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»Es ist also … kein erfülltes Leben, das du mit mir zusammen geführt hast?« fragte sie tonlos.

      »Um Gottes willen, mach jetzt kein Theater, Herta. Wir haben eine schöne Zeit miteinander verlebt, sicher. Ich beklage mich ja auch nicht darüber. Du warst mir immer eine gute Tochter … aber mehr konntest du ja beim besten Willen nicht sein! Eine Tochter, Herta! Aber ich sehne mich nach einer Frau!«

      »Nun«, sagte sie eisig, »ich möchte annehmen, du hast diese Frau inzwischen schon gefunden?«

      »Ja.«

      »Und wer ist es, wenn ich fragen darf?«

      »Inge König.«

      Herta sprang so heftig auf, daß sie beinahe den Frühstückstisch umgeworfen hätte. »Inge König?« rief sie außer sich. »Dieses Nichts, diese Null, dieses …«

      »Vorsicht!« unterbrach er sie scharf, »du sprichst von deiner zukünftigen Stiefmutter!«

      »Das kann doch nicht dein Ernst sein!« rief sie verzweifelt. Jede andere Frau … aber doch nicht ausgerechnet Inge König! Sie ist doch noch … ein halbes Kind …«

      »Sie ist zweiundzwanzig, also Herrin ihrer eigenen Entschlüsse. Sie hat mir ihr Jawort gegeben, und du kannst überzeugt sein, sie weiß, was sie tut.«

      »Ja, das weiß sie! Sie hofft, sich ins gemachte Nest zu setzen! Ein Mädchen wie Inge König, eine kleine Stenotypistin, die nichts ist und nichts hat …«

      »Schluß jetzt!« Professor Randall stand auf. »Du weißt, wie die Dinge stehen, finde dich damit ab. Unsere Hochzeit ist beschlossene Sache.«

      Herta brachte kein Wort mehr hervor, sie könnte ihn nur fassungslos anstarren.

      »Zwischen uns braucht sich deshalb ja nichts zu ändern, Kleines«, sagte er weicher, »wir werden weiter zusammen arbeiten und … ich bin überzeugt, mit einigem guten Willen wirst du dich prächtig mit Inge verstehen. Du bist voreingenommen, ich weiß … aber, glaub mir, sie ist wirklich ein lieber Kerl.«

      Herta drehte sich auf dem Absatz um und rannte ins Haus. Sie war verzweifelt, aber durchaus nicht bereit, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Sie konnte es einfach nicht glauben, sie war so sicher, daß der Vater im Grunde seines Herzens sie und nur sie liebte. Sie war entschlossen, ihn zur Besinnung zu bringen.

      Sie unternahm einen Selbstmordversuch, sie schluckte den Inhalt eines ganzen Röhrchens Schlaftabletten, Natürlich wollte sie nicht wirklich sterben, sie wollte ihrem Vater nur zum Bewußtsein bringen, daß er ihr diese Hochzeit nicht zumuten durfte.

      Aber ihr Plan klappte nur zur Hälfte. Sie wurde zwar rechtzeitig gerettet, wie sie vorausgesehen hatte. Aber der Vater blieb unerbittlich. Er war nicht bereit, ihretwegen das Wort, das er Inge König gegeben hatte, zu brechen. Es blieb bei der Heirat. Doch Herta wohnte der Trauung nicht bei. Sie war während dieser Zeit in einem Sanatorium, in das Professor Randall sie geschickt hatte. Sechs Wochen war sie dort, ohne daß irgend jemand nach ihr fragte, ohne eine andere Post zu bekommen, als die Briefe und Karten, die ihr Vater ihr von der Hochzeitsreise schickte.

      Da wußte sie, daß sie verspielt hatte.

      Der Weg ins Vaterhaus war ihr versperrt. Auf keinen Fall wollte sie weiterhin als unliebsame Verwandte ihr Leben fristen. Sie entschloß sich, vom Sanatorium weg eine Freundin zu besuchen, die inzwischen in München verheiratet war. Während einer Pause im Prinzregententheater wurde ihr Peter Faber vorgestellt.

      Er war damals genauso alt wie sie, fünfundzwanzig, und galt als der kommende Mann. Seine eigenwilligen Hochhauskonstruktionen hatten ihm einen Namen gemacht. Alles, was Rang und Namen hatte, setzte seinen Ehrgeiz darein, sich von ihm ein Haus bauen zu lassen.

      Herta benutzte die nächste Gelegenheit, sich bei ihrer Freundin über Peter Faber zu informieren. Was sie erfuhr, war durchaus zufriedenstellend. Peter Faber hatte ohne jede Protektion seinen Weg begonnen, er hatte sich selbst hochgebracht. Tag und Nacht hatte er am Zeichentisch gesessen, bis sich der Erfolg eingestellt hatte.

      Er war Junggeselle. Wenn er je Frauengeschichten gehabt hatte, so war doch nichts davon an die Öffentlichkeit gedrungen. Bestimmt war er kein Glücksjäger. Die Mütter heiratsfähiger Töchter öffneten ihm weit die Türen — vergebens. Peter Faber schien entschlossen zu sein, Junggeselle zu bleiben.

      Herta überlegte blitzschnell: Peter war ein Mann mit beachtlicher gesellschaftlicher Stellung und blendenden Zukunftsaussichten — war das der Ausweg? Wenn er sie heiratete, würde Vater endlich merken, was er an ihr verloren hatte. Sie würde ihre Stiefmutter mit einem so attraktiven und jungen Mann demütigen können. Ja, das war die Lösung. Sie mußte es einfach schaffen.

      Sie, die jahrelang mit ihrem anspruchsvollen und Oft recht schwierigen Vater zusammen gelebt hatte, wußte, wie man Männer behandelt. Peter Faber war bald begeistert von dem Charme, dem Takt und dem Humor der Professorentochter. Es schmeichelte seiner Eitelkeit, daß diese schöne junge Frau aus bester Familie sich bei offiziellen und inoffiziellen Gelegenheiten so gern an seiner Seite zeigte. Er, der aus kleinen Verhältnissen stammte und trotz aller Erfolge und allen Geldes immer noch an einer gewissen gesellschaftlichen Unsicherheit litt, war von der gewandten und selbstbewußten Herta ungeheuer angetan.

      Mit größter Fertigkeit zog sie ihm gegenüber alle Register. Sie war weiblich kokett, kameradschaftlich vertraut oder kühl distanziert zu ihm, wie es ihre Strategie gerade im Augenblick verlangte. Sie lockte Peter Faber an, stieß ihn dann wieder fort, war bald übermütig wie ein Kind, dann wieder überlegen wie eine reife Frau, kurzum, sie verdrehte ihm gründlich den Kopf.

      Kaum sechs Wochen, nachdem er sie kennengelernt hatte, bat er sie, seine Frau zu werden. Herta sagte nicht gleich ja. Drei Tage lang ließ sie ihn zappeln. Dann erst eröffnete sie ihm, daß sie sich durchgerungen hatte, ihn zu heiraten. »Es ist schwer für mich«, sagte sie, »schrecklich schwer. Ich war so fest entschlossen, mich keinem Mann zu unterwerfen, meine Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren. Aber was soll ich tun? Ich liebe dich eben.«

      Und Peter Faber war überglücklich gewesen …

      Jetzt steht er, Peter Faber, auf dem kahlen Flur des Gerichts vor Herta, und Haß brennt in seinen Augen. »Du hast mich belogen und betrogen. Deine Liebe war von Anfang an eine Lüge! Und ich Dummkopf habe dir geglaubt! Das war meine Schwäche … ich wußte ja nicht, daß eine Frau so verlogen und schlecht sein kann. Du hast mein Leben ruiniert … aber glaube mir, du wirst es büßen!«

      Herta ist nahe daran, in Ohnmacht zu fallen. Aber der Boden des Flurs ist nicht gerade sauber, ihr schwarzes Kostüm ist sehr empfindlich, und so besinnt sie sich anders. »Geh!« zischt sie. »Oder ich werde um Hilfe rufen … ich werde sagen, daß du mich bedrohst!«

      »Luder!« sagt er verächtlich und wendet sich ab.

      Im Schwurgerichtssaal ist Landgerichtsdirektor Dr. Winkler unterdessen mit der Vernehmung der Angeklagten fortgefahren.

      »Wann und wo haben Sie Frau Faber kennengelernt?« fragt er.

      »Vor … zwei Jahren …«

      »Waren Sie damals schon Mitarbeiterin von Architekt Faber?«

      »Ja.«

      Die knappen Antworten der Angeklagten sind eine Enttäuschung für das Publikum und für die Presse, die auf Sensationen warten. Diese allzu beherrschten Antworten sind nicht dazu angetan, Sympathien bei den Geschworenen zu erwecken. Auch Landgerichtsdirektor Dr. Winkler ist nicht zufrieden.

      »Angeklagte, erzählen Sie uns doch einmal die Vorgeschichte der Tat in Ihren eigenen Worten!«

      »Ich … ich weiß nicht, was ich erzählen soll …« Regine Raus große braune Augen sind flehend, voller Qual auf den Richter gerichtet.

      »Alles. Von Anfang an. Sie sind im Waisenhaus aufgewachsen, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Bitte, erzählen Sie.«

      »Aber … das kann ich doch nicht in drei Worten!«

      »Das

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