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war nicht teuer gewesen, es war sogar die billigste aller denkbaren Lösungen.

      »Schrecklich, das mit Steiger!« sagte sie.

      »Ja, das sehe ich auch so«, erwiderte Wolff und blickte aus dem Fenster.

      Dann musterte er seine Besucherin, deren Redaktion in einem anderen Teil des Gebäudes untergebracht war. Wolff war dafür dankbar. Er hatte Vorbehalte ihr gegenüber. Er hätte ihr niemals ihre Professionalität abgesprochen, aber er mochte sie einfach nicht. In den Redaktionskonferenzen war sie unter den Redaktionsleitern immer die erste, die sich zu Wort meldete, um der Runde mitzuteilen, welchen Publikumserfolg ihr Redaktionsteam gestern mit seinen Sendungen gehabt habe. Dann ließ sie ihre Keckertonkaskade los, obwohl es keinen Grund zur Heiterkeit gab. Wenn für Sonderprogrammwochen Themenschwerpunkte erwogen und diskutiert wurden, war sie immer sofort bereit, das Thema mit ihrer Redaktion umzusetzen. Wolff kam das so vor, als bewerbe sie sich um ein Fleißbildchen, wie es in seiner Volksschule immer wieder ausgeteilt worden war: ein Hauchbildchen, rot oder blau oder grün, das sich einrollte, sobald es von warmem Atem gestreift wurde. Die dünnen Bildchen wurden gesammelt, geglättet und in den Pausen getauscht.

      Von einer Sekunde auf die andere verstand Wolff zum ersten Mal, weshalb seine Besucherin so viel Makeup aufgelegt hatte. In ihrem Gesicht entdeckte er unter der Schicht Spuren von Neurodermitis. Ihre Hände waren feuerrot. Ständig in Bewegung wie Wasserpflanzen in der Dünung, als würden sie gleich das beinahe sichtbare Jucken der Haut wegzukratzen versuchen. Aber die Hände stoppten, bevor es dazu kam, und das Spiel begann von vorne. Es war seltsam und eigentlich traurig, dachte Wolff, dass es in diesem Sender so viele Menschen mit physischen und psychischen Problemen gab. Von seiner Gesprächspartnerin wusste er, dass sie jeden Morgen ein eigenes Kaffeegeschirr in ihre Redaktion mitbrachte, weil sie Angst hatte, von ihrem Team vergiftet zu werden. Übrigens keckerte sie in ihrer Redaktion, wie ihm berichtet wurde, grundsätzlich niemals.

      Immerhin ließ sie jetzt die von Wolff servierte Tasse nicht unberührt stehen. »Sehr gut, der Kaffee«, sagte sie.

      Ein anderer Kollege aus der Wissenschaftsredaktion hatte nächtelang seinen Vorgesetzten telefonisch aus dem Schlaf gerissen, weil vor seinem Haus andauernd schwarze Fahrzeuge mit Überwachungskameras stünden. In der Bildungsredaktion kollabierte ein Redakteur regelmäßig kurz vor Beginn öffentlicher Livesendungen, sodass sein geradezu väterlich besorgter Chef sich jedes Mal darauf vorbereitete, als Moderator einzuspringen.

      Macht unser Sender die Menschen krank? Das fragte sich Wolff seit vielen Jahren. Oder zieht das Medium psychisch labile Menschen an? Suchen sie vielleicht in der Öffentlichkeit der Sendungen ein Selbstbewusstsein, das sie ohne Funktion in ihrer privaten Welt nicht haben? In den frühen Jahren konnten in der Kantine, die damals »Casino« genannt wurde, noch Schnäpse bestellt werden, Einzelgläser oder auch Flaschen, man konnte gleich trinken oder eine Flasche in die Redaktion mitnehmen. Später wurden harte Alkoholika nicht mehr angeboten. Dafür wurden Beauftragte für Alkoholkrankheiten benannt. Die Geschäftsleitung, der Personalchef, der Gesamtpersonalrat und die örtlichen Personalräte ließen sich regelmäßig Bericht erstatten.

      Ist es doch das System, das uns hier alle krank macht? Wolff fand keine schlüssige Antwort auf seine Frage. Es gab mehr Krankenstände als in anderen Unternehmen. Das könnte am Termindruck, dem Stress der Livesendungen mit ihren täglichen Unwägbarkeiten und Überraschungen, der überall zunehmenden Bürokratie und den vielen Hindernissen liegen. Wolff beobachtete seit Jahren an sich selbst keine Krankheits- oder Stress-Symptome. Die Arbeit für das Medium Radio war seine Leidenschaft.

      Da sitzt sie nun, dachte Wolff, und hier drinnen keckert sie nicht mehr. Welch ein Glück!

      Von seiner Kollegin wusste er, dass sie, die fast täglich die Nähe zur »Obrigkeit« suchte, meist glänzend und vor allen anderen über Entwicklungen im Haus informiert war. Gelegentlich verbreitete sie Verschwörungstheorien, die sich aber bis auf einen einzigen Fall nicht erhärteten, wie sich Wolff erinnerte. Immer aber wusste sie vorab, wenn sich auf den obersten Etagen eine Lage zusammenbraute, die erst sehr viel später die Basis der Redaktionen erreichte. Eine Seherin! Das war sie wohl.

      »Wie denken Sie über Steigers Tod?«, fragte sie unvermittelt.

      Ihre Hände wanderten die Arme entlang bis zur Schulter, dann wieder zurück.

      »Ich weiß nicht«, sagte Wolff. »Steiger hat in seinem Leben wohl mehr getrunken als er sollte, aber er wirkte immer vital, kerngesund, eher ein Kraftbursch als ein Pykniker.«

      »Er ist ermordet worden!«, sagte seine Gesprächspartnerin sehr leise, aber mit Nachdruck.

      »Wie bitte?«

      Wolff war wie elektrisiert.

      »Was sagen Sie da?«

      »Ich sagte: Steiger ist ermordet worden. Aber fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß!« Sie fügte an: »Lassen Sie mich aus dem Spiel. Aber ich dachte, Sie sollten das wissen!«

      Sie stand auf. »Schauen Sie doch mal auf einen Kaffee bei mir vorbei«, sagte sie in der offenen Tür. »Am besten nachmittags. Da sind meine Freelancer alle unterwegs.«

      Wolff bedankte sich mit versteinerter Miene.

      Plötzlich sah er, wie der Wasserspiegel seines Aquariums schwankte. Er hatte das Abschiedsgeschenk seiner alten Redaktion nie geliebt, aber gepflegt. Er hasste es, an den freien Wochenenden das Aquarium zu reinigen, aber die Fische waren nun einmal da, und es widerte ihn an, immer wieder mit einem Netz tote Fische von der Wasseroberfläche abzuschöpfen und sie in die Toilette zu kippen.

      Jetzt aber schwankte der Wasserspiegel deutlich sichtbar.

      Im 13. Stock des Hochhauses.

      Wolff sah genau hin.

      Von Westen her zog eine Wetterfront auf. Ihre Kontur war scharf gezeichnet. Es würde stürmisch werden.

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