Скачать книгу

»Nein, nein, das geht schon. Wie sieht denn der Braten aus? Hast du die Suppe auf die niedrige Flamme gestellt?«

      Wie banal, denke ich, wie unwichtig. »Ja, das habe ich, und der Braten ist genau richtig«, erwidere ich und gehe zurück in die Küche.

      Die Küche ist ihre Festung. Ich fülle die Suppe in die Teller. Mama kommt mit einem heftigen Ruck durch die Küchentür und stößt mich, der Teller fliegt mir aus der Hand. Die Suppe ist heiß und brennt auf meiner Jeans.

      Mama: »Oh entschuldige, Herz, das wollte ich nicht.«

      »Was machst du hier in der Küche«, fahre ich sie an. »Kannst du nicht eine Sekunde still sitzen?«

      »Ich wollte nur mal nach dem Fleisch sehen.« Ich scheuche sie zurück. Sofort tut es mir leid, aber kann sie mir nicht einmal zutrauen, dass ich den beschissenen Braten hinbekomme? »Tut mir leid Mama, ich wollte dich nicht anschreien.«

      Ich serviere die Suppe. Mama schafft es, ganze drei Löffel zu essen und stiehlt sich dann in die Küche davon, um eine zu rauchen.

      Wäre sie doch nur Ärztin geworden, als Ärztin wäre sie fabelhaft. Als Zoé die Teller abräumt, ist Mamas Teller fast unberührt. Die von mir reingelegte Dekorationskarotte schwimmt einsam in der Suppe. Ich gebe für heute auf, ziehe mich in mich zurück und sage nichts mehr. Zoé streichelt mir beim Abräumen über den Kopf.

      Natürlich begehen wir auch die Woche nach Mamas Unfall Schabbat. Opa schleppt sich mühsam die Straße hoch bis zu unserer Haustür. Sein Katheter schaut aus seinem Mantel. Rachel geht mit einigem Abstand hinter Opa den Gang entlang. Schwere, langsame Schritte. Rachel trägt eine Brille, die mal Opa gehörte. Sie ist aus Horn, aber viel zu groß für ihr kleines Gesicht. Ich beobachte beide, lange bevor sie mich sehen. Rachel hat ihren Blick auf den Boden gerichtet. Sie lebt im falschen Jahrhundert. Erst kurz vor der Vortreppe zum Haus richtet sie den Blick über die großen Brillengläser und freut sich, mich zu sehen. Ich freue mich auch, sie zu sehen. Sehr sogar, die Familie ist zusammen. Es ist Freitag, es ist Familientag. Unsere Begrüßung ist immer problematisch. Ich küsse nicht gerne zur Begrüßung.

      Viele in meiner Familie haben die Angewohnheit, mich mit dem Kopf zu sich runterzuziehen und mich dann feucht und im Klammergriff zu küssen. Es ist keine normale Begrüßung, es ist mehr ein ›Halt mich fest, ich lasse dich nie wieder los, die Welt ist schrecklich und gemein und ich brauche deine Umarmung, um ihr standhalten zu können.‹

      Ich weiche manchmal schon aus, wenn sie auf mich zukommen. Ich möchte nicht benutzt werden. Ich will nicht, dass mich schon im ersten Moment die Welle des Leids umspült und mich in einen tiefen Ozean hinunterzieht, aus dem es kein Entkommen gibt.

      Wie jede Woche gibt es auch in dieser Woche einen banalen Streit, an den ich mich nicht mehr erinnern kann.

      Ich renne aus der Tür in den Garten hinaus – auf den Spielplatz zu meiner Bank. Sie ist besetzt. Ich blinzle, das kann doch nur Einbildung sein. Auf meiner Bank sitzt schon wieder Finn. Ich drehe mich um und laufe zum anderen Ende des Spielplatzes. Es hat keinen Sinn, Finn kommt zu mir rüber. Er ist hocherfreut, mich zu sehen. Er setzt sich einfach zu mir. Ich könnte ihn erwürgen. Aber er hält mich auch vor dem Isolationstunnel fern, in den ich zu stürze drohe. »Geht es dir heute besser?«

      Ich antworte ihm nicht. Da hat er am Freitag, wenn meine Familie zusammen ist, schlechte Karten. Ich schaue in den Himmel, ich schaue auf meine Beine. Wenn ich könnte, würde ich fliegen. Weit weg zum Meer, zu Papa. So ein Scheiß, lässt uns einfach allein im Dreck sitzen, was hast du dir dabei gedacht, nicht zum Arzt zu gehen? Hast du gedacht, die 120 Kilo Gewicht sind ein Zeichen deiner Gesundheit?

      »Kann ich dir was anvertrauen?«, fragt Finn in meine Gedanken hinein. Ich reagiere nicht. Er nimmt das wohl als ein Ja und fängt an, mir von seiner Beziehung zu seiner Frau zu erzählen.

      Anfangs höre ich nicht zu, dann verschwinden meine Gedanken, ich höre seine Stimme klar und deutlich. Sie leidet an Gedächtnisverlust. Er tut mir leid. Ich will nicht, dass er mir leid tut. Ich bin zu schwach, um aufzustehen. Er vermisst seine Frau, wie sie früher war. Er weiß nicht, warum das gerade ihnen passieren musste. Die Frage finde ich immer blöd. Ist es besser, dass es jemand anderem passiert? Warum fragen die Menschen nicht: Warum passiert überhaupt etwas Schreckliches? Finn redete über eine Stunde. Ich fand es sehr egoistisch, einfach so loszureden, andererseits auch irgendwie positiv, sich selbst das zu nehmen, was man möchte. Finn war damals 39. Ich war 13. Aus seiner Manteltasche ragte ein 100 DM-Schein. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm den Schein zu entwenden. Ich überlegte, ich wog es ab. Ich fand nichts dabei, ihm das Geld abzunehmen.

      Mit einer geschickten Handbewegung landete der Hunderter in meinem Besitz. Finn hatte mir meinen Ruheplatz weggenommen, obwohl Schabbat war. Am Schabbat stehlen? Nein, eigentlich nicht. Andererseits konnte ich Mama davon einen großen Blumenstrauß kaufen. Vielleicht hob das ihre Laune? Ich fand, das war eine gute Idee. Ich sagte, ich müsse jetzt nach Hause. Die Geschäfte hatten noch offen. Ich kaufte einen rosaweißen Blumenstrauß.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgEBLAEsAAD/4RZ9RXhpZgAATU0AKgAAAAgABwESAAMAAAABAAEAAAEaAAUA AAABAAAAYgEbAAUAAAABAAAAagEoAAMAAAABAAIAAAExAAIAAAAbAAAAcgEyAAIAAAAUAAAAjYdp AAQAAAABAAAApAAAANAAAAEsAAAAAQAAASwAAAABQWRvYmUgUGhvdG9zaG9wIENTIFdpbmRvd3MA MjAxMzowMjoyNSAxMjo0MDo0MwAAAAAAA6ABAAMAAAAB//8AAKACAAQAAAABAAADAKADAAQAAAAB AAAEyAAAAAAAAAAGAQMAAwAAAAEABgAAARoABQAAAAEAAAEeARsABQAAAAEAAAEmASgAAwAAAAEA AgAAAgEABAAAAAEAAAEuAgIABAAAAAEAABVHAAAAAAAAAEgAAAABAAAASAAAAAH/2P/gABBKRklG AAECAQBIAEgAAP/tAAxBZG9iZV9DTQAC/+4ADkFkb2JlAGSAAAAAAf/bAIQADAgICAkIDAkJDBEL CgsRFQ8MDA8VGBMTFRMTGBEMDAwMDAwRDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAENCwsN Dg0QDg4QFA4ODhQUDg4ODhQRDAwMDAwREQwMDAwMDBEMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwM DAwM/8AAEQgAoABkAwEiAAIRAQMRAf/dAAQAB//EAT8AAAEFAQEBAQEBAAAAAAAAAAMAAQIEBQYH CAkKCwEAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAQACAwQFBgcICQoLEAABBAEDAgQCBQcGCAUDDDMBAAIRAwQh EjEFQVFhEyJxgTIGFJGhsUIjJBVSwWIzNHKC0UMHJZJT8OHxY3M1FqKygyZEk1RkRcKjdDYX0lXi ZfKzhMPTdePzRieUpIW0lcTU5PSltcXV5fVWZnaGlqa2xtbm9jdHV2d3h5ent8fX5/cRAAICAQIE BAMEBQYHBwYFNQEAAhEDITESBEFRYXEiEwUygZEUobFCI8FS0fAzJGLhcoKSQ1MVY3M08SUGFqKy gwcmNcLSRJNUoxdkRVU2dGXi8rOEw9N14/NGlKSFtJXE1OT0pbXF1eX1VmZ2hpamtsbW5vYnN0dX Z3eHl6e3x//aAAwDAQACEQMRAD8A9Nzc/FwKm25T9ge9tVbQC5z7HnbXVVWwOfZY7+Qq+P1rFyM1 uE2u6u8ttcRZWWAeicYWNl/0932/HdW+r1Kn/wCk/Rp+rYN2SMW/He1mRgX/AGmkWfzbz6d2LbTa W+5jbMfJu/Ss/mbfTt9O7+Zsyet/V/qXWmvdktxA77LmY+M0l7/SfeMT7Jki19fvuouxLbfVZVR6 Xq111fzfrWpT0qaRyuUz/qp1HKu6k/dihufUawDvA

Скачать книгу