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Geldmannes. Rasch sammelt er in seinem nie trügenden Gedächtnis, was er über Frau von Braneck und ihren Vater oder vielmehr über das Vermögen der beiden weiß. Das Ergebnis scheint ihn zu befriedigen. »Ist gut, Herr Graf,« sagt er und steht auf, »das haben Sie ganz fein gemacht.«

      »Bitte« ... erwidert Parsenow, »keine philosophischen Redensarten, Herr Krakauer ...«

      »Nu, man wird Ihnen doch gratulieren dürfen!« meint der Geldmann pikiert, ... »Sie haben mir Sorgen genug gemacht. Herr Graf ...«

      »Schön!« Parsenow setzt sich an den Schreibtisch, nimmt ein Papier und beginnt es in flüchtigen Zügen zu beschreiben. Krakauer tritt mißtrauisch hinter ihn und blickt ihm über die Schulter. »Was machen Sie denn da?«

      »Sie sehen es ja ... ich schreibe einen Wechsel ...«

      »Für mich?« sagt Krakauer erschrocken und tritt zurück ... »machen Sie keine Witze ...«

      »Ja ... für wen denn sonst?« Parsenow dreht sich ganz erstaunt herum ... »glauben Sie, daß ein Bräutigam von der Luft lebt? ... Im Gegenteil! schon die Bouqets jeden Morgen verschlingen ein Vermögen ... aber ... wenn Sie nicht wollen ... denn nicht! Dann geht eben die Verlobung zurück und ...«

      »Geben Sie her!« sagt Krakauer mürrisch, prüft das Papier, holt seufzend seine Brieftasche hervor und zahlt eine Reihe Tausendmarkscheine auf den Tisch.

      Parsenow streicht sie mit geübter Hand ein. »Und nun, mein lieber Herr Krakauer,« sagt er leutselig, »nehmen Sie es nicht übel, wenn ich uns beide hier herausschmeiße. Ich habe dringende Geschäfte ...« »Nu... meinen Sie ... ich nicht?« der Geldmann knöpft sich verdrossen seinen Rock zu, während sich Parsenow von dem Diener Hut und Mantel reichen läßt. Sie treten zusammen auf die Straße, wo hintereinander ihre beiden tadellosen Coupés der Gebieter harren. Beide gleichen sich wie ein Ei dem andern. Nur ist Parsenows Kutscher ein hagerer, glattrasierter Engländer, während der auf Krakauers Bock einen langen blonden Vollbart und das eiserne Kreuz auf der Brust trägt.

      Die zwei Herren trennen sich mit flüchtigem Kopfnicken, einem Zeichen geringschätziger Vertraulichkeit und steigen ein. Die Wagenthüren schlagen zu, die Coupés rollen in zwei verschiedenen Richtungen davon.

      Um diese Zeit wachte Erna auf, sah gähnend zur Decke empor und sammelte langsam ihre Gedanken. Allmählich kamen ihr, während sie die Nachthandschuhe auszog, um sich die verschlafenen Augen zu reiben, die Ereignisse des gestrigen Tages in Erinnerung ... der Sturz Satanellas ... der Streit mit dem Direktor ... und dann ... sie fuhr auf ... richtig ... die verdächtige Haltung Parsenows, der schon seit Tagen wie ein Schwerverlobter herumging, und der angekündigte Besuch des Bankiers.

      Der heutige Tag mußte die Situation klären. Lang ausgestreckt und den Kopf in die Kissen zurückgeworfen überdachte Erna die Sachlage. Es war doch ein schlimmes Ding, wenn Parsenow das schon seit einiger Zeit gelockerte Verhältnis völlig abbrach. Sie hatte eine dumpfe Vorstellung, als sei sie ihrem Schneider eine Masse Geld schuldig – wieviel, das wußte sie freilich auch nicht annähernd – und wann sie Schuster und Putzmacherin zum letzten Mal bezahlt, konnte sie sich beim besten Willen nicht erinnern. Der Hauswirt hatte kürzlich auch schon wieder einmal heraufgeschickt und an die Zahlung der Miete erinnern lassen ... jeden Tag meldeten sich allerhand Menschen, die Geld haben wollten, und dabei war nichts mehr vorhanden ...

      Nichts. Neulich hatte sie schon ihr Kammermädchen um hundert Mark angeborgt und ein Türkisenarmband versetzt. So ging das nicht weiter.

      Sie rief sich das Bild van Looks in die Erinnerung und gab sich, halb unbewußt, Mühe, ihn interessant und anziehend zu finden. Aber immer wieder verblaßte neben Parsenows glänzender Erscheinung, dem kühnen, scharfgeschnittenen Gesicht mit dem langen Schnurrbart, die verlebte Gestalt des Bankiers zu einem Nichts und verschwammen seine blasierten, abgelebten Züge. Erna seufzte auf. Was war da zu machen? Und schließlich – nun drehte sie sich die Sache um – Parsenow hatte doch auch seine Fehler – was für welche sogar! Er hatte etwas so herrisches in seinem Wesen und es lag immer eine Art ironischer Verachtung in seinem Verkehr mit ihr und anderen Damen der Welt, in der man sich nicht langweilt. Zuweilen betrank er sich. Wenn er Kater hatte, war er noch unleidlicher. Und vor allem ... was ließ sich von einem Mann erwarten, der solches Pech mit Pferden und Karten hat, wie Parsenow in letzter Zeit? Einmal mußte das ja zu einem Ende mit Schrecken, zu einer Verlobung führen! da war es besser, dies Ende nicht abzuwarten.

      Und beruhigt schellte Erna ihrem Kammermädchen, um sich Chocolade und die Morgenpost bringen zu lassen. Es waren fünf Briefe da, die Erna nachlässig überflog und dann zerrissen auf das Bärenfell vor ihrem Bett warf. Drei davon enthielten Rechnungen, der vierte ein anonymes, höchst unorthographisch gekritzeltes Schreiben von Damenhand, offenbar aus der Feder einer Collegin, die sich in allerlei höhnischen Ausfällen und Sticheleien wegen des Kulissen-Skandals und des Verlustes der neuen Rolle erging. Im fünften endlich frug ein ihr völlig unbekannter Herr Waldegg um die Erlaubnis an, sie zu besuchen, und berief sich dabei auf seine Beziehungen zu den ersten Bühnenkreisen der Residenz.

      Daneben lagen zwei Zeitungen, das am Sonntag erscheinende Reklameblatt ihres Agenten, angefüllt mit Journal-Kritiken über verschiedene Künstler, die mit dieser Firma dritten Ranges in Verbindung standen. Jeder Tadel des betreffenden Kunstrichters von Krotoschin oder Apenrade war sorgfältig weggestrichen, so daß die ohnedies vielfach in hartem Kampf mit der Grammatik und in schlechtem Reporterdeutsch verfaßten Besprechungen eine zusammenhanglose Reihe von Lobsprüchen über die Aufführung verschiedener Operetten und Possen darstellten. Berlin war nur durch das Edentheater und zwei andere Vorstadtbühnen vertreten. Durfte man dem Blatte Glauben schenken, so kehrten allabendlich Hunderte klagend und das gefüllte Portemonnaie in der Hand vor dem ausverkauften Edentheater um, auf dessen Bühne der Stern von Berlin, Fräulein Erna Ernesti die unerhörtesten Triumphe feierte, und wurden dem rührigen Leiter des traulichen Musentempels im Westen täglich stürmische Ovationen zu Teil.

      Das andere Blatt war eine illustrierte Wiener Theater-Zeitung, mit allerhand plump nach dem Französischen der Grevin, Mars u. s. w. gestrichelten Skizzen, und faden Witzen darunter. Den Hauptbestandteil der Nummer aber bildete wie gewöhnlich der Briefkasten, in dem, als Antwort auf fingierte Anfragen, der neueste Kulissentratsch in Gestalt von pikanten Histörchen verarbeitet wurde. Die Namen der Beteiligten waren nicht genannt, sondern nur angedeutet. Wen es anging, der erriet es ja doch, und Fernstehende interessierte die Thatsache kaum, daß der Graf P. die kleine Tänzerin V. schamloser Weise mit falschen Brillanten beschenkt habe, um ihre Gunst zu erwerben, und daß ein anderer »Kavalier«, Herr v. H–y neulich bei dem Fräulein A. M. abgefallen sei, da diese ihre engen, außerkontraktlichen Beziehungen zu dem Direktor ihrer Bühne nicht lockern wolle.

      Erna überlas die Zeitung, fand, daß ihr Name nicht genannt war, ballte sie zusammen und warf sie dem kleinen Havanesen an die zottigen Ohren, der friedlich auf dem Bärenfell, an den ausgestopften Kopf gelehnt, schlummerte.

      Der Havaneser fuhr quitschend auf und flüchtete sich zu dem Kammermädchen, die mit der Meldung eintrat, daß Graf Parsenow erschienen sei und vorn im Boudoir sitze.

      Erna ließ ihn nicht lange warten. Sie fuhr rasch in einen blauseidenen Schlafrock und ein Paar türkische Pantoffel, stülpte sich einen Fez auf das unordentlich zusammengeknotete und aufgesteckte Haar und schlüpfte über den Corridor hinüber in ihr kleines Boudoir.

      Parsenow dehnte sich da am Fenster in einem Lehnstuhl, den Cylinder hatte er vor sich auf den Boden gestellt, der Stock lag daneben. Er rauchte eine dicke Cyriazi-Cigarette und war eifrig in die Beschäftigung vertieft, aus einem auf dem Tisch stehenden Goldfisch-Bassin die Insassen mit Hülfe des vorgefundenen Netzhakens einzeln herauszufischen, sie zu betrachten und dann, nachdem er sie mit Cigarettenrauch angeblasen, wieder in das Wasser zu versenken. Schwamm dann der Fisch, so zog der Rauch in einer Menge kleiner Bläschen von ihm empor zur Oberfläche des Bassins.

      »Was machst Du denn da?« frug Erna unwirsch beim Eintreten. »Unsinn natürlich ...«

      »Du siehst,« sagte Parsenow zweideutig lächelnd und schwenkte das Netz, in dem eben der Matador der Bassin-Bevölkerung krampfhaft zappelte, ... »ich angele einen Goldfisch ...«

      »Laß

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