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...« meint der Leutnant etwas boshaft. Über ihre Beziehungen zu Parsenow schweigt er wohlweislich. Der Graf macht Frau von Braneck schon seit längerer Zeit den Hof, und er, Kurt, der es aufrichtig ehrlich mit seiner Schwester meint, will sie von der Partie nicht abschrecken. Es ist ja wahr ... Parsenow ist ein Roué, dabei aber ein tadelloser Gentleman und ein glänzender Kavalier. Wird er wirklich einmal solide, was vorderhand allerdings keiner seiner Bekannten für möglich hält, so giebt er den besten Ehemann unter der Sonne.

      »Ist das eine Welt!« Knurrig schaut der alte Major von Döbeln seine neben ihm sitzende Tochter an, »was sagst Du dazu, Hilda? ... wir rumpeln hier im Mietsfuhrwerk und diese Theaterprinzessinnen fahren in eigenen Equipagen an uns vorbei!«

      Hilda erwidert nichts. »Wenn Sie erst wüßte, wer die Equipage gezahlt hat,« denkt Kurt bei sich. Auch der Alte schweigt ergrimmt. Er haßt Berlin! Was er hier sieht und hört, ist ihm ein Greuel. Wie still und gemütlich ist es auf seinem pommerschen Gut, das er sonst jahrelang nicht verläßt, nachdem er den bunten Rock ausgezogen. Wie schön wäre dort jetzt eine Hühnerjagd auf den weiten, trockenen Stoppelfeldern !

      Aber er begreift ja selbst, daß es nicht anders geht. Ein Jahr lang hat Hilda nach dem Tode ihres Mannes auf dem einsamen Edelhof mit ihm gelebt und, wie es Brauch, ihre Trauerzeit in voller Zurückgezogenheit verbracht. Die Welt verlangt es nun einmal so, mochte die junge Witwe auch in Wirklichkeit ihrem Gemahl nur spärliche Thränen nachweinen. Denn glücklich war ihre Ehe nie. Die beiden verstanden sich nicht und lebten kinderlos, unfroh neben einander her, bis der kränkliche Herr von Braneck den einzigen gescheidten Einfall seines Lebens, – nach Ansicht seines Schwiegervaters – bekam und alsbald ausführte. Er legte sich hin und starb. Seiner Frau hinterließ er ein schönes Vermögen, das sicher in einer Berliner Bank ruhte, und die goldene Freiheit.

      Die Freiheit ist doppelt kostbar, wenn man dazu die Jugend hat, sie zu genießen. Hilda von Braneck war jetzt 27 Jahre alt; aber sie sah jünger aus, eine große, schlanke Blondine mit übermütigen Zügen, mit großen, wissenden Augen und doch ein fragendes Lächeln um die aufgeworfenen Lippen, halb mädchenhaft in ihren Bewegungen, halb frauenhaft gemessen.

      Sie liebte Parsenow. Das wußte sie selbst so gut wie jeder andere, den es anging. Daß sie dem Grafen nicht gleichgültig, war ebenso Thatsache. Seit Wochen sahen sie sich jetzt in Berlin auf dem Rennplatz, in Theatern und Gesellschaften. In nächster Zeit mußte die Entscheidung fallen.

      So dachte wenigstens der Major. Der Berliner Aufenthalt war ihm nachgerade unerträglich. Unwirsch saß der kleine Herr, wie gewöhnlich kerzengerade aufgerichtet in dem Wagen. Zornig blitzten seine Augen aus dem kupferbraungebeizten Gesicht, der schlohweiße, aufgedrehte Schnurrbart wehte im Winde. Nach seiner Überzeugung war Berlin überhaupt nur von Juden und Demokraten bevölkert, in jedem Begegnenden sah er seinen persönlichen Feind, der bei den nächsten Wahlen ihm zum Tort Bebel oder Richter in den Reichstag entsenden würde.

      »Du, Kurt« ... sagt er endlich etwas milder werdend, »wo ist denn das Theater, in dem die Dingsda ... diese Donna von vorhin auftritt ...?«

      »Am Nollendorfplatz ... dies Frühjahr eröffnet ...«

      »So ... ist das Stück denn hübsch das sie da spielen? ...«

      »Gott! ... Tricotsache ...« meint der Leutnant achselzuckend, ... »wem's Spaß macht.«

      »Nun ... ansehen könnte man sich schon mal dergleichen ...« der Major wendet sich ernst zu Hilda. »was denkst Du darüber, Kind ...«

      Ein flüchtiges Lächeln huscht über Frau von Branecks Lippen. »Gewiß, Papa ... gehen wir hin! Wir haben ja nichts vor heute Abend ...«

      Dann blättert sie in der Sportwelt, die ihr Bruder von einem, sich auf das Wagenbrett schwingenden Händler erstanden hat. Mit vielsagendem Lächeln zeigt er ihr eine Stelle unter den Pferdenennungen. Da prangt Satanella: Graf Parsenows dunkelbraune Stute vom Geheimrat aus der Miß Hellyett, 4 Jahre alt, mit 61 1/2 Kilo gehandicapt.

      »Oh!«, sagt Frau Hilda »meinst Du, daß sie gewinnen wird?«

      »Favorit ist natürlich ›Floßhilde‹, erwidert ihr Bruder, »aber da vorn an der Spitze des Blattes findest Du einen äußerst scharfsinnigen Artikel über die Chancen der einzelnen Gäule.«

      »Du ... das verstehe ich nicht«, erklärt nach kurzer Lektüre Frau von Braneck, »was soll denn das um Gotteswillen heißen: ,... so fassen wir doch unser Urteil dahin zusammen, daß, wenn auch ›Floßhilde‹ bei ihrem enormen Stehvermögen sicher die zehntausend Mark landen wird, doch ›Satanella‹ die einzige sein dürfte, die vielleicht auf der Heimreise im Kielwasser der Stute zu leben vermag ... ?‹ Ist das nicht Unsinn?«

      »Keineswegs!«, unterbricht sie der Major gereizt, »das heißt: es kann die ›Floßhilde‹ gewinnen oder die ›Satanella‹ oder sonst ein Pferd. Um uns das zu sagen, brauchen die Sportsleute nu mal dreifach so viel Worte wie 'n gewöhnlicher Mensch ...«

      »Das stimmt«, meint der Leutnant, »aber es macht sich schön!«

      »Satanella muß gewinnen« entscheidet die schöne Frau den Fall, »ich setze zehn Mark auf sie ...«

      Zwei starkknochige Orloff-Traber mit fußlang flatternden Schweifen reißen, pfeilschnell die Vorderbeine herausschnellend, im Sturm eine leichte Carosse hinter sich her. An der Reihe der Mietsdroschken vorbei geht die sausende Fahrt, die Equipagen werden überholt und bewundernde Blicke richten sich auf das prachtvolle Gespann.

      Ein müder Mann sitzt in dem Wagen; kaum Ende der Dreißiger, aber abgelebt und mit stark gelichtetem Haar. Ohne rechts und links zu schauen lehnt er teilnahmslos da. Es ist, als ob sein Gesicht, seine ganze Gestalt in der Haltung weltmännischer Erschlaffung erstarrt sei. Das ist die wahre, echte Blasiertheit! Manche der jungen, lebenslustigen Leutnants scheinen das bei seinem Anblick zu fühlen. Sie lassen die Monocles fallen und geben die Miene erzwungener Gleichgültigkeit auf.

      Plötzlich kommt Leben in den steinernen Gast. Er beugt sich im Wagen vor und lüftet höflich seinen grauen Cylinder. Dann saust die Carosse vorbei.

      »Wer grüßte Dich denn eben, Papa?« fragt Frau Hilde neugierig.

      »Das« ... der Major streicht sich den weißen Schnurrbart auf, »das ist Dein Bankier, mein Kind, oder vielmehr der Deines Mannes, der Dir Dein Erbe verwaltet ... unter meiner Aufsicht natürlich ... wir hatten erst gestern eine Conferenz ... Er schlug vor, Dir Disconto-Commandit zu kaufen ... was meinst Du?«

      »Ach ... davon verstehe ich doch nichts,« Frau von Braneck macht ein etwas gedrücktes Gesicht, »aber – weißt Du – sehr vertrauenerweckend sieht er mir eigentlich nicht aus.«

      »Das mag schon sein, Kind,« sagt der Major, »aber es ist eine gute Bank. Harwitz hat sein Geld dort, die Mundlingens, selbst der alte Fuchs, der Graf Rönneburg ...«

      » – Ja – weil man da höhere Prozente kriegt« bemerkt Kurt. »Aber wie Du willst,« fährt der Major fort »heben wir das Geld ab ... tragen wirs wo anders hin ... meinetwegen in die deutsche Bank...«

      »Ihr müßt das besser wissen.« Hilda sieht immer noch etwas besorgt aus, »... es ist nur so ein Gefühl von mir.«

      »Ich werde mich erkundigen« beschwichtigt sie ihr Vater, »ein Vierteljahr muß es ja doch noch liegen bleiben.«

      Inzwischen haben sie Charlottenburg hinter sich gelassen und fahren den Berg empor. Immer toller wird das Gedränge um sie, berittene Schutzleute fluchen hinein und fern über dem niedrigen Laubwald zeigen weithin flatternde Fahnen und windverwehte Musik den Rennplatz an.

      Wagen auf Wagen rollt da vor. Offiziere mit ihren Damen, Sportfreunde in Massen, Börsianer, denen das Rennprogramm eine noch willkommenere Aufregung bietet als der Courszettel, Buchmacher mit tadellosen Gaunergesichtern, zwerghafte Jockeys, Kriminalbeamte in Civil, staunende Fremde aus der Provinz, Taschendiebe, ein buntes Gewirr in allen Schattirungen von der großen Welt herab bis zur Halbwelt, die in zahlreichen, extravagant gekleideten Vertreterinnen den Platz belebt.

      Es leuchtet und flimmert um die hochaufragenden Tribünen. Die bunten Uniformen blitzen,

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