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ni, wus is gewein?«

      Opa: »Ne jo, ich hob nischt direkt epus gesugt.«

      Ich: »Hot sie epes gesugt?«

      Opa: »Jo, sie hot gemeint ich bin ganz mies, weil ich hob genimen ihre borst.«

      Ich: »San borst?«

      Opa: »Far die zejn.«

      Ich: »Di host genimen ihre borst far dane zejn?«

      Opa: »Jo.«

      Ich: »Ne jo, aber di weißt doch Zoé hot lieb ihre eigene sachen, me tu nischt nemen die Borst fin keinem anderem Mensch. Dus is nischt git. «

      Opa: »Channele, ich hob dus nischt far mir genemen. Ich hob dus genemen far mane prothese.«

      EIN TYPISCHER SCHABBAT

      Meine Tante geht auf und ab. Sie kontrolliert Mamas Wohnzimmer im Hinblick darauf, ob in der von Mama neu eingerichteten Vitrine genug Fotos von ihr, Oma und Opa aufgestellt sind. Ihr Blick wandert von einem Bild zum anderen. Sie zündet sich eine Zigarette an.

      »Kein Foto von mir, aber von Ricks Mutter hat sie eins aufgestellt«. Mama zuckt zusammen. Zoé und ich rollen die Augen. »Was denn?«, fragt sie zurück, »ist ein Foto zu viel?«

      Zoé bemerkt, dass die meisten Menschen nicht ihre Schwester gerahmt im Wohnzimmer haben.

      Opa stöhnt im Sessel über das miese Wetter. Seine polnische Pflegerin schaut mich hilfesuchend an. Ich zerfließe vor Mitleid. Meinen Opa Tag und Nacht zu ertragen, ist für jeden Menschen zu viel. Ich frage, ob sie einen Tee trinken will. »Mosche tag«, sagt sie.

      Opa ist beleidigt: »Wus fraigst du si nuch a tei? Ich wot nischt gewolt trinken kein tei?«

      Ich: »Ich wer dir oich machn a tei, a schwurzn?«

      Opa schaut gleichgültig: »A chilig, sol sein a schwurzer tei

      Ich gehe in die Küche, um Teewasser aufzusetzen.

      Auch Mama geht in die Küche, um sich um das Essen zu kümmern. Sie schält die Kartoffeln für den kiegl, den Kartoffelauflauf. Sie wischt hektisch in der Küche rum. Werde ich jemals so putzen können wie Mama? Will ich so putzen können wie Mama? Ihre schnellen, flinken Bewegungen mit dem Lappen über das Holz haben etwas Aufbegehrendes, Aggressives. Mama kontrolliert den Braten in der Küche und wendet sich wieder den Kartoffeln zu. Sie schneidet die geschälten Kartoffeln mit der Brotmaschine, sie schneidet sich mit der Maschine in den Finger. Blut tropfte von ihrem Finger auf die Kartoffeln. »Mama«, schreie ich, »Mamischi, alles ok?«

      Mama: »Nicht so schlimm. Lass mich.«

      Ich: »Mama, bitte warte kurz.« Mama will weiter putzen. »Mama, setz dich bitte hin, bitte, hör doch einen Moment mit dem Putzen auf.«

      Mamas Fingerkuppe hängt lose an einem Stück an ihrem Finger.

      »Schon gut«, sagt sie.

      Ich: »Mama, hör mir zu, es blutet stark, dass muss genäht werden.«

      »Ach Quatsch«, sagt sie. »Ich muss das hier erst fertig machen.«

      Zoé kommt in die Küche: »Ach, Mami. Mami, komm, wir verbinden das.«

      Rachel kommt in die Küche: »Nicht ein Bild von mir und dir.« Zoé schreit Rachel an, was ihr einfallen würde, Mama so anzuschreien. »Siehst du nicht, dass sie blutet?«

      Oi, oi, da fängt meine Tante zu schreien an: »Was ist passiert? Was ist passiert. Sag es mir.«

      »Ich habe mich geschnitten«, sagt Mama.

      Zoé: »Komm, Mami, ich fahre dich in die Klinik.« Mama stellt die joiech aus, sie dreht sich zu mir und sagt: »In 15 Minuten drehst du die Suppe auf 1,5« und fährt widerstandslos mit Zoé in die Klinik. Meine Schwester wirft mir einen fassungslosen Blick zu, als sie rausgeht. Ein Glück ist sie hier, denke ich.

      Ich schwanke einen Augenblick. Mama ist weg. Das Familienoberhaupt hat sich frei genommen, weil die Ketten zu eng geschnürt sind. Einen Tag frei kann sie sich nicht nehmen, aber sie kann sich in den Finger schneiden und weg müssen. Quasi per Befehl von uns. Sie kann es nicht sagen, aber sie will weg. Weg von der Pflicht, jeden Schabbat zu kochen, weg von ihrer Schwester, weg von ihrem Vater und auch weg von Zoé und mir. Wir sind eine Last für sie, unverheiratete, finanziell noch zu unterstützende Kinder.

      Ich wische die Blutspuren weg und führe Rachel aus der Küche. Rachel: »Wie tief war die Wunde? Sag mir, wie tief die Wunde war.«

      »Nicht so schlimm«, beruhige ich sie, »es wird schon wieder.«

      »Wird das wieder, Channah? Wie konnte das passieren? Wird das wieder?«

      »Ja, natürlich wird es wieder«, sage ich, »mach dir keine Gedanken. Komm, ich mach dir einen Tee.« Sie setzt sich ins Wohnzimmer. Ich klaue ihr unbemerkt eine papiros aus der Tasche. Als ich ihr den Tee bringe, ist Rachel nicht mehr ansprechbar, sie ist mit ihrer Zigarette in eine Welt abgetaucht, in die ich ihr heute nicht folgen möchte. Opa interessiert sich auch nicht mehr für den Tee. Er sagt: »a kurvische maschine, in dreid!«

      Immer muss alles unter die Erde, denke ich.

      Ich trete vor die Verandatür in den Garten. Ich laufe aus dem Garten auf den kleinen Spielplatz hinter unserem Haus, setze mich auf meine Lieblingsbank und stecke mir eine Zigarette an. Hinter mir höre ich einen Mann fragen, ob ich nicht zu jung fürs Rauchen sei. Ich drehe mich um und frage ihn, ob er die Güte hätte, jemand anderem auf den Wecker zu fallen. Er bleibt stehen. Ich starre vor mich hin. Er redet irgendetwas, ich höre nicht hin. Hab ich nicht gesagt, dass ich allein sein will? Er sagt: »Ich habe auch Probleme.«

      »Interessiert mich einen Scheiß«. Es tut gut, dem Ärger Luft zu machen.

      Fremder: »Du scheinst auch welche zu haben.«

      Ich schaue von dem Sandkasten hoch und erst jetzt zu ihm hin. Er ist älter als seine Stimme es vermuten lässt. »Ich habe gerade keine Lust auf dich.« Seine Augen sind wach, warm und alt. »Deine Worte und dein Benehmen passen so wenig zu deiner Erscheinung.«

      Ich: »Hast du keine Frau, die du vollquatschen kannst?«

      Fremder: »Ich habe eine Frau.«

      »Herzlichen Glückwunsch«, sage ich und stehe auf.

      Fremder: »Warte mal, ich heiße Finn.«

      Ich: »Ciao, Finn«.

      Finn: »Dir ist aber was über die Leber gelaufen, wie?«

      Ich stapfe davon. Ich drehe mich um und rufe ihm zu: »Mach es dir nicht so gemütlich auf dem Platz, das ist meiner.«

      Er lächelt.

      »Channah, Channele«, tönt es durch die Gottfried-Keller-Straße. Meine Tante ruft mich nicht, sie schreit nach mir. Wieso müssen alle so schreien? Als ich durch den Garten gehe, sagt Rachel: »Ich wusste nicht, wo du bist. Wo bist du gewesen?«

      »Ich bin hier«, sage ich. »Ich bin hier bei euch. Für immer, weil ihr immer schreien würdet, wenn ich weg wäre.«

      Opa: »Wi bist di gewein

      Ich: »A minite far di tir«, um zu atmen, denke ich.

      Opa: »Me tur nischt loifn a soi fil oif die gassn

      Ich: »Iech bin do

      Schweigen. Opa starrt vor sich hin, Rachel starrt vor sich hin. Es ist mucksmäuschenstill. Wieso soll ich eigentlich immer zum Schweigen da sein, frage ich mich. Zum Schiwe sitzen. Rachel läuft wieder auf und ab.

      Als Mama und Zoé zurückkommen, ist Zoé bleich und Mama geht es gut. »Fünf Stiche haben sie gemacht.« Der Arzt in der Notaufnahme war so lieb, wirklich, er hat sich besonders viel Zeit genommen! Zoé lächelt mir verstohlen zu. Wir wissen um Mamas Schwäche

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