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Gelächter folgt... Es dringt durch den Vorhang bis ins Publikum. Dort wird man unruhig. Ein dumpfes Murmeln tönt. »Anfangen!« schreit eine Stimme oben von der Galerie.

      »Fräulein Schulz... Sie wagen es...« keucht der Direktor atemlos. »Verlassen Sie die Bühne.«

      »Ich jehe sofort...« Die Schulz hat noch einen zweiten Trumpf in Bereitschaft... »aber erst mein Geld... meine rückständige Gage...«

      »Unser Geld... wir wollen ooch leben« ... tönt es im Chor.

      »Ich habe jetzt keins« stammelt der Vorstadt-Direktor... »Wollen Sie mich unglücklich machen?«

      »Na wenn schon!« meint die unbesiegbare Blondine schnippisch, »wären Sie doch man Cigarrenhändler geblieben!«

      »Fräulein Schulz ... ich sagte Ihnen schon, daß Sie entlassen sind!«

      »Erst mein Geld« ...

      »Geld ... Geld ...« von allen Seiten klingt es aus den Kulissen. Der Direktor sieht ratlos um sich. Ein paar Schritt entfernt lehnt Erna Ernesti, als Cupido gekleidet, verdrießlich an einer Pappsäule, ohne sich um den Streit der andern zu kümmern. Nun hat er eine Ableitung für seinen Zorn gefunden.

      »Und wer ist Schuld daran,« sagte er, auf sie zutretend. »Sie allein, Ernesti... Sie haben mich im Stich gelassen ...«

      Erna sieht ihn hochmütig an. »Wollen Sie mich gefälligst mit Fräulein anreden, wenn ich bitten darf ...«

      »Ja ... natürlich ... immer vornehm ...« meint der Direktor bissig ... »Sie haben mir das Geld versprochen ...«

      »Die Prinzessin aus die Mulacksgasse ...« sekundiert flüsternd die Blondine.

      »Daß Parsenows Pferd heute Nachmittag in Charlottenburg tot geblieben ist,« erwiderte Erna etwas gereizt, »das ist seit 'ner Stunde in jedem Abendblatt zu lesen ...«

      »Was liegt mir an dem Gaul,« – ihr Gegenüber schreit sie geradezu an ...

      »Oder können Sie vielleicht gar nicht lesen?« fährt die Schauspielerin gelassen fort, »manchmal hab' ichs schon vermutet ...«

      Ihr Chef antwortete nicht. Er wendet sich majestätisch zu dem Regisseur. »Lassen Sie morgen früh bei Fräulein Ernesti die Rolle in dem neuen Ausstattungsstück abholen ... ich übertrage Sie an ... an ...« sein Blick schweift zögernd umher ... »an... Fräulein Käthe Krauß.«

      Die kleine Krauß ist über dies Glück so erschreckt, daß sie überhaupt nichts sagt, sondern fassungslos dasteht.

      »Wo werden Sie denn das Stück spielen, Direktor,« fragt die Ernesti, jetzt ihrerseits tötlich erbittert, ... »in Dalldorf oder in Plötzensee?«

      Der Direktor fährt auf ... ein allgemeiner Tumult entsteht, aber in diesem Augenblick dringen mit unzweideutiger Entschiedenheit aus dem Zuschauerraum die Zeichen der wachsenden Erregung. Man hört das Scharren und Trampeln zahlreicher Füße, Rufe, ein vereinzeltes Pfeifen ... und dann plötzlich wiederum die Klänge der Musik. Der Kapellmeister wiederholt den Walzer. Es wird ruhig. Einige Minuten sind gewonnen. Sie dürfen nicht unnütz verzettelt werden.

      »Herr Direktor ...« meldet in diesem Augenblick eilig ein Logenschließer, ... »der Jraf ist ja hier ... gleich in der Proszeniumsloge links ...«

      »Wer ... der Graf Parsenow?«

      »Nu natürlich ... ick kenne ihm doch ...«

      Der Direktor wirft einen angstvollen Blick zu der Ernesti hinüber, die immer noch an der Pappsäule lehnt und sich vorsichtig – um die Schminke nicht zu verwischen – mit dem Taschentuch die Zornthränen aus den Augen tupft. Seine Heftigkeit thut ihm leid. Aber jetzt ... nach diesem Skandal kann er sie doch unmöglich bitten ...

      Einerlei ... er schreibt an den Grafen direkt! Was kann da sein? Rasch nimmt er eine Visitenkarte heraus und kritzelt auf die Rückseite die ergebene Bitte, den Herrn Grafen in dringender Angelegenheit im Flur sprechen zu dürfen.

      Die kleinen Balletteusen stehen um ihn herum und sehen erwartungsvoll zu, wie er den Inspizienten mit dem Brief wegschickt.

      Inzwischen ist donnernd, von zwei langschweifigen Orloff-Trabern gezogen, ein verspäteter Wagen an der Rampe vorgefahren. Eilfertig springt der Diener dazu und hilft dem vornehmen Besucher heraus, der müde und blasiert in seine Loge schreitet. Kaum hat er dort Platz genommen und das Opernglas angesetzt, so erhebt er sich wieder und begiebt sich in die Proszeniumsloge links, wo er den Major von Döbeln erkannt hat.

      Zu dem Besuch treibt Herrn van Look weniger die Höflichkeit gegen den Klienten, der ihm das große Vermögen in Depot gegeben, als die Neugier, Hilda kennen zu lernen. Umsomehr, als er hinter der schönen Frau den ihm wohlbekannten Parsenow sitzen sieht.

      Der alte Herr begrüßt ihn mit lärmender Freundlichkeit. »Hier, mein Kind,« stellt er ihn vor, »ist Herr van Look, Dein Bankier, der Dir Deine Gelder verwaltet. Erst heute meint er, man sollte Dir Disconto-Commandit ...«

      »Ich bin Ihnen sehr verbunden,« sagt Frau Hilda etwas befangen. »Sie haben gewiß viel Mühe damit. Ich verstehe gar nichts von Geschäften.«

      »Nichts von Geschäften, meine Gnädigste,« sagt Herr van Look mit weicher, müder Stimme, indem er sich auf einem der Polsterstühle niederläßt, »ich benutze nur die günstige Gelegenheit, mich Ihnen persönlich vorzustellen ... So bringt mir dieser verlorene Abend doch noch einen Gewinn ...«

      »Sind Sie denn kein Theaterfreund?« fragt der Major.

      »Ich muß es sein,« meint der Bankier kühl, ... »wenn sich unsereins heutzutage nicht allabendlich an mindestens drei Orten zeigt, wird am nächsten Morgen die Hälfte der Depositen abgehoben.«

      »Das kann Ihnen aber doch gleich sein,« sagt der Leutnant, ... »wenn die Depositen doch da sind ...«

      »Mein verehrter Herr Leutnant ...« die Stimme des Bankiers nimmt einen leicht schneidenden Klang an, ... »angenehm ist solch ein allgemeines Mißtrauensvotum niemandem, am wenigsten aber einem Geschäftsmann. Wir müssen mit dem Vertrauen unserer Kundschaft rechnen und in dem Augenblick, wo wir dieses nicht mehr besitzen ...«

      »Aber mein bester Herr van Look,« unterbricht ihn der Major jovial, ... »das wäre ja noch schöner. Wir wissen ja, daß man bei Ihnen gut aufgehoben ist ... aber sagen Sie mal... warum fängt denn die Geschichte nicht an?«

      »Ich weiß nicht,« erwidert der andere, und dreht sich dabei halb unwillkürlich nach Parsenow um, ... »der Graf müßt' es doch wissen ...«

      »Verstehen Sie!« ... hört man dessen Stimme im gleichen Augenblick aus dem Hintergrund, wo er vor dem geräuschlos eingetretenen Inspizienten steht, ... »ich bin für den Herrn Direktor nicht zu sprechen ... weder jetzt noch später ...«

      »Was giebt es denn?« die andern wenden sich neugierig zu ihm.

      »Die Vorstellung wird wahrscheinlich nicht stattfinden, meine Gnädigste ...« erwidert der Graf verdrießlich ... »es herrscht ein Streik auf der Bühne.«

      »Mein Gott ... weßwegen?«

      »Die Leute verlangen ihre rückständige Gage ... und, wie es scheint, ist kein Geld da. Am besten wäre es, wir fahren nach Hause. Es könnte noch arge Tumulte geben!«

      »Ach ... die armen Menschen...« sagt Frau von Braneck bedauernd.

      Der Major ist wütend. »Da haben wirs wieder einmal ... dies Berlin! ... In Hinterpommern hat noch nie ein Ballet gestreikt und die Besucher um den Theater-Abend gebracht!« Und dieser Gedanke erfüllt ihn mit einer grimmigen Genugthuung.

      »Ach Jott doch, Herr Jraf!« wendet sich inzwischen der Inspizient verzweifelnd an den Bankier, den er von Ansehen kennt. »Haben Sie den nich' det bisken Kleingeld bei sich ... bedenken Sie nur... 's ist ja 'n Jammer und 'ne Schande ... und die Leute hauen uns alles kurz und kleen, wenn Sie ihr Eintrittsgeld nicht zurückkriegen ...«

      Der Bankier läßt seinen eiskalten, blasierten Blick über die schaulustige

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