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Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Cicero
Год выпуска 0
isbn 9788027209569
Автор произведения Марк Туллий Цицерон
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Kap. XXVII. (§ 79.) Darauf sagte ich: Meine Antwort ist die, dass ich jetzt nicht wissen will, was die Tugend vermag, sondern ob das als richtig gelten kann, was sich widerspricht. – In welcher Weise wäre dies der Fall? fragte Piso. – Weil, antwortete ich, Zeno grossartig, gleich einem Orakelspruch, den Satz aufgestellt hat: »Die Tugend allein genügt zum glücklichen Leben.« Wenn man fragt: Weshalb? so antwortet er: »Weil nur das Sittliche allein ein Gut ist.« Ich frage jetzt nicht nach der Wahrheit dieser Sätze, allein ich behaupte, dass das, was Zeno sagt, vortrefflich in sich übereinstimmt. (§ 80.) Auch Epikur hat vielleicht gesagt, dass der Weise immer glücklich sei; denn er geräth manchmal in die Hitze und lässt den von den höchsten Schmerzen gepeinigten Weisen ausrufen: »Wie angenehm! Wie wenig kümmere ich mich darum!« Ich will mit dem Mann nicht streiten, wie er in die Natur so viele Güter verlegen kann, aber ich behaupte, dass er nicht einsieht, was er sagen sollte, da er doch den Schmerz für das höchste Uebel erklärt hat. Dasselbe mache ich jetzt auch gegen Dich geltend; denn Du vermengst alles Gute oder Uebel wie Die, welche niemals einen Philosophen auch nur im Bilde gesehen haben; also die Gesundheit, die Kräfte, die Körperbildung und Gestalt und die Unversehrtheit bis zu den Nägelchen gelten Dir als Güter, und die Hässlichkeit, die Krankheit, die Schwäche als Uebel. (§ 81.) Wenn Du nun auch über die äussern Dinge Dich nur vorsichtig erklärt hast, so sind jene Dinge doch Güter des Körpers, und Du wirst deshalb das, was sie bewirkt, auch zu den Gütern zählen müssen, also auch die Freunde, die Kinder, die Anverwandten, den Reichthum, die Ehre und die Macht. Ich will dagegen nichts einwenden; wenn es aber auch hier Uebel giebt, in die der Weise gerathen kann, so kann das Weisesein zum glücklichen Leben nicht hinreichen. – Allerdings, sagte er, nicht zu dem allerglücklichsten Leben, aber wohl zu dem glücklichen. – Ich habe, sagte ich, wohl bemerkt, dass Du kurz vorher Dich so ausgedrückt hast und ich weiss, dass auch unser Antiochus sich so auszusprechen pflegt. Aber ist es wohl zulässig, Jemanden für glücklich, aber nicht für hinreichend glücklich zu erklären? Wenn etwas hinreichend ist, so ist jedes Mehr schon zu viel; Niemand kann aber zu glücklich sein und Niemand glücklicher als der Glückliche. – (§ 82.) Also, erwiderte Piso; hältst Du den Q. Metellus, der es erlebte, dass drei seiner Söhne Consuln wurden und einer davon auch Censor und einen Triumph feierte, dass sein vierter Sohn Prätor wurde, und der bei seinem Tode sie alle gesund und ausserdem drei Töchter verheirathet zurückliess, während er selbst Consul, Censor und Augur gewesen war und einen Triumph gefeiert hatte, ich sage also, hältst Du diesen, angenommen, dass er ein Weiser gewesen, nicht für glücklicher, als den Regulus, ebenfalls angenommen, dass dieser ein Weiser gewesen, der in der Gewalt seiner Feinde durch Hunger und Nachtwachen zu Tode gemartert wurde? –
Kap. XXVIII. (§ 83.) Was fragst Du mich danach, sagte ich, Du musst diese Frage an die Stoiker richten. – Nun, sagte Piso, was meinst Du wohl, dass sie antworten würden? – Dass Metellus nicht glücklicher gewesen als Regulus. – Also müssen wir bei diesem Punkte beginnen. – Allein wir kommen, sagte ich, trotzdem von unserm Ziele ab; denn ich frage hier nicht nach der Wahrheit der einzelnen Sätze, sondern nach ihrer Folgerichtigkeit. Würden die Stoiker anerkennen, das der Eine glücklicher gewesen als der Andere, so würdest Du ihr ganzes Gebäude zusammenbrechen sehen. Denn wenn in der Tugend und Sittlichkeit allein das höchste Gut enthalten ist, und wenn nach deren Ansicht weder die Tugend noch das Sittliche zunehmen kann, und wenn nur das für ein Gut gelten soll, dessen Besitz nothwendig glücklich macht, und wenn das nicht vermehrt werden kann, in dem allein das Glücklichsein enthalten ist, wie kann da der Eine glücklicher sein als der Andere? Siehst Du nicht, wie dies zusammen stimmt? Fürwahr, die Folgerichtigkeit ihrer Sätze ist bewundernswerth, das muss ich offen bekennen; die Schlusssätze entsprechen den Vordersätzen, die mittlern stimmen mit beiden und alle mit allen; sie wissen, was folgt und was sich widerspricht. Es ist bei ihnen, wie bei der Geometrie: giebt man den ersten Satz zu, so muss man alle zugeben. Erkennst Du an, dass nur das Sittliche ein Gut ist, so musst Du anerkennen, dass in der Tugend auch das glückliche Leben enthalten ist, und umgekehrt; erkennst Du dies an, so musst Du auch jenen Satz zugeben. Bei Euch ist es nicht ebenso. (§ 84.) »Es giebt drei Alten von Gütern«, so rollt bei Euch die Rede bergab; sie geht auf das Ende los, aber bleibt in dem Holpern stecken, denn Ihr möchtet gern aussprechen, dass dem Weisen zum glücklichen Leben nichts abgehe. Fürwahr, ein edler Ausspruch, des Sokrates und Plato würdig. – Ich wage es auch, dies zu behaupten, sagte Piso. – Dies ist nicht möglich, wenn Du nicht jene Vordersätze änderst. Ist die Armuth ein Uebel, so kann kein Bettler glücklich sein, wenn er auch ein Weiser ist. Aber Zeno wagte es, nicht blos ihn glücklich, sondern auch reich zu nennen. Der Schmerz ist ein Uebel, also kann der an das Kreuz Geschlagene nicht glücklich sein. Kinder sind ein Gut, Kinderlosigkeit ist ein Uebel; das Vaterland ist ein Gut, die Verbannung ein Unglück; die Gesundheit ist ein Gut, der Kranke ist elend; der unverletzte Körper ist ein Gut, die Gebrechlichkeit ein Uebel; das scharfe Auge ist ein Gut, die Blindheit ein Uebel. Wenn man auch Einzelnes durch Trost zu lindern vermag, so wird man doch nicht Alles zusammen ertragen können. Man nehme an, ein Mensch sei blind, gebrechlich, schwer krank, verbannt, kinderlos, arm, auf die Folter gespannt, wie wirst Du diesen nennen, Zeno? – Einen Glücklichen, sagt er. – Aber auch einen Allerglücklichsten? – Gewiss, wird er sagen; ich habe ja gelehrt, dass es hier keine Grade giebt, so wenig, wie in der Tilgend, in der ja schon das Glück selbst enthalten ist. – (§ 85.) Dir scheint dies unglaublich, weil er der Allerglücklichste sein soll. Aber wie, ist denn Dein Ausspruch glaublicher? Wenn Du das Volk zwischen uns zum Richter bestellst, so wirst Du nie beweisen, dass ein Mensch in solchem Zustande glücklich sei; sollen aber die Einsichtigen entscheiden, so werden sie vielleicht zweifeln, ob in der Tugend so viel Kraft enthalten sei, dass auch die in dem Folterstier des Phalaris Eingeschlossenen glücklich sein können; aber das werden sie nicht bezweifeln, das die Stoiker folgerecht sprechen, während Ihr Widersprechendes behauptet. – Also, sagte Piso, gefällt Dir des Theophrast Schrift über das glückliche Leben? – Wir kommen damit von unserm Gegenstande ab; aber um es kurz zu machen, sagte ich, so gefällt sie mir allerdings, wenn man jene Zustände als Uebel anerkennt. – (§ 86.) Hältst Du selbst diese Dinge denn für kein Uebel, fragte Piso? – Du stellst eine Frage, auf die ich erst antworten kann, wenn Du selbst Dich entschieden hast, wohin Du Dich stellen willst. – Wie meinst Du das? frug Piso. – Weil, wenn jene Dinge Uebel sind, der darin Befindliche nicht glücklich sein kann, und wenn sie keine Uebel sind, so fällt die ganze Lehre der Peripatetiker. – Darauf sagte Piso lächelnd: Ich sehe, was Du vorhast. Du fürchtest, ich möchte Dir Deinen Schüler abwendig machen. – Du magst ihn immer, sagte ich, mit Dir nehmen, wenn er folgen mag; denn er wird der meinige bleiben, wenn er der Deinige wird. –
Kap. XXIX. Höre also, mein Lucius, sagte Piso, denn zu Dir richte ich jetzt meine Rede. Aller Werth der Philosophie, sagt Theophrast, besteht in der Gewährung eines glücklichen Lebens; denn von dem Verlangen danach sind wir Alle ergriffen. (§ 87.) Hierüber ist Dein Vetter mit mir einverstanden; es kommt deshalb darauf an, zu ermitteln, ob die Lehre der Philosophen uns dies gewähren kann; denn versprechen thun sie es. Wenn sie nicht diesen Erfolg hätte, weshalb wäre da Plato durch Aegypten gewandert, um von den fremdländischen Priestern sich über die Zahlen und Himmelskörper belehren zu lassen? Weshalb wäre er später nach Tarent zu Archytas gegangen? Weshalb zu den übrigen Pythagoreern, dem Echekrates, Timäus, Akrion in Lokri, wo er, nachdem er die Lehre des Sokrates anschaulich dargelegt