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hatte es ihn nach Deutschland verschlagen. Dort fand er einen Job auf dem Bau. Allerdings bekam er oft Streit mit dem Polier und verliebte sich auch noch in die falsche Frau, nämlich in die des Poliers. Die erneute Flucht verschlug ihn nach Belgien. Er landete in einer Kneipe, schenkte Bier aus und freundete sich mit einem Söldner an. Der hatte von seiner Zeit in der Legion geschwärmt und Thomas damit schwer beeindruckt. Ein neues Leben, warum nicht. Das alles hatte ich während drei nicht enden wollenden Stunden auf einer unbequemen Holzbank in Reims erfahren. Dann wurde ich endlich aufgerufen. Zielstrebig marschierte ich in das kleine Büro. Nur ein Schreibtisch, dahinter ein Soldat, der einen Fragebogen vor sich hatte. Ohne Umschweife fragte er mich nach meinem Namen. Die ganze letzte Nacht hatte ich nach einem neuen Namen gesucht. Philippe van Kerken, gab ich nun selbstbewusst zur Antwort. Philippe war mein Freund gewesen, damals, als wir noch Kinder waren und ich meine Ferien auf dem Hof meiner Großeltern verbracht hatte. Ich hatte von Philippe geträumt, als ich bei Claude und Monique neu geboren wurde. Und van Kerken war der Nachname von Claude und Monique. Der Soldat notierte pflichtbewusst meinen neuen Namen in seinem Fragebogen, der Rest war Routine. Ich war nicht vorbestraft, hatte keine ansteckenden Krankheiten gehabt und war nicht auf Medikamente angewiesen. Der Soldat war zufrieden und ich entlassen Thomas kam an die Reihe. Auch bei ihm gab es keine Probleme. Nach unserer Vorstellung in dem Büro saßen wir wieder zusammen auf der Holzbank. Der Engländer war in das Büro gerufen worden. Er blieb deutlich länger drin, vielleicht eine halbe Stunde. Dann kam er mit hochrotem Kopf aus dem Büro gestürmt und verließ laut fluchend die Kaserne. Thomas und ich lachten schadenfroh. Trotzdem saßen wir uns weiter den Hintern wund, bis endlich der letzte Kandidat das Büro hinter sich ließ. Zwölf junge Männer waren am Ende des Tages übriggeblieben. Die anschließende Nacht verbrachten wir in der Kaserne in Reims, am nächsten Morgen wurden wir um 5:00 Uhr aus den Feldbetten gejagt. Ein miserables Frühstück erwartete uns in der Kantine, wir hatten ohnehin nicht viel Zeit zum Frühstücken, um 5:20 Uhr startete unser Bus. Es folgte eine kurze Reise, unsere kleine Gruppe wurde im Fort St. Nogent am Rand von Paris abgesetzt und dort in ein Quartier eingewiesen. Im Laufe des Tages wurden noch weitere kleine Grüppchen in dem Fort abgeladen. Junge Männer aus allen Teilen der Welt wurden hier versammelt, um auf den Dienst in der Legion vorbereitet zu werden. Der erste Termin in der neuen Umgebung war der beim Friseur. Einer nach dem anderen wurde geschoren und am Ende des Tages trugen achtzig Männer den Standardhaarschnitt, boule à zéro, zu Deutsch: Nullerkugel. Unser Aufenthalt hier sollte nur vier Tage dauern. Die geschorenen Männer erhielten einen Grundkurs in Französisch. Vor allem die Befehle der Vorgesetzten mussten verstanden werden. Ich hielt von Anfang an eine Sonderstellung inne, weil ich nicht nur französisch, sondern auch englisch und deutsch sprach. Die Anfänger, die auf die Grundausbildung vorbereitet wurden, mussten zunächst einmal lernen, wie sie ihr Bett zu beziehen und die Stube zu schrubben hatten. Viel Wert wurde bei der Legion auch auf Gesang gelegt. Am ersten Tag kamen sich die meisten Kandidaten noch ziemlich blöd vor, wenn der Sergent voller Inbrunst ein Lied anstimmte, und das tat er oft und gern. Am vierten Tag sangen die Männer bereits voller Begeisterung mit, der Sergent war zufrieden.

      

      Ausnahmsweise fuhr Till, Siebels saß auf dem Beifahrersitz und las die Informationen zu Simone und Sebastian Tetzloff, die Till ausgedruckt hatte. Sie nahmen die Autobahn Richtung Wiesbaden, das Main-Taunus-Zentrum lag strategisch günstig zwischen Frankfurt und dem Vordertaunus.

      »Wo warst du eigentlich heute Morgen?«, wollte Till wissen.

      »Bei den Kollegen von der Wirtschaftskriminalität. Die machen sich mal schlau, was die Rumänen betrifft. Einschlägig bekannt sind die jedenfalls nicht.« Das Handy von Siebels meldete sich mit der Bonanza-Melodie.

      Till lachte laut los, als er die Melodie erkannte. »Hey Hoss, sattel die Pferde, ein Hühnerdieb schleicht durch die Gegend.« Lachend summte er die Melodie und trommelte dazu auf das Lenkrad ein. Als er hörte, dass Siebels mit Tetzloff telefonierte, gab er Ruhe.

      »Wir sind gerade auf dem Weg zum Main-Taunus-Zentrum, heute Nachmittag um 14:00 Uhr, das lässt sich einrichten, kein Problem. Nein, Staatsanwalt Jensen kommt nicht mit. Ja, bis später.«

      »Gibt es was Neues?«

      »Vielleicht. Tetzloff behauptet, er hätte gestern Abend vor lauter Verzweiflung die Kleiderschränke seiner Frau durchsucht. Dort hätte er einen Karton mit Briefen gefunden. Der Absender wäre ein Fan von seiner Frau gewesen, als sie noch als Model gearbeitet hat. Tetzloff meint, die Briefe seien ziemlich merkwürdig. Wir sollten uns das auf jeden Fall anschauen, heute Mittag ist er zuhause. Ich habe versprochen, dass wir vorbeikommen.«

      Sie waren bereits auf dem Gelände des Einkaufszentrums, rings um das auf der grünen Wiese gebaute Zentrum waren Parkflächen angeordnet.

      »Auf P3 hat Bogner den Jaguar gefunden, sieh zu, dass du da einen Platz findest.«

      Es gab noch viel freien Parkraum, Till kurvte den Wagen durch die Parkreihen und die beiden verschafften sich einen Überblick. Es schien fast unmöglich, auf dieser großen, rechteckig angeordneten asphaltierten Fläche, wo ein reges Kommen und Gehen herrschte, jemanden unbemerkt zu überwältigen und zu verschleppen.

      »Entweder sie kannte den Kerl und ist freiwillig mit ihm gegangen oder gefahren oder ...«

      »Oder was?«, hakte Till nach.

      »Oder die Ehe der beiden ist nicht die Märchenstory, so wie es in den Zeitschriften dargestellt wird. Einen Hang zur Extravaganz hat sie ja jedenfalls, wenn man den Berichten über ihre Liebschaften Glauben schenken darf. Was ist, wenn sie von Tetzloff die Nase voll hatte, einen neuen Liebhaber gefunden hat und sich jetzt mit viel Fantasie absetzen will. Jede Wette, dass Tetzloff einen Ehevertrag gemacht hat und sie bei einer Scheidung nur mit dem Nötigsten abgespeist wird. Dann macht auch der komische Brief einen Sinn. Was ist sie ihm wert. Das interessiert vielleicht vor allem Frau Tetzloff selbst. Eine Million, oder zwei? Und Tetzloff ahnt vielleicht, woher der Wind weht. Er will ihr das Handwerk legen, das muss natürlich in aller Stille passieren, bloß nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen, das könnte verheerende Folgen für ihn haben. Also macht er uns zu seinen Deppen und wir spielen das Spiel mit.«

      »Erzähle bloß Jensen nichts von dieser Theorie. Der versetzt uns sonst an den Nordpol.«

      »Das ist halt meine Methode, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Wenn ich immer auf die Ansichten von Jensen Rücksicht nehmen würde, hätte ich wahrscheinlich noch nicht einen einzigen Fall gelöst in meinem Leben.«

      »Sag ihm das auch noch, ich buche schon mal die Tickets zum Nordpol.«

      Till hatte den Wagen abgestellt, die beiden machten sich auf den Weg zu den Geschäften. Siebels hielt die Kassenbons, die sie bei den Einkäufen von Frau Tetzloff gefunden hatten, in der Hand.

      »Wo fangen wir an?«, wollte Till wissen.

      »Gehen wir erst mal zu Douglas, dort hat sie ein Flakon Parfum gekauft, Chance heißt das.«

      »Das habe ich letzte Woche auch gekauft, als Weihnachtsgeschenk für Johanna.«

      Links und rechts waren die Geschäfte angesiedelt, größere Filialen von den überall ansässigen Bekleidungsketten, kleinere Boutiquen, eine Ansammlung von Metzgereien, gleich drei Stück an einer Stelle und in der Mitte standen die hölzernen Weihnachtsbuden. Geschnitzte Figuren waren anscheinend nicht so der Renner, am Glühweinstand war der Andrang umso größer, alle Jahre wieder, egal zu welcher Tageszeit. Bei Douglas roch es nach tausend Parfums, Frauen schnupperten mal hier und mal dort, Männer inspizierten die kleinen Fläschchen, sie orientierten sich eher an den Preisschildern. Siebels zog das Foto von Simone Tetzloff aus der Tasche, als eine Verkäuferin fragte, ob sie behilflich sein könne.

      »Können Sie.« Er gab ihr das Foto und mit einem weiteren Griff in die Tasche beförderte er seinen Ausweis zum Vorschein. »Kriminalpolizei Frankfurt. Wir suchen Zeugen, die diese Frau am letzten Samstag hier gesehen haben.«

      Die Verkäuferin, man roch, dass sie auf Parfum spezialisiert war, betrachtete sich neugierig das Foto. »Die kenne ich doch. Das ist

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