tetzloff flippt aus, wenn da was durchsickert. Versuche herauszufinden, ob Simone Tetzloff sich mit dem Kerl getroffen hat. Oder ob es im Gespräch war. Und wenn du jeden Brief hundertmal liest, irgendeinen Anhaltspunkt über diesen Grafen müssen wir finden.«

      »Ich werde mir Mühe geben, den Grafen zu überführen. Was machst du in der Zwischenzeit?«

      »Diese Nadja Asmussen in der Agentur besuchen. Vielleicht hat Simone Tetzloff ja tatsächlich von diesem Grafen geschwärmt und es ihrer besten Freundin anvertraut. Laut Tetzloff wurde ja alle Fanpost von der Agentur vorab geprüft. Und die Grafenpost hat es immer bis zur Tetzloff geschafft.«

      Die beiden grinsten sich vielsagend an. Am Präsidium stieg Till aus, spätestens um 18:00 Uhr wollte Siebels wieder im Büro sein, Till sollte so lange auf ihn warten.

      Die Agentur für Mode und Models hatte ihren Sitz in der Nähe vom Henninger Turm. Nadja Asmussen war die Inhaberin. Das Ambiente erinnerte Siebels an ein Reisebüro, anstatt der Prospekte und Kataloge von den Stränden dieser Welt hingen allerdings die Gesichter von Frauen an den Wänden, mit

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