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zu streiten, wer am braunsten geworden war, gingen wir durch die vom Sonnenuntergang violett gefärbte Stadt in die Moshe Hess Straße. Überall blühten gelbe, rote und orangefarbene Blumen. Gibt es eine vollkommenere Jugend? Unterwegs kauften wir Cottagekäse, Brot und Trauben. Als wir in unsere Straße einbogen, sah ich Opa in seinem weißen Unterhemd auf der Veranda in unsere Richtung schauen.

      Any, meine Freundin, sagte: » Was schaut er denn so grimmig, ich hab ein bisschen Schiss vor ihm.«

      Ich: »Ach was, er freut sich, dass wir kommen.« Ich wusste, dass Opa es nicht mochte, wenn ich Gäste zu uns brachte. Aber ich war nicht bereit, mich danach zu richten.

      Nathalie drehte sich ihre Locken zum Pferdeschwanz und lächelte wissend. Sie ahnte wohl, dass Opa nicht begeistert war. Aber sie gestaltete die Situation so angenehm wie möglich für mich. Oben angekommen, sagte ich zu den Mädchen, sie könnten in Ruhe duschen gehen. Opa kam auf mich zu und flüsterte: »Bist di meschigge? ze wus missn sei hier duschn und fresn. Sei hobn nischt wi ze gain?«

      »Opa, dus sene mane koleschankes, sei kenen du machen wus sei willen!«, gab ich zurück.

       »Chanischi, schra nischt, ui miech stacht du die pleitzes. Kimm no breng mir die Masch.«

      Schnell brachte ich ihm seine Salbe, schmiss drei andere Salben weg, die schon verfallen waren, und cremte Opa den Rücken ein. Any lugte aus der Küche hervor und zwinkerte mir zu. Sie war gerade dabei das Brot zu toasten. Sie bewegte sich unauffällig und leise, um nicht besonders viel Lärm zu machen. Ich lächelte. Ich war froh, dass meine Freundinnen es mir nicht übel nahmen, wie Opa sich aufführte. Sie hatten zwar nicht ganz so harte Kaliber als Großeltern. Die Stimmung war ihnen dennoch vertraut.

      Opa schaute zu Any rüber. »Breng mir wasser, ober dali.« Mir war das so peinlich.

      »Opa!«, warnte ich ihn vom Flur aus.

      Durch die Diele konnte ich seine Beine sehen, seine Hände ruhten auf den Beinen. Die goldene Uhr schnitt Opa leicht ins Fleisch. Seine Finger trommelten auf seinem Oberschenkel.

      »Lass, ich mach schon«, sagte Any verständnisvoll. Sie brachte ihm sein Wasser und stellte es vor ihn auf den Tisch.

      »Wus is dus?«, schrie Opa in Anys Richtung, die schon wieder auf dem Rückzug in die Küche war. »Ich will sudewasser!«, zeterte Opa weiter.

      Ach du liebes bisschen, Opa scheuchte sie wegen dem Wasser hin und her. Ich rauschte um die Ecke auf ihn zu. Opa grinste mich an: »Wen sei wolln esn und sech buden, efsche, sie kennen a bisle kochn ober waschn

      Ich ging wieder Richtung Küche: »Any, tut mir leid.«

      »Macht nix, macht dir mal nicht ins Hemd. G tt ich dachte, er kippt mir das Wasser direkt ins Gesicht.«

      So falsch lag sie nicht mit ihrer Befürchtung.

      »Wir amüsieren uns ein bisschen zusammen«, sagte sie keck. Sie konnte sich nicht mehr einkriegen vor Lachen. »Wenigstens weiß er, was er will. Sudewasser, das heißt Sprudelwasser, ja? Witziges Wort. Naja dann sudden wir ihn mal. Meinst du, er killt mich, wenn ich ihm Eiswürfel reinlege?«

      Dafür liebte ich sie, für ihren einmaligen Humor. Aus jeder komischen Situation machte sie einen Brüller.

      Opa war aufgestanden: »Wus macht di andre?«

      Ich: »Se duscht.«

      Opa: »A soi lang?«

      »Jo«. Wir starrten uns an. Dann ging er wieder brav auf die Veranda und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

      Ich ließ mich gegen die Badezimmertür fallen und ging in die Knie, um kurz zu verschnaufen. Ich hörte Any in der Küche rumwerkeln. Dann kam sie zu mir. »Ich lege mich kurz in dein Schlafzimmer, ja? Coole Wohnung.«

      »Ja«, sagte ich. Eine aus der Schusslinie. Ich will eine rauchen, dachte ich.

      Das Telefon klingelte. Es konnte nur mein Exfreund sein, der jeden Tag um die gleiche Uhrzeit anrief. Opa erhob sich, um dran zu gehen, ich rannte, um als erste abzuheben. Opa hatte nichts gegen Deutsche. Er hatte generell was gegen alle, die nicht zu seiner Familie gehörten. Zumindest im ersten Augenblick. Er würde ihn anschreien oder ihm sagen, er solle jemand anderen auf den Wecker fallen mit seinen Anrufen. »Hallo?«

      »Hi, ich bin es. Wie geht es dir?«

      Opa blieb unschlüssig in der Mitte des Raums stehen. »Wer is dus?«

      »Di mame«, sagte ich.

      »Hm«, brummte Opa.

      »Hast du ihm immer noch nichts von uns erzählt?«, fragte Chris.

      »Doch, klar habe ich das.« Mist, Verletzungspotential, dachte ich.

      Ich fixierte Opa mit meinen Blicken.

      »Wieso sagst du dann, deine Mutter sei am Telefon?!«

      »Ach, das – weißt Du, er ist, naja, er hatte heute einen ganz schlechten Tag« flunkerte ich.

      »So geht das nicht, du kannst mich nicht verleugnen.«

      »Das will ich auch gar nicht, ich rufe dich am besten später wieder an.« Opa bewegte sich zufrieden wieder Richtung Veranda.

      Als wir abends ausgingen, sagte Opa mir: »Chanischi, ze wus mist di loifen oif di gassn?«

      »Ich kenn nischt sitzen dejm ganzen tug in der stib, Opa

       »Di bist gewein dejm ganzen tug am jam.«

      Ich küsste ihn zum Abschied. Immer wenn ich ging, erhob er sich von seinem Stuhl, lief unruhig hin und her und versuchte mir klar zu machen, dass es nicht gut sei, so viel draußen zu sein. Er hatte Angst um mich und musste sich beherrschen, mich gehen zu lassen. »Wann wirst di zirek san?« fragte er.

      »Ich weiß nischt, alle senen du«, sagte ich »ich hob lieb zu sajn a bisle drousn

      »Ober ich bin du«, versuchte er es nochmal.

       »Opa, ich kim zireck.«

      »Ach«, abwertend schlug er mit der Hand die Luft nach hinten: »machts wus willst.«

      Ich küsste ihn nochmal, aber er schubste mich sanft weg: »Wus bist di a lekkatz?«

      Opa hatte sich anscheinend an meine Mädels gewöhnt. Wenn ich sie nun mitbrachte, brummte er nicht mehr ganz so stark. Ganz anders erging es David, einem Freund von Zoé, der uns einige Tage später in unserer Wohnung besuchte. Wir saßen friedlich mit David im Wohnzimmer und quatschten. Es war ein heißer Tag und Zoés Freund hatte Kopfschmerzen. Zoé ging in Opas Schlafzimmer, um aus dem Apothekenschränkchen eine Kopfschmerztablette zu holen. Zoé gab David zwei weitere für den Heimweg mit. Wir plauderten über dieses und jenes. Opa kam in die Wohnung rein und sah seine Aspirin auf dem Tisch liegen. Opa schrie David an: »Du mieser ganev, wus nemmst di mane tabletten?«

      »Opa«, beruhigten wir ihn, »Duvid is a freund, wir hobn ihm gegeiben die tabletten.«

       »Wus krazt miech san kop?«

      Ich ging mit Opa in die Küche und packte seine Tüten mit ihm aus. Zoé war zu dieser Zeit nach Israel ausgewandert und lebte kurze Zeit bei Opa in der Wohnung. Opa nahm mich zur Seite. »Channele, ich weiß nischt wus is passiert mit Zoé.«

      Ich: »Far wus?«

      Opa druckste etwas rum: »Koidem hot sie gestern geschrigen a sach mit mir. Hunt sitzt se mit dejm ganev. Far wus sitzt er bei ins in der stib, der schnorer?«

      Ich: » Opa, dus is a freund kein ganev. Zoé tit nischt a sach schraien. Is epes pasiert?«

      Opa: «Nein.«

      Ich: »Ober epes mis doch pasiert san bevor si hot geschrigen. Host di epes gesugt zi ihr?«

      Opa:

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