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Ihnen wohl passen!« meinte der Yankee und zwinkerte mit den Augen.

      »Ja«, sagte der Riese schlicht, und sein Gefährte wandte sich wieder dem Notizbuch zu.

      »So!« sprach er befriedigt und klappte es zusammen. »Nun ist mein Konto in Ordnung, und mein Vater kann über meinen Anteil in Transvaal disponieren, wenn uns doch der Teufel holt. Hier in Nacht und Eis, wo uns wirklich nur noch Frithjof Nansen als dritter zum Skat fehlt.«

      »Arbeiten Sie denn mit Ihrem Vater zusammen?«

      » Oh no, Sir! Der würde mich schön übers Ohr hauen, wie alle seine Kompagnons! Ob Sie mir's glauben oder nicht – aber er ist ein ganz aufgeweckter alter Herr!«

      »Wenn ich Sie anseh', glaub' ich's!« gähnte der Riese. »Ich wollte, es wäre morgen früh und wir wären auf dem Gipfel!«

      »Wenn wir überhaupt hinaufkommen!«

      »Um acht Uhr dreißig sind wir oben, um acht Uhr vierzig beginnen wir den Abstieg, um halb elf sind wir in der Hütte Pierre-Pointue, treffen Angela ...«

      »Hoffentlich!«

      »Sicher ist sie bis dahin schon hinaufgeritten. Dort rasten wir bis gegen Abend, bummeln dann im Mondschein die paar Stunden den Gletscher hinauf bis zu den Grands Mulets, wo unsere Wettgegner vom Londoner »Alpine Club« jedenfalls schon alle sitzen, legen uns ein bißchen aufs Ohr, brechen um Mitternacht auf ...«

      » ... und sind neun Uhr einundzwanzig Minuten dreiachtel Sekunden auf dem Gipfel des Montblanc!« ergänzte der Kleine mit mephistophelischem Lächeln.

      »Etwas später.« Der Genosse furchte die Stirn. »Weil wir Angela zwischen uns am Seil haben. Das hält auf. Aber es bringt, wie ich neulich schon in Afrika sagte, etwas Ästhetisches in das Ganze ... Es ist eine feine Lektion für die Londoner, daß wir auch noch eine Dame mitnehmen!«

      »Sagen Sie mal!« Der Yankee blickte sinnend vor sich hin. »Wollen Sie Angela immer noch heiraten?«

      »Sie auch?«

      »Ja.«

      Sie schwiegen beide und starrten in die Flammen.

      »Huhu!« Der kleine Athlet zuckte die Achseln. »Es wird kalt, sehr kalt! Wenn uns nur die Träger nicht unsern Wein wegtrinken!«

      »Dann werfe ich die Teufel in die nächste Gletscherspalte«, brummte der finstere Hüne. »Ich glaube, hier oben darf man das! Und nun wollen wir in die Nester kriechen!«

      Einige Stunden waren verstrichen, da wurde es den langen Gliedern des Prinzen ganz unerträglich in dem engen Schlafsack. Von unten drückte das Steinwerk durch Pelz und Stroh blaue Flecke in die Haut, von oben lastete die Wucht der Hülle, die Luft innen war heiß und verdorben, man fror und schwitzte beinahe zu gleicher Zeit in dem stockdunklen Gefängnis, in das von außen nur das Schnarchen der Führer und von ferne zuweilen der scharfe Knall, das sprungweise Rumpeln und ersterbende Rollen des Steinschlags tönte.

      »Gerade als ob man schon im Grabe läge!« brummte der Insasse und horchte erstaunt auf. Er hörte dicht über sich taktmäßiges Händeklatschen, seltsame Sprünge und einen englischen Fluch. Dann stieß ein Nagelschuh gegen seine Rippen und zog sich sofort wieder zurück.

      »Pardon!« rief von oben eine frostzitternde Stimme.

      »Passen Sie doch auf!« knurrte der andere und kroch hinaus. Eine Art Schrecken erfaßte ihn. Es war da draußen so dunkel wie im Schlafsack. Nicht die Hand vor den Augen zu sehen. Kein Stern am Himmel. Ringsum undurchdringliche schweigende Nacht.

      »Was ist denn los?« fragte er verblüfft.

      »Der Mond hat das Spiel satt!« hörte er neben sich Franklin Moores Stimme. »Er läßt schön grüßen und ist nach Hause gegangen!«

      »Und das Feuer?«

      »Hat ein Windstoß ausgelöscht.«

      »Zum Henker, warum zünden's denn die Führer nicht wieder an?«

      »Es geht nicht. Es ist zu feucht geworden. Alles ringsum ist wie aus dem Wasser gezogen. Ich schätze, wir stecken mitten im Nebel ...«

      »Das wäre ...« Der andere unterdrückte einen Fluch und fuhr, die Handschuhe abstreifend, in die Tasche. »Ich werd' mal ein Magnesiumlicht anzünden!«

      Das Licht flammte in grünem Sonnenglanz auf, aber schon auf wenige Schritte verlor sich sein Schein in der grauen, zäh wie Dampf dünstenden Luft. Kaum daß man die aufrechtstehenden, vermummten Gestalten der Führer zwischen dem Wirrwarr des Biwaks erkennen konnte und dahinter die düster glotzenden Eisfratzen der Wildnis, die stumm und böse wie ein weißes Gespensterheer im Umkreis Wache hielten.

      Den rasch in der Kälte erstarrenden Fingern entfiel die Flamme. Eine Weile glomm sie noch am Boden und warf die abenteuerlich verzerrten Schatten der Männer auf das grünlich widerspiegelnde Eis. Dann verlosch sie. Wieder war die Nacht da, pechschwarz, dick, wie mit Fingern zu greifen. Und mit der Nacht umhüllte der Frost die schaudernden, sich in die Hände schlagenden und von einem Fuß auf den anderen tretenden Männer.

      Franklin Moore machte in dem Dunkel ein paar elastische Schlußsprünge auf der Stelle. »Ich hab' es mir vorhin ausgerechnet!« sprach er dann wehmütig. »Ich habe genug Geld, um mir fünftausend schöne warme Bettstellen mit allem Zubehör zu kaufen. Statt dessen hüpfe ich wie ein Narr um Mitternacht in diesem Eiskeller herum. Der Teufel hole die europäischen Einrichtungen!«

      »Ich hab' ein Schloß!« sagte der andere mißmutig. »In dem stehen dreißig Gastbetten! Warum lieg' ich Esel nicht in einem davon, statt hier zu tanzen und zu springen?«

      Das Morgengrauen war da, eiskalt und trübe im Brauen des Nebels, der alles umflutete. Grämlich standen in seinem Geriesel die nächsten Gletscherzacken. Weiterhin war nichts mehr zu sehen als der weiße Rauch. Kein Lüftchen regte sich. Tiefe Stille lag über dem ganzen Firnkessel, während die Luft sich mehr und mehr erhellte.

      Die Führer hatten über einer Spiritusflamme aus Schneewasser einen dünnen heißen Kaffee bereitet und sich mit Brot und Speck gestärkt. Jetzt warteten sie schweigend, was ihre Herren beschließen würden.

      »Vorwärts!« sagte der Prinz ziemlich apathisch, und die vier Führer kauerten, ohne weiteren Wortwechsel, am Boden nieder und packten die Seile, Steigeisen, Laternen, Wein und Fleisch und den übrigen Gletscherbedarf zusammen. Was sonst da noch in Unordnung auf der Felsplatte herumlag, sollten die durch die Höhennacht völlig verblödeten und verängstigten Träger wieder mit sich nach Chamonix zurücknehmen.

      Der Abschied war nicht gerade herzlich. Die verdrossene Beklommenheit, die eine gefährliche Hochtour einleitet, lastete auf der kleinen Schar. Man trennte sich mit kurzem Kopfnicken der Herren und stummem Hütelüften der Leute.

      Ein kurzer Marsch, eintönig in dem Schlürfen der Bergschuhe, dem taktmäßigen Aufstoßen der Pickel, ab und zu dem Kollern eines losgelösten Steins – dann standen sie vor dem Aufstieg in die Eisrinne, einer halbkreisförmigen, von hohen Wänden umschlossenen Mulde. Ihr ganzer Boden bestand aus einem losen, jetzt an der Oberfläche erstarrten Schneehaufen, der sich zu dem Couloir hin wölbte. Vereinzelte Steine lagen auf ihm, und zahlreicher noch steckten festgefrorene Eisblöcke und -klumpen jeder Größe in der körnigen, weißen Hügelmasse.

      »Das alles kommt nun in ein paar Stunden von da oben 'runter!« Der Yankee wandte sich zu seinem Gefährten zurück. »Nette Gegend! Hier möcht' ich 'mal ein Nachmittagsschläfchen in der Sonne halten! Sehen Sie nur diesen riesigen Eiswürfel vor uns am Eingang ins Couloir! Ein Vorposten von dem Gletscher hoch oben! Das Biest kauert wie ein Eisbär im Nebel!«

      Der Hüne schob sich an ihm vorbei, übellaunig und mit gelbem Gesicht. »Lassen Sie uns vorbei!« sprach er heiser. »Mein Berner Führer und ich gehen voraus und hauen die Stufen!«

      Der junge schmächtige Berner Oberländer schlug mit unheimlicher Behendigkeit Kerben in das glasharte Eis. Fünfzig, sechzig mit voller Wucht geführte Schläge waren nötig, um nur einen schmalen Tritt herzustellen. Aber seine Arme, dünn und zäh wie Eisendraht,

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