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Well«, sagt ein hagerer Jockey neben Parsenow, » I say ... it's a good thing for Satanella ...«

      »Wenn das Luder man nich' so n' verfluchtes Temperament hätte...« brummt sein Begleiter, ein Buchmacher vom Rosenthaler Thor, verdrießlich vor sich hin.

      Parsenow hört nichts von dem Gespräch. Er ist zu erregt. In der Herzgegend, in den Schläfen, selbst in den Augen hört er das rasche taktmäßige Hämmern des Blutes und ein merkwürdig quälendes Gefühl regt sich ihm im Magen, steigt langsam aufwärts und schnürt seine Kehle zusammen, so daß er heftig schluckt und hinter dem vorgehaltenen Wettbuch zu gähnen beginnt. Gleich darauf schämt er sich seiner Schwachheit ... die verwünschten Nerven ... was macht es ihm denn schließlich aus, wenn er auch diesmal nicht gewinnt? Er weiß es ja, daß Floßhilde kaum zu schlagen ist, daß er vernünftiger Weise nur auf den zweiten Platz rechnen kann ... und wenn es nicht heute glückt ... so am nächsten Mittwoch ... es ist ja noch nicht aller Tage Abend ...

      Das sagt er sich, während er zur Restauration eilt, um noch rasch ein Glas Sekt hinunterzustürzen.

      Eben hat er das Spitzglas geleert, da dringt ein helles Glockenzeichen und Stimmengewirr an seine Ohren. Der Start hat begonnen. Die Pferde sind unterwegs. Graf Parsenow stellt das Glas auf den Tisch, wischt sich mechanisch den dunklen Schnurrbart und starrt einen Augenblick vor sich nieder. Der Kellner, der ihn bedient, sieht ihn über das Büffet her müßig blinzelnd an. Solche Szenen sind hier nicht selten ...

      Als fern am andern Ende der Rennbahn die rote Flagge des Starters fiel, hatte Satanella bereits auf eigene Faust einen Galoppsprung unternommen und lag so von vornherein etwa zwei Längen vor den andern! Einen Augenblick fürchtet ihr Reiter, es möchte ein falscher Ablauf gewesen sein ... aber der Starter ist froh, das Feld ziemlich geschlossen entlassen zu haben und im Sturmwind geht die Reise zwischen den Flaggen dahin nach dem fünftausend Meter entlegenen Ziel ...

      Nun kann man an der Barrière nichts rechtes mehr unterscheiden. Ärgerlich läßt Parsenow sein Glas sinken. Er hat die Tribüne nicht bestiegen, um dem Gedränge zu entgehen. Auf dem Rasen stehend, späht er nach der fernen Hügelkette, hinter der die Pferde fast völlig verschwunden sind. Nur die Mützen der Reiter sieht man ... einen bunten, flimmernden Klumpen, der geschäftig und schnell an dem gelblichen, scharf abgegrenzten Hügelland dahingleitet. Über das breite Feld hin ziehen in dunklen, riesigen Schwärmen die Besucher des dritten und vierten Platzes, denen ihre große Weiße mit Strippe oder ihr Fünfzigpfennigstück ein ebenso wertvoller Wetteinsatz ist als den Tribünen-Inhabern des Zehnmark-Ticket. Schreiend und johlend strömen sie der Stelle zu, wo die Reiter auftauchen müssen, um quer über die Bahn zum ersten Tribünensprung zu jagen.

      Da kommen sie ... noch immer in dichter Masse ... Floßhilde und Satanella mitten zwischen den andern ... ein Herr in rotgelbem Jockeydreß führt als Pacemacher die Gesellschaft. Schon ist er an der Tribünenhürde und schießt in langem Satz hinüber, vier, fünf andere Pferde strecken sich fast gleichzeitig zum Sprung ... die Reiter biegen sich elastisch in den Sätteln, ein kurzer Peitschenhieb klatscht ... ein Pferdehuf – es ist der Satanellas, die wieder beinahe zu kurz über das Hindernis gehuscht, schlägt krachend an das Holz, ein paar Splitter stiegen auf ... schon geht die Fahrt weiter und hinter den federnden Hufen sausen die Rasenstücke durch den leicht aufwirbelnden Staub ...

      »Fellin reitet!« ... irgend wo dringt aus der Tribüne der Ruf: »Fellin reitet ...« viele Stimmen bestätigen die Neuigkeit. In der That ... das pacemachende Pferd hat seine Schuldigkeit gethan ... Vergeblich muntert es der im rotgelben Dreß auf ... es verliert den Atem und fällt in den Haufen der anderen zurück. Und schon beginnen zwei, drei Nachzügler mit ihm in das Hintertreffen zu geraten. Pferde, die dem rasenden Tempo nicht gewachsen sind in dem die Matadore des Felds dahinfegen.

      Nun kommt die Steinmauer mit dem Graben. Ein jäher plötzlicher Aufschrei aus tausend Kehlen. Parsenow schließt die Augen. Er weiß, was das bedeutet.

      Halb zögernd blickt er wieder auf die Bahn. Das erste, was er sieht, ist der rote Husar, unter dem Satanella unverzagt weiter stürmt ... Gott sei Dank ... also sie war es nicht ... nein ... ein braunes Pferd liegt dort am Boden ... neben ihm ... halb kauernd der Feldartillerist ... er scheint verletzt ... aber wer kann jetzt daran denken ... Unverwandt folgt Parsenow dem Pferdetrupp, der sich jetzt dem Koppelrick nähert. Er ist viel zuversichtlicher geworden. Er weiß es selbst nicht, warum, aber als von neuem ein geller Schrei über den Tribünenplatz tönt, da schließt er nicht die Augen, sondern konstatiert kaltblütig die Thatsache, daß der Herrenreiter Mr. Cook dort bewegungslos auf dem Rücken liegt, während der reiterlose Gaul in vollstem Eifer noch eine Weile mitläuft, um dann abschwenkend in kurzem Galopp dem Stall am Sattelplatz zuzusteuern.

      Jetzt wird die Sache ernst. Auf der Tribüne wächst die Erregung. Das Stimmengewirr beginnt sich brausend zu steigern, während die Pferde in die Schlucht hinabschießen, die Reiter mit vorgestreckten Beinen und langen festen Zügeln fast auf der Croupe liegend, um sich dann wieder beinahe auf den Hals des Pferdes zu werfen, sobald dieses im Galopp den jenseitigen Abhang erklimmt. Geschrei, Jubel, Zurufe begrüßen das Feld, das zum zweiten Mal an den Tribünen vorbei schießt.

      » Go on, Satanella!« brüllt eine heisere Stimme. » Go on, Floßhilde,« tönt es von allen Seiten dagegen » Go on!« Ein Lärmen, aus Lachen und Rufen der Enttäuschung gemischt, erschüttert die Luft! Das Langerwartete geschieht! Floßhilde beginnt sich unter der Meisterhand ihres Reiters zu strecken und dem Felde davonzulaufen. In langen, gleichmäßigen Sprüngen zieht sie los, unermüdlich und unerschütterlich wie eine wohlgeheizte Maschine. Immer größer wird der Abstand zwischen ihr und dem Gros, das sich langsam in eine endlose, schwerfällig galoppierende Reihe auseinander zieht. Nur zwei oder drei Pferde halten sich noch in ihrer Nähe und unter ihnen ... – Parsenow zerreißt mechanisch seinen Handschuh zwischen den Fingern – unter ihnen Satanella. Und mehr als das! Das scharfe Auge ihres Besitzers erkennt sofort, daß die Stute noch keineswegs ausgepumpt ist. Ihr Reiter sitzt tief im Sattel zurück ... die Zügel stehen elastisch an den fest an den Leib gelegten, Armen – es ist kein Zweifel, daß Wendlau das Pferd noch zurückhält und ihm den Kopf nur so weit freigiebt, um Floßhilde auf den Hufen zu folgen.

      Das Wäldchen nimmt sie auf. Wenn sie da herauskommt beginnt auf der Geraden das Endgefecht. Die Entscheidung naht.

      Parsenow legt sich mit äußerster Anstrengung die Gesichtszüge in ruhige Falten ... wenn er gewönne! ... aber nein ... nur keine Aufregung ... Niemand darf ihm ...

      Ein Tosen bricht auf den Tribünen los. Sie kommen! sie kommen! Eine rotweiße Mütze taucht aus dem Wäldchen auf ... Floßhilde führt und nährt sich in unheimlichen Sätzen ... sie ist also noch die erste ... da einige Längen hinter ihr ein zweites Pferd ... der schwarze Hengst mit dem jungen Ulanen darauf ... dann ein Kürassier auf einem Rappen, der von Schaumspritzern wie weißgefleckt aussieht ... und dann ... nichts mehr! ... Parsenow reibt sich die Augen ... das ist ja gar nicht möglich ... wo bleibt denn Satanella?

      Vor ihm erscheint alles wie in einem Dämmerschein. Er achtet nicht auf das grandiose Endgefecht des Kampfs. Auf den Tribünen donnert und wogt es wie von einem Sturm ... Alles heult und schreit durcheinander, während der Ulan auf dem verachteten schwarzen Außenseiter in einem verblüffenden Finish Floßhilde zu überrumpeln, sie im Ziele abzufangen sucht! Sein Gaul schießt geradezu nach vorn ... die Doppeltrense in dem bluttriefenden Maule wirbelnd, die Sporen in den blutbedeckten Flanken drehend, ununterbrochen mit der Peitsche niederklatschend nimmt der Reiter das Äußerste aus dem wie toll losbrechenden Pferd und krampft selbst jede Faser seines Körpers zusammen. Schon ist er auf ein paar Längen an Floßhilde heran ... Da wendet deren Reiter unter dem markerschütternden Lärmen der Tribüne den Kopf ... im nächsten Augenblick geht eine leichte Bewegung durch ihn und das Pferd ... Floßhilde wird länger und länger ... sie läuft nicht mehr ... sie beginnt beinahe zu fliegen ... fünfzig, sechzig, hundert Schritte Boden schießen im Momente unter ihr hinweg ... es ist, wie wenn eine unsichtbare Macht sie nach vorne reißt. Und das ist das Ziel... in ruhigen Sprüngen galoppiert die Wunderstute hindurch, taumelnd folgt ihr auf zehn, zwölf Längen das schwarze Pferd mit seinem gleichfalls völlig erschöpften, aber doch von allen Seiten beglückwünschten Reiter.

      Und

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