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über das Haus hinausgehende Rücksicht enthalten ist, welche nach Andern verlangt und sie befasst, kommt es, dass die Freunde, die Brüder, die Verwandten, die Verschwägerten, die Bürger und alle Menschen überhaupt, weil man will, dass alle Menschen nur eine Gemeinschaft bilden, zu dem an sich selbst Begehrenswerthen gehören. Aber in diesen Dingen ist doch nichts enthalten, was zu dem Endziele und höchsten Gute gerechnet werden kann. (§ 68.) So giebt es daher zwei Arten von Dingen, die um ihrer selbst willen begehrenswerth sind. Die eine Art befasst Alles, woraus jenes höchste Gut besteht, und betrifft sowohl die Zustände der Seele wie des Körpers; die andere Art befasst das Aeussere, was weder zur Seele noch zu dem Körper gehört, wie die Freunde, die Eltern, die Kinder, die Verwandten, das Vaterland; Alles dies ist um sein selbst willen uns theuer, aber es gehört nicht zu jener ersten Art; denn wenn alles dieses Aeussere, weil es begehrenswerth ist, zu dem höchsten Gute gehörte, so würde dasselbe Niemand jemals erreichen können.

      Kap. XXIV. (§ 69.) Du wirst daher fragen, wie in Wahrheit Alles auf das höchste Gut bezogen werden könne, wenn die Freunde, die Verwandten und alles andere Aeusserliche nicht zu dem höchsten Gute gehöre? Indess geschieht dies dadurch, dass dieses Aeusserliche durch jene Pflichten beschützt wird, welche aus den einzelnen ihnen entsprechenden Tugenden hervorgehen. Denn die Pflege der Freunde und der Eltern ist Dem, der seine Pflicht erfüllt, eben dadurch nützlich, weil solche Pflichterfüllung zu den rechten Handlungen gehört, welche aus den Tugenden hervorgehen. Diese Tugenden üben die Weisen und benutzen die Natur dabei als Führerin; die weniger vollkommnen, aber mit hervorragendem Geiste versehenen Menschen lassen sich dagegen oft von der Ehre bestimmen, welche die äussere Gestalt der Sittlichkeit hat und ihr ähnelt. Könnten sie aber die durchaus vollkommene und abgeschlossene Sittlichkeit, welche allein das Erhabenste und Lobenswertheste ist, ganz durchschauen, so würden sie von der höchsten Freude sich erfüllt fühlen, da sie schon an deren so verdunkelter Vorstellung sich ergötzen. (§ 70.) Kann wohl ein Mensch, der den Lüsten ergeben ist und entflammt von der Hitze der Begierde auch das, was er am heftigsten verlangt, erreicht hat, so durchaus glücklich erachtet werden, wie es der ältere Scipio sein musste, als er den Hannibal besiegt hatte; oder der jüngere Scipio, als er Karthago zerstört hatte? Wen hat wohl die jährliche Festfahrt die Tiber hinab so mit Freude erfüllt, wie sie L. Paullus bei der Einfahrt in diesen Strom empfand, als er den König Perseus gefangen mit sich führte? (§ 71.) Deshalb, mein Lucius, pflege in Deinem Geiste die Erhabenheit und Vortrefflichkeit der Tugenden und Du wirst nicht mehr zweifeln, dass Menschen, welche die Tugenden besitzen, in ihrem grossen und festen Geiste immer glücklich sind, und dass alle Schwankungen des Glücks und aller Wechsel der Dinge und Zeiten von ihnen für gering und schwach erachtet werden, wenn diese der Tugend sich entgegenstellen. Die von mir aufgezählten Güter des Lebens vollenden zwar das glückliche Leben, aber nur so, dass das glückliche Leben auch ohne sie bestehen kann. Jene Zuthaten von Gütern sind so gering und klein, dass sie gleich den Sternen beim Sonnenschein im Glänze der Tugend nicht sichtbar bleiben. (§ 72.) Aber so wie es richtig ist, dass diese körperlichen Vortheile nur von geringer Bedeutung für das glückliche Leben sind, so wäre es doch eine Gewaltsamkeit, wenn man ihnen alle Bedeutung dafür absprechen wollte. Wer dies behauptet, scheint mir die natürlichen Grundlagen, von denen er ausgegangen ist, selbst zu vergessen. Man muss ihnen daher allerdings eine Bedeutung zugestehen, nur muss man wissen, von welcher Grösse. Es ziemt also einem Philosophen, welcher nicht sowohl das Blendende, als vielmehr das Wahre sucht, das nicht für Nichts zu achten, was jene berühmten Männer selbst als naturgemäss anerkennen. Nur hat der Philosoph die Kraft der Tugend und so zu sagen das Ansehen der Sittlichkeit so hoch zu stellen, dass alles Uebrige zwar nicht für Nichts, aber doch nur für so gering zu achten ist, dass es beinahe für Nichts gelten kann. Dies ist die Sprache Dessen, der zwar nicht alles Andere neben der Tugend verachtet, aber doch die Tugend mit dem ihr gebührenden Lobe erhebt, und damit ist die Darstellung des höchsten Guts von allen Seiten vollendet und abgeschlossen. Die übrigen Philosophen haben daraus nur einzelne Stücke sich herausgenommen und damit den Schein einer eigenen Ansicht sich zu verschaffen gesucht.

      Kap. XXV. (§ 73.) So hat schon Aristoteles und Theophrast oft die Erkenntniss der Dinge um ihrer selbst willen ausserordentlich gelobt und Herillus war davon so ergriffen, dass er behauptete, die Erkenntniss allein sei das höchste Gut und weiter nichts sei um sein selbst willen begehrenswerth. Ebenso haben die Alten sich viel darüber ausgesprochen, dass die menschlichen Dinge zu verachten und gering zu schätzen seien; und so hielt Aristo nur das Eine fest und bestritt, dass neben der Tugend und dem Laster noch irgend etwas begehrens- oder verabscheuungswürdig sei. So haben die Unsrigen die Schmerzlosigkeit zu den naturgemässen Dingen gerechnet und in Folge dessen hat Hieronymus sie für das höchste Gut erklärt. Später hielt Callipho zwar an der Lust und Diodor an der Schmerzlosigkeit fest, aber Beide konnten das Sittliche nicht entbehren, was schon von uns am Höchsten gestellt worden ist. (§ 74.) Ja selbst die reinen Anhänger der Lust versuchen mancherlei Wendungen, führen fortwährend die Tugend im Munde und sagen, dass die Lust nur zuerst begehrt werde, aber dass durch die Gewohnheit gleichsam eine andere Natur sich bilde, auf deren Antrieb man dann auch Vieles thue, ohne die Lust dabei als Ziel zu nehmen. So bleiben nur noch die Stoiker, welche aber nicht blos ein oder das andere Stück, sondern unsere ganze Philosophie sich angeeignet haben. Sowie nun sonst die Diebe die Zeichen an den Sachen, die sie gestohlen haben, ändern, so haben auch die Stoiker, um unsere Lehren für ihre eigenen auszugeben, deren Namen, als die Zeichen der Dinge, geändert. Es bleibt daher nur unsere Lehre übrig, und sie ist würdig Derer, welche die Künste und Wissenschaften treiben; ist würdig der Gelehrten, würdig der berühmten Männer, würdig der Ersten im Staate und würdig der Könige. – (§ 75.) Hier hielt Piso ein wenig inne und sagte dann: Meint Ihr, dass ich genügend mein Recht benutzt und vor Euren Ohren mich geübt habe? – Ich erwiderte: Nein, Piso, Du hast Dich heute, wie schon öfters anderwärts, so vertraut mit diesen Lehren gezeigt, dass, wenn uns öfters die Gelegenheit, Dich zu hören, geboten würde, für die Griechen nicht viel zu ergänzen übrig bleiben möchte. Ich habe Deinen Vortrag um so mehr gebilligt, weil ich mich entsinne, dass der Neapolitaner Staseas, Dein Lehrer und ein tüchtiger Peripatetiker, diese Lehren ganz anders vorzutragen pflegte, indem er Denen beistimmte, welche auf das Glück und Unglück und auf die Güter und Uebel des Körpers einen grossen Werth legen. – Das ist so, wie Du sagst, erwiderte Piso; allein was ich gesprochen habe, wird von unserm Freund Antiochus viel besser und kräftiger vorgetragen, als Staseas es that. Indess möchte ich jetzt weniger von Dir hören, was an meinem Vortrage zu billigen ist, als von unserm Cicero hier, den ich Dir abtrünnig und zu meinem Schüler machen möchte.

      Kap. XXVI. (§ 76.) Darauf sagte Lucius: Dein Vortrag hat meinen ganzen Beifall und dies wird wohl auch bei meinem Vetter der Fall sein. – Piso sagte da zu mir: Was willst Du weiter? verzeihst Du dem Jüngling? oder willst Du lieber, dass er das lerne, wobei er, auch wenn er es ganz inne hat, doch nichts weiss? – Darauf sagte ich: Ich lasse ihm seinen Willen, aber meinst Du nicht, dass auch ich das billigen könnte, was Du gesagt hast? – Aber, sagte Piso, wie kann Jemand seine Billigung über etwas aussprechen, was er nicht erfasst, nicht begriffen, nicht erkannt hat? – Wir gehen, sagte ich, hier nicht so sehr auseinander, denn ich halte nur deshalb die Erkenntniss für unmöglich, weil die erkennende Kraft von den Stoikern so definirt wird, dass man nur das Wahre erkennen könne, was niemals falsch sein könne. Deshalb weiche ich wohl von den Stoikern, aber nicht von den Peripatetikern ab. Doch wollen wir dies bei Seite lassen, da es sich hier ameine höchst streitige und dabei langwierige Frage handelt. (§ 77.) Alleinetwas voreilig scheint mir Dein Ausspruch, dass die Weisen immer glücklich sein sollen. Du eiltest hier mit Deiner Rede im Fluge vorüber. Wenn dies nicht bewiesen werden kann, so möchte ich glauben, dass Theophrast recht hat, wenn er sagt, dass ein glückliches Leben sich nicht mit dem vertrage, was er Schicksal, Schmerz und körperliche Plagen nennt. Es wäre ein starker Widerspruch, wenn Jemand, der von vielen Uebeln gebeugt ist, zugleich glücklich sein sollte, und ich wüsste nicht, wie sich dies vereinigen liesse. – Piso sagte darauf: Also findest Du entweder in der Tugend nicht so viel Kraft, dass sie allein zureicht, das Leben glücklich zu machen? Oder, wenn Du dies billigst, hältst Du es da für unmöglich, dass die der Tugend Ergebenen, selbst wenn sie mit einigen Uebeln behaftet sind, dennoch glücklich sein können? – Ich bestreite nicht,

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